tafalk, .der mit einem Trauertuch vo» schwerem Goldstoff verhüllt war.
Die beiden Fremden waren von diesem Anblick ergriffen, der Klosterbruder aber schien dieß mit Wohlgefallen zu bemerken, und zeigte im Ausdruck seines Gesichts die Befriedigung eines Dichters, der der Darstellung eines Dramas beiwohnt, das den ersehnten Beifall erntet.
„Zu welcher Festlichkeit sind diese Anstalten getroffen?" fragte Estebans Freund.
„Zur Leichenfeier Karls des Fünften" sagte der Mönch mit feierlichem Tone.
„Was ! der Kaiser Karl ist todt! Eines der größten Lichter unsrer Zeit ist erloschen? Vergebt meinem Zweifel, ehrwürdiger Vater, ich hin erst seit drei Tagen nach Europa zurückgekehrt, und habe dieß entsezliche Ereigniß noch nicht erfahren. Der große Karl todt! So hat nun Spanien den Schöpfer seiner Größe und seines Ruhmes verloren!"
„Beruhigt Euch, junger Mann, noch ist.Karls Seele nicht in ihre wahre Heimath zurückgekehrt, er ist nur für die Welt gestorben. Ueberdrüssig seiner Macht, belehrt über die Bedeutung menschlichen Ruhmes, ist er aus freiem Willen vom Throne herabgestiegen, hat seinen kaiserlichen Szepter niedergelegt, und die Krone auf daö Haupt seines SöhneS gesezt, dem sie leichter werden möge, als seinem Vater."
,-Verzeiht, Vater Arsenio, Ihr spottet meiner. Könnte Kaiser Kail die fen Schritt gethan haben? Er hatte einen zu scharfen und tiefen Blick in das menschliche Herz, um das eigene so zu verkennen. Wie könnte Karl leben, ohne Macht, ohne Thron, ohne das Bewußtsein, durch einen Wink Länder und Völker in Bewegung zu fezen? Das wäre ein Körper ohne Seele, ohne Leben. Was sollte ans diesem starken Geiste, was aus diesem allmächtigen Willen werden-, wenn er zur Uiithätigkeit verdammt wäre? D , nicht wahr» ehrwürdiger Herr, Ihr scherzt mit-mir? Es ist nicht, wie Ihr sagt?" '
„Wrrs ich sagte, ist Alles wahr. .
. . . . Karl hat die lästerliche Gewalt verschmäht, hat Madrid verlassen, hat sich iit ein Kloster zurückgezogen, ist
Mönch geworden, und um völlig mit der Welt zu brechen, wird man hier, im Kloster St. Justi, morgen sein Lei- chenbegängntß feiern. Nichts bleibt dann der Welt von ihm als ein leerer Name, und diesem Kloster sein von herben Schmerzen gequälter Leib, der schon dem Grabe gehört, und eine Seele, die mit Sehnsucht der Stunde entgegen sieht, in der sie ihr Schöpfer zu zrch zurückrufk."
„Ich kann nicht mehr an der Wahrheit Eurer Worte zweifeln, mein Vater .Welch trauriger Beweis
der menschlichen Hinfälligkeit und der Schwäche des menschlichen Geistes. Kaiser Karl seiner Vernunft beraubt, wahnsinnig! Wer hätte diesen Schlag, dieses enisezliche Unglück vorhergese- hen!"
Hier erblaßte der Mönch vor Zorn und faßte mir Gewalt den Arm des jungen Mannes.
„Was sprichst Du, Unsinniger, Karl sei seiner Vernunft beraubt? Wiederhole das nicht; Karl ist bei vollem Verstände," sezte er dann etwas ruhiger hinzu.
„Nein, nein, das ist nickt möglich! hätte die Hand des Herrn seinen Geist nicht verwirrt, wäre er bei Vernunft, wie Ihr sagt, so würde er sich nicht dem shohne Europas ja der ganzen Welt'preisgeben. Könnte er als Vater seines Volkes, als Beglücker seines weitert Reiches nicht eben so wohl für sein ewiges Heil sorge», nicht eben so gut Gott dienen? Aber noch mehr als seine Abdankung spricht für die Verwirrung seines Geistes diese Leichenfeier, diese leere Eeremonie, die nach Eurer Aussage morgen hier statlfinden soll. Ist denn diese nicht der schla. gendste Beweis des Wahnsinns? Mußte d.er edle Kaiser so ende»? Warum blieb er denn nicht bis an's Ende der treu«! Nachfolger Karls, des Großen, dessen Krone noch kein würdigeres Haupt zierte!"
Es war nickst zu verkennen, wie diese Worte bald einen wohlthnenden, bald schmerzlichen Eindruck auf den Mönch machten, wie bald ein heiteres Lächeln die ernsten Züge belebte, und wieder ein Ausdruck tiefer Wehmuth sich aussprach.
„Du verstehst das menschliche Herz
noch nickt genug, um Dir ein Urtheil ul er Karls großen Schritt erlaube» zu können, junger Dichter. Gebe jezl an Deine Arbeit, und sinne über die Denkspruche nach, die Karls Wappenschilde umgeben sollen. Und Du Esteban, findest in diesem Buche Alles, was Du zur Ausführung Deiner Arbeit brauckst. Vergiß keinen von Karls Titeln: Deutscher Kaiser, König von Spanien und von beiden Indien, König der Niederlande, römischer Kaiser und König der Lombardei n. s w. — Heute Abend werde ich Nachsehen, ob Ihr Beide meines Vertrauens werth seid!"
Hier entfernte sich der Mönch, und die beiden jungen Freunde begannen ihre Arbeit, Esteban griff nach Palette und Pinsel, und sein Gefährte sezte sich auf die Stufen des Katafalk, stüz- te den Kopf in die eine Hand und versuchte mit der andern die verlangten Verse in seine Sckreibtafel einzutragen.
2. Der Mönch.
So saß der Jüngling noch nach einer Stunde, als er plöstich durch den Schlag einer kräftigen Hand auf seine Sckulter aus seinem tiefen Sinnen geweckt wurde. Er ersckrack und sah sich um, eS war der Mönch, der nack seiner gewohnten Ungeduld den Abend nickt erwarten konnte, um »ach dem Erfolg der Arbeit seiner beiden Schüz- linge zu sehen.
„Nun, mein junger Meister, sind die Verse fertig?"
„Nein, ehrwürdiger Vater, ick bin ganz unfähig; der Gedanke, daß Karl die Krone niedergelegt, und daß er morgen hier eine Handlung begehen will, die seines großen EharakterS sv »uwürdlg ist, betrübt und beschäftigst mich so sehr, daß mir kein Reinr gelingen will."
(Fvrtseznng folgt).
Redakteur: Gusto» Nivinius.
Druck und Verlag der Rivi'ninS'scheii Buch- druckcre! in Calw.