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dankbaren Acker meiner Thätigkeit. Weg' hat er allerwegen, an Mitteln fehlt's ihm nicht er^ kann des Herrn Oberschulraths Ansicht ändern und der Geist, der einmal in meiner Gemeinde Wohnung gemacht hat, läßt sich nicht so leicht austrciben wie man meint. Es ist dieß kein Schwarm- und Jrrwischgeist, der sich von jedem Winde hin- und hertrciben läßt, kein Geist des Zweifels, der ewig zwischen Unglauben und Aberglauben schwankt, und zur Zeit der Anfechtung nicht weiß, woran er sich halten soll. ES ist auch nicht der kalte, flache Rationalismus, der nichts glauben will, als was sich mit den Händen greifen läßt, eben so wenig ein blinder und todter Köhlerglaube, und weit weniger eine mystische Andächtelei. Der Geist meiner Gemeinde ist der Geist Jesu Christi, der Geist bewußter, freudigster Gotteskindschaft und innig­ster Nächstenliebe; ihr Glaube, eme lebendige Wechselbeziehung mit Gott dem Schöpfer, Heiland und Geist, wurzelt tief im Gemüthe und stützt sich auf die doppelte Offenbarung der Schrift und der Natur. Diese beiden Offenbarungen gehen mit ihr Hand in Hand, eine ergänzt und erläutert die andere. Und so muß es sein, soll der Glaube festen Grund haben und statt zur Buchstabenknecht­schaft zu einer Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit führen."

Jetzt erscholl vor dem Hause ein feierlicher Chorgesang.Em Ständ­chen von unserer Liedertafel" bemerkte Jonas,das gllt Dir, Heinrichen; so haben sie sich doch erinnert, daß Du heute vor dreißig Jahren hier Deinen Einzug gehalten. So etwas tröstet für viel."

Hanna öffnete die Fenster, und nun brauste der Gesang im vollen un­gedämpften Strome an die Ohren des kleinen Kreises, zu welchem sich bald auch die beiden Verlobten ge­sellten. Aber Alexander schlich sich schnell fort doch nur, um in zehn Minuten mit zwei Körben voll Fla­schen zurückzukehren.

Es ist billig, daß Sie an die- sem Gedenktage den Ehrenbecher von

Ihrem fünfundzwanzigjährigen Amtö- jubiläum wieder einmal kreisen las­sen" - sagte der junge Mann zu Jonasdarum Hab' ich hier et­was für uns und unsere Sänger gebracht."

Klara sprang fort, und bald stand der prächtige Goldpokal, ein Geschenk der Gemeinde, auf dem Tisch, um nach langer Pause wieder einmal seine Bestimmung zu erfüllen.

Eine fröhliche Doppelfeicr, die der Verlobung und des Andenkens an den Einzug der Schulmeisterin beschloß nun den Abend.

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Im Einvcrständniß mit seinem Schulvorstande hatte Jonas die trau­rige Missive.-ick nctit gelegt" und sein Amt nach wie vor verwaltet. Keine Trübung war wieder in das stillheitere Leben des Friederhaler Schulhauses gekommen, vielmehr war eine lange Reihe goldener Freuden­lage durch dasselbe gegangen, die bräutlichen Tage von des Hauses Töchterlein, welche in der Hochzeit ihren Gipfelpunkt, aber keineSwegeö ihren Abschluß gefunden hatten, va ja der Weg vom Lehngericht zum Schulhause nur ein Sprung war und das junge Paar eben so oft bei den Ellern, als diese bei jenem sein konnten. So waren dem guten Jonas und seiner Hanna Dreivier­teljahre theils als Zeugen eines sü­ßen Brautstandes, therlö als Hoch­zeitgebern, und endlich als Theilneh- mern eines täglich herrlicher erblü­henden jungen Eheglücks vergan­gen als eines Morgens uner­wartet der Ephorus in ver Schule erschien und den Schulmeister beim Unterricht in ver Naturlehre über­raschte.

Jonas verlor keinen Augenblick seine Ruhe. Er setzte, nachdem er dem Ankömmling einen Stuhl ge­reicht, seinen Unterricht ungestört fort. Als aber die Stunde vorüber war, befahl der Vorgesetzte die Schule für den Vormittag zu schließen. Jo­nas gehorchte. Kinder mögen die Schule noch so gern besuchen, so freuen sie sich doch, wenn sie unver­

hofft ein paar Stunden frei bekom­men, die Friedethaler Kinder unter­schieden sich darin nicht von andern. Verließen sie daher auch die Schulstube ganz still, so zogen sie doch draußen fröhlich lärmend nach Hause. Da­von drang nun auch etwas an die Ohren des Ephorus, der alsbald Anlaß nahm, sich mißfällig über die schlechte Zucht der Friedethaler Schul­jugend zu äußern.Aber"fuhr er dann fortwie kann man auch Zucht da erwarten, wo sie in Denen fehlt, die sie handhaben sol­len. Mit Erstaunen mußte ich ja hören, wie Sie gegen den ausdrück­lichen Befehl der obersten Schulbe­hörde noch immer Naturlehre treiben. Sie haben die Missive doch empfan­gen und gelesen, welche Ihnen jenen Befehl bekannt macht?"

Wohl Hab' ich" antwortete der Gefragte ruhig. (Forts, folgt.)

Aphorismen.

Die Ueberglücklichen sind die über­reifen Früchte am Lebensbaume. Der leiseste Wind schüttelt sie, wie jede überreife Frucht, von ihrer Höhe herab, und zerschmettert sie durch ihren Fall weit eher, als die unrei­fen Früchte.

Das Gute kann auch unten recht gedeihen,

Wenn nur der Boden fruchtbar ist und gut,

Aus den wir seinen edlen Samen streuen.

Zum Aufwärtsstreben hat nickt jeder Muth,

Doch nach dem Guten kann ein Je­der streben,

Ob wir nun unten oder oben leben.

Viersilbige Lharade.

Die Erste ist ein trng'risch Ding» Mußt's, wenn es bös ist, meiden. Die Letzten schätzen stets gering Die Welt mit ihre» Freuden ; Man pflegt sie mit rothen Zeichen Auch im Kalender anzustreichen. Das Ganze sind die Pharisäer Auch noch in nnsern Tagen;

Sie sind das nun und nimmermehr, Was sie zu scheinen wagen.

Redigirt, gedruckt und verlegt vrn A. Octschläger.

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