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Kartoffeln, die zur menschlichen Nahrung untauglich sind, die aber in den Brennereien verwcrkhet weiden durch Verwandlung in brauchbare Nahrungö st v s fe. Denn auch wer Sprit bereitet und Vieh mästet und Dünger gewinnt, prodiizüt Nahrungsstoffe. Diese ganz ungemein landwinh- schastlichc Produktion höil aus, wenn das Brennen aushört. Es ist schlimm genug, wenn dieß geschieht in Folge natürlicher Theurnng, allein dann mich man sich darein finden; — geschieht es aber auf einseitigen Befehl der Negierung, so hat eS nur die Folge, daß die Verwandlung geringerer in werth- vollere Stoffe, daß also eine Vermehrung deö Volkswohlstandes ins Stocken geräth. Jede Fabrikation ist Verwandlung eines geringen in einen höheren Werth; so lange die Brennereien noch mit Nnzen fortarbeiten, so lange ist der von ihnen verbrannte Rohstoff minder wertlwoll als der Sprit, als das Vieh und als der Dünger, den sie daraus gewinnen, und man dars nicht vergessen, daß auch der Sprit in Korn nnd Mehl wieder verwandelt werden kann, insosern als er ein Aus- mittel für fremde Cerealien bietet. Dazu kommt, wie erwähnt, daß verdorbene Kartoffeln noch zum Brennen verwendbar sind, daß also ein Verbot gegen lezteres, namentlich in einer Zeit wirklichen Mangels, in einer Zeit, wo die guten und eßbaren Kartoffeln schon zu theuer für den Brenner gcwoiden sind, nur solches Material vor dem Ciedckessel bewahren wird, das zu keinem andern Zwecke mehr dienen kann. Endlich aber ist zu erwägen, daß die Folgen eines Brcnnvcrbctes die nachhaltigsten schlimmen Folgen für die ganze Landwirtbschaft, also sür den wichtigsten Theil der nationalen Produktion nach sich zieht. Ueberall, wo Brennereien bestehen, da ist auf sie die ganze Bcwirthschaftung basirt. Dieselbe gleicht einem Ringe, aus welchem man kein Glied ausbrechen kann, ohne ihn zu verstümmeln. Der Gewinn der Bo- dcufrüchte, die Verwendung derselben zum Brennen, die Benuzung der Residuen als Viehfutter, die Mästung des Viehes im Stalle, die Gewinnung deS Düngers, die wiederum die Erzielung der Bede »fruchte mehren »miß, alles
daö bildet ein so fest geschlossenes System, daß mir die alleräußerste Noch es rechtfertige» könnte, eine Störung dazwischen zu weifen. Und welche Weisheit ist weise genug, um sagen zu können: diese rechtst,ligeuve Noll) ist cingetreteii! ehe sie sich durch die »ärmliche Steigerung der Preist selbst uiijweidentig ankundigt?
Erfahrung lind Logik sprechen gleich energisch gegen die ganze Reihe von offiziellen Palliativen, die wir in unser» drei Artikeln vorgeführt haben. Elfahning und Logik weisen unS eben so entschieden aus ganz andere Heilmittel hin, welche heißen: Freiheit des Verkehrs, rasche nnd wohlfeile Kom- iiiunikativnsmittel, Sicherheit des Eigenthums !
Das graue Hans.
(AuS dem Tagbuch eines alten Thür- mers).
Da liegt daö alte graue Haus — aber nur einige Tage noch, dann wird es von der Erbe verschwunden seinem neues, vieleicht glänzendes und prachtvolles Gebäude erhebt sich an seiner Stelle, nnd in Jahr und Tag weiß Niemand mehr von dem grauen Hanse, zu welchem früher jedes Kind den Fremden hiuzeigcn konnte. Jezt steht es aus den Abdruck; Zimmerleutc und Maurer a> beiten daran herum, nickt zum Erhalten, sondern zum Zerstören, und sckvn blickt der blaue Himmel durch die zügellosen Dachsparren tief hinein bis in die innersten Räume, tief hinein mit mir in das früher so freundliche und gemüthlicke Gcmack, wo einst Antonie im Eiker hinter Blumen und Blüthen am Fenster saß, und leuchtende, zündende Blicke zwischen den grünen Blättern hindurch aus die Straße und — ick bin ja nun alt und kauii cs wohl eiiigestehen — in mein Her; hineiuwars! Arme Antonie! Armes, nur zu sehr vertrauendes, gutes Gemüth! Wie lange noch, so verschwindet die Stätte deines Glückes und deiner Thränen unter den Hcimmcrschlä- gen der Maurergesellen, und nichts gibt Zeiigniß von den vergangenen Tagen, als eine Erinnerung, eine lezte,
eine einzige', die Erinnerung des alten Thürmers, di« mm wohl auch bald unter einem stillen Grabhügel drüben ans dem Kirchhofe erlöschen wird.
Ich weiß cs nicht, ob es auch anderen Leuten so ergeht, aber mir erweckt es immer ein schmerzliches Gefühl, wenn ich ein altcs HanS, zu besten Erbauung einst so viele Haube thälig wäre», nun von eben so vielen Händen cibbreche» und iiiederieißeii sehe. Die Dachziegel, die Balken, die daö Innere so lange vor Stürmen, Schnee und Regengüssen gcscbiizt, verschwinden, die Fenster werden ansge- brochen, mau schaut hinein ju's Aller- heiligste, in die früher sauberen, »vi'rlb- licheu Zimmer, wo nun die Tapeten in Fezen niederhängeu, wo Kalkschutt und Trümmer wüst umherliegeu, und mächtige Staubwolken das Auge blenden und erstickend den Athem hemmen. Diese Räume, so wild, so wüst, so unheimlich und grauenvoll — wie wohnlich waren sie früher, und wie viel haben sie gesehen, wie viel könnten sie erzählen von stillem Glück, von süßer Wonne, von heimlichem Leid, von junger Liebe und alten Schmerzen, die sie den Augen der Fremden verhüllten.
Dort, neben dem halb zertrümmerten Ofen, stand dereinst der Lehnstuhl des Großvaters, und am Abend, beim traulichen Lampenschimmer, versammelten sich die Enkel um ihn her, nno der Großvater erzählte wunderschöne Geschichten, denen Alle aufmerksam lauschten, bis die Glocke vom 2 hm me. von meinem Thurme, die zehnte Stunde verkündete, nnd die Mutter erinnerte, daß es Zeit zum Schlafen nnd morgen auch iiock ein Abend sei! Das ist nun vorbei — eben prasselt der Ose» nnter den Schlägen der Art in Trümmer zusammen!
(Fortsczung folgt).;
Redakteur: Gustav Rivinius.
Druck und Verlaq der RlM'ni'uS'schcn Buchdruckerei in üalw.
Wegen des Festes wird am Mittwoch kein Blatt aus- gegeben.