an der Stelle, an der er cs zurückge- lassen hatte, Daneben Die Zündhölzer. Er zündete es an. In dem Zimmer war Alles an seinem Plaze. Er warf einen Blick nach Dem Sekrctair, in Dem er seinen Sck'a; verwahrt hatte. Er fand ihn verschlossen. An ein weiteres Nachsehen Dachte er nicht. Auch seine bisherigen Blicke waren wohl nur mehr instinktmäßig, als von einem VerDachte geleitet gewesen. Er gab sich ganz seinem Glücke bin. So leg­te er sich zu Bette, schlief balD ein, und träumte vielleicht süß.

Der arme Lieutenant!

Am andern Morgen um sieben Uhr stand ein Mann von mittlerer Größe, kräftigem, gedrungenem Glicdcrbari, mit einem runden, rothen, sehr gut- inütbigeu und freundliche» und etwas weniger listigen Gesichte, gekleidet in eine» braunen Ucbcrrock, in der Hand einen dicken Rehrslock mit einem gro­ßen silbernen Knopfe daraus, in der Thür des HanseS, Königsstraße Num­mer zwei zu Berlin. Er schien auf Jemanden zu warten, und sah sich un- terdeß, wie zum Zeitvertreibe, die Leu­te an, die vor ihm hin- und hergingeii. Die Königöitraße, besonders an ihrem Anfangspunkte an der Kmfürstenbrücke, ist die lebhafteste Straße Berlins. Dorr findet sich das größte Gedränge der Stadl zusammen, vom frühen Mor­gen bis zum späten Abend. Auch an jenem Morgen wogten eine Menge von Menschen auf und ab, an beiden Sei­ten der Straße, auf den TrottoirS zu Fuße, in der Mitte zu Wagen und zu Pferde. Bor dem Manne mit dem freundlichen Gesichte schien keiner un­bemerkt voibeizugehen; viele kannte er. Manche der Boibeigehenden kannten auch ihn; den meisten von diesen schien

aber seine Bekanntschaft keine eben er freuliche zu sein. Auf je Einen, der ihn freundlich, zuweilen dankbar grüß­te. kamen, Drei, die mit scheuem Hut­abziehen, oder auch blos scheuem Bli cke an ihm voibeigingen, und, wenn sie vvrbU waren, ihre Schrille be- schlcuniglen, gleichsam, als ob sie fürch­teten, daß ein Unglück hinter ihnen Herkommen und sie einholen möchte

Von der Kurfürstenbrücke her kam ein alter Mann in einem zeilumpten grünen Flausch, mit einem aufgedun­senen, halb grauen und halb rothen Gesichte und dem eigenthümlich ver­schleierte» Blicke des Zuchthauses. Der Mann sah suchend und zugleich fürch­tend nach allen Seiten der Straße umher. Auf einmal gewahrte er den freundlichen Mann in der Thüre des Hauses Nummer zwei. Er senkte, sei­ne Augen plözlich ängstlich, er hielt unwiUküilich seinen Schritt an. Doch in demselben Momente faßte er sich Mulh Er richtete sich in die Höhe, nin stramm, und ohne seitwailö zu bli­cken, an dem Hause Nummer zwei und dem gefürchteten, freundlichen Manne in der Thüre desselben vorbei zu ge­hen. Er befand sich auf der rechten Seite der Straße von der Kurfürsten- brücke. Er mußte also unmiltelbar an jener Thür vorbei. Als er gerade vor ihr war, stair vor sich hinblickend, und, ähnlich dem Vogel Strauß, vielleicht schon meinte, der Gefahr entgangen zu sein, erhielt er auf einmal einen Schlag mit einem Nohrstock auf die Schulter. Der Schlag war nur leise, traf ihn aber doch wie mit heftiger elektrischer Gewalt. Der ganze Mann zuckte zu­sammen. Er blieb stehen, dcmüthig seine alte Müze vom Kopfe reißend.

Ei Lude," sagte der Mann mit dem gutmüthigen Gesichte freundlich lächelnd,haben sic Dich über Deine

Zeit im Zuchlhause zu Brandenburg festgchalten'?"

Nein, Herr Polizeirath."

Dann mußtest Du schon sei. ver, gestern wieder hier sein."

Zu Betehl, Herr Polizcirath."

Und Du hast Dick bei der Polizei noch nicht »emeldet? Alker Lude, das kann Dir drei Monate Ochsenkops ein- Iragen."

Ich bin auf dem Wege zum Mol­kenmarkt, Herr Polizcirath."

Schön, Lude, dann will ich Dich nickt aufhalten."

Der alte Dieb ging leicht weiter. Sei» Schritt war leicht geworden, als wenn er sich von einer schweren Last befreit fühlte. Er bog in der That in die gleich in der Nähe befindliche Poststraßi ein, die zum Molkenmarkt f hrt. Am Molkenmai kte Nummer drei hat das Polizeipräsidium der Re­sidenz Bcilin seine viel ge fürchtete Resi­denz.

Der freundliche Polizcirath war fest obne sich zu rühren in der Thür stehen geblieben. Er sah dem alten Diebe nach; dann wandte er sich nach dem Innern dcS Hauses um.

Schmidt Vier!" rief er in das Haus hinein.

Ein baumlanger Geusd'arm stand beinahe in dem nämlichen Augenblicke neben ihm.

Herr Polizcirath!"

So eben gehl der Ludwig Liedkc vorbei. Er wurde sichtlich verlegen, al§ er mich sah. Er hat also schon wieder etwas verübt."

Er hat sich noch nicht gemeldet Herr Poli eirath."

Das war cS nicht. Seine Verle­genheit war eine andere. Er hat schon wieder gestohlen. BiS gestern Abend war noch nichts zur Anzeige gekommen, waö von ihm hätte ausgehen können.