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„Wo denkst Du hin, liebe Johanna?" sprach der Vikar — „WaS ick finde, ist ja nicht mein! Jedenfalls ha ben diesen Hasen die Herren verloren, welche ick nach dem Schlosse Mon- month führen mußte. Ihnen ihr Ei- genthum zurückzugeben, ist unsere erste -Pflicht."
„Willst Du deö Häsens wegen den weiten Weg nach dem Schlosse unternehmen?" fragte Johanna. „Einen Thoren würde man dort Dich schelten und Dich verlachen."
„Besser ein Thor heißen, als ein Dieb sein" — versezte der Vikar sanft. Ich werde schon sorgen, daß das Thier seinen rechtmäßigen Eigenthümer wiederfinde."
Zudeß waren alle Kinder um den Hasen herum getreten, ihn mit neugierigen Augen zu betrachten.
„Sieh nur, wie er blutet!" sprach Elisabeth unter heimlichen Grausen.
„Und wie er die Augen verdreht!" fuhr Eduard fort.
„Und wie steifer gefroren ist! hu!" rief Alwin, sich schüttelnd.
„Ja, Kinder! hob jezt der Vikar an — „schauet dieses Thier an, welches vielleicht noch diesen Morgen fröh-
halb zu preisen, daß er euch deö Glückes — ein Mensch zu sein — theil- hastig werden ließ. Tann werdet ihr auch alle seine Wohlthaten, womit er euch täglich überschüttet, um so dankbarer erkennen."
(Fortsezung folgt).
Vermischtes.
Allen Nachrichten zufolge stehen die Fruchtfelder in allen Theilen Deutsch lands, besonders in unserem Wirtem berg wunderschön und lassen nichts zu wünschen übrig; an einen weiteren Aufschlag der Brodfrückte ist also nicht zu denken, im Gegcntheile stockt der grö ßere Handel mit Früchten bereits wie der. Der Eßlinger Stadtrath spielte in dieser Sacke den Klugen. Alö dort die Bäcker einen Brodaufscklag begehr ten, willfahrte man ihnen nickt sogleich, wie in Stuttgart, sondern wollte erst abwarten, ob die Witterung und die Ernteaussichten sich nicht änderten. Daß es zum Bessern sich wendete, ist bekannt und so befinden sich die Eßlinger in dieser Hinsicht besser daran, als die Stuttgarter. — Auch die Kärlich über die Felder dahinsprang und'löffeln stehen sehr schön und selbst der jezt mit durchschossener Brust vor euch Wein, für welche» am meisten zu fürch- liegt. Vielleicht ist es die Mütterchen war, fängt an, sich schnell zu cr- mchrerer Junge», die nun vergebens holen. — An Kernobst sehen wir ei- auf sie warten. Mit welcher Angssncr reichen Ernte entgegen, wenn näm- mag eS sich vor den nackhezendcn Hun-^ lick alles auf den Bäumen bleibt und den geflüchtet haben, bevor die keucken-!sich ausbildet, waS bis jezt angcsezt de Brust von den tödtendcn Schrot-chat. Ucbrigens wäre schon die Hälfte körncrn ereilt wurde." ein schöner Segen. Am besten steht
Den Kindern traten die Thränen in eS mit den Aepfeln. die Augen. Stuttgart, 10. Juni. Vorge-
„Was thatet ihr" — fuhr der Va-sstern kam hier der seltene Fall vor, tcr feierlich fort — „daß euch ein des-daß ein kleines Kind anSgesezt wurde; seres Loos geworden ist als diesem!man fand dasselbe in einem Haus in Thiere? daß ihr als vernünftige Men-^der Sophienslraße. scheu euch des Lebens freuen, in dcrj Stuttgart, 12. Juni. Uebcr- warmen Stube sizen und schmackhafte!morgen wird I. M. die Königin nach Kartoffeln genießen könnet? Habt ihvFriediicköhafen abreisen; S. M. der den gütigen Schöpfer angesichet, daß König, der zuvor erst noch von Baden er euch nickt zu einem Thiere, einerchier erwarten wird, wird am16. nach- Pflanze oder gar zu einem leblosen folgen. II. KK. HH. der Kronprinz Steine erschuf?" !und die Kronprinzessin werden in den
Die Kinder, von der Wahrheit die- nächsten Tagen hier erwartet. Die
ser Rede ergriffen, schwiegen sämmt-^Vermählung der Prinzessin Auguste K. lich still. iH. mit dem Prinzen Hermann von
„Darum" — schloß der Vikar —Sachsen-Weimar, findet bekanntlich in „unterlasset nimmer, den Herrn dcß-Friedrichöhasen am 17. statt, und wird
dazu der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar erwartet. Der Aufenthalt !der höchsten Herrschaften am See wird dem Vernehmen nach bis zum 20. währen und werden unter den Festlichkeiten außer mehreren Bällen auch 3 Luftfahrten auf dem See mit Musik angegeben.
Die Personcnfrcqnenz auf unserer Eisenbahn an den beiden Pfingftfeier- tagen belief fick aus die ungeheure Zahl von 31,000. Die Einnahme blos für PcrsouentranSport betrug etwas über 16,000 fl., also noch 2000fl. mehr als in den bis jezt frequentesten Tagen unserer Bahn, dem vorjährigen Cannstatler Volksfest. — Aber auck der Gütertransport war ein ziemlich starker.
Stuttgart, 11 . Juni. In den beiden lczten Tagen sind ans unserer Eisenbahn mehrere UnglückSsälle vor- gekommcn, jedoch lediglich durch Unvorsichtigkeit der Verunglückten selbst. Gestern Abend wurden einem Viehhändler bei Aulcndorf, der noch einstcigen wollte, als der Zug schon im Gange war, vom Bahnzug beide Füße abgefahren, was seinen Tod herbeiführte. Am Montag Nack't verunglückte der hiesige Literat Scküle beim AuSsteigcii aus dem großen Nachtrag von Hcil- bronn auf dem hiesigen Bahnhof. Derselbe muß während der Fahrt geschlafen haben und hielt die Mauer an der Rampe, wclcke von der Kronenstraße in den Babnhof führt, für das Trottoir in der Aussteighalle, stürzte hinab, brach den linken Oberschenkel, eine Rippe und verlezte sich schwer am linken Auge; er wurde sogleich in das Katharinenbospitül gebracht, wo er schwer darniederliegt.
Hamburg, 9. Juni. Gestern kam eS hier zu einem Krawalle, Der österreichische General Th einer wurde dabei insultirt. Von Seilendes Militärs wurde scharf geschossen, wobei fünf Individuen gctödtct und mehrere verwundet wurden. Die Ruhe ist jedoch wieder her- gestellt.
Redakteur: Gustav RiviniuS.
Druck und Derlaq der NiviniuS'schri, Buchdruckern in Calw.