',8 kr. bis 1 fl 30 kr. wöchentlich, mit Kost u. Wohmina.

Nun werden zwar de» reisenden Ge­sellen s. g. Geschenke theils von den Innungen, kheils von den einzelne» Meistern verabreich, und diese bilden immcrbin eine große Hilse für den Wandernden. Aber sie reichen nicht aus, seine einfachsten Bedürfnisse zu befriedigen. So erkält in Blinden je­der durchreisende Sattler, Schmied, Schlosser, Fleischer, Färber, Kamma­cher, Sezer, Drucker, Zinngießer, Ger­ber ö Sgr., in Landshut erhalten Se­zer und Drucker 24 Kr., Borlenma- cher, Feilenhauer, Büchsenmacher, Bür­stenmacher, Spengler, Schneider, Schu­ster, Sattler, Kammmacher, Gold- u. Silberarbeiter 1218 kr., die übrigen 6-9 kr. In Gießen zahlt der Ar- menverein jedem durchreisenden Hand­werksgesellen 6 kr., in Worms beträgt daö Geschenk bei den meisten Gewer­ben 1 2 kr. von jedem Meister; in Würzburg fällt für Maurer, Zimmer­leute, Tischler, Schneider, Schuster »». m. a. das Geschenk ganz weg; in Os- fenburg gibt jeder Meister dem Wan­dernden 1 kr.; diese Geschenke muß sich der Geselle durch daö s. g. Um­schau», holen. Alö die Zunftläden noch wohlgefüllt, die Innungen reich au Kapitalien und Liegenschaften waren, ward für den Wandernden besser gesorgt. Seitdem aber das Geld aus der alten Lade verschwunden, die schweren Sil- berhnmpen und Kostbarkeiten der Her­berge zusammengeschmolzen, und von all der mittelalterlichen Herrlichkeit nu» noch lue und da einzelne Andenken alö historische Raritäten übrig geblieben sind, ist die Wanderschaft viel ernster und sorgenschwerer geworden. Wie bedeutend der Strom wanderiider Ge­sellen, »nag man daraus abnehmcii, daß z B. durch Frankfurt am Main von einen» der kleineren Handwerke der Buchbinderei, jährlich 7 800 Buch- bindergesellcn ihrenWeg nehmen. Die Zahl der hier durchwandernden Schnei­der beträgt vielleicht 34mal so viel, die aller andern Gewerbe im Vcrhält- nisse.

Wir brauchen nach dem Gesagten hier nicht zu untersuchen, ob die Ge- sezgebung daö Wandern als eine Be­dingung der zu erwerbenben Meister­

schaft vorznschreiben habe. Die bei den neueren Gewerbeordnungen zur Gel­tung gekommene Ans chl: in diese und ähnliche Zustände deö kleinen Gewerbs so wenig wie möglich durch Verwal- tungSmaßregcln cinzugcrcisen, ist ge­wiß die richtige. Die Gesezgebung wird vielmehr dahin zu wiiken haben, daß der durch daö improduktive Wan­dern entstehende bedeutende Verlust an anzuwendcnder Menschcnkrasl, durch Darbietung von Gelegenheiten zu tech­nischer Ausbildung und durch Hinweg­räumung der die Wandeiscbast in die Länge ziehenden Umstände so viel wie möglich unschädlich gemacht werde.

Von der Gesaiinutsumme der Ar­beitskraft deö kleinern deutschen Ge- werbö geht durch daö Wandern we­nigstens der fünfte 2HUl verloren. Außer diesen» ökonomischen Verlust, bringt die Wanderschaft noch manche andere auf die Gesellschaft znrncksal- lende Nachthcilc mit sich. Aus de» Wanderschaft wird der Grund zu man­chen trüben Erscheinungen in den» städtischen Handwerkerleben gelegt, aus ihr geht mancher tüchtige Kenn zu Grunde. Der klaren Einsicht in diese Thatsachen und dem uncrloschenen bes­seren Gefühle, dem lebendigen Dran­ge nach sittlicher und gewerbliche» Kräf­tigung deö Handwerköstandes ist cs zuzuschreiben, daß von Seiten der Nächstbetheiligten selbst eine Maßregel in Vorschlag und theilwcise in Aus sührnng gebracht »vorbei» ist, welche unsere ganze Ausnrerksamkcit verdient. Wir meinen, die Gründung der Wan verfassen.

Wenn der Staat nicht dulden kann, daß die Unisturzpartei sich der Arbei­tervereine alö einet Handhabe zur Durchsührung politischer Zwecke bedie­ne, wenn die Gesellschaft daö Auge nicht schließen darf vor den sozialisti­schen Reformen, welche besonders in den Köpfen vieler Arbeiter spuken, so sollte doch daö Kind nicht mit dein Bade ansgeschüttet, sondern dasjenige geprüft und erhalten werden, waS sich in den vielen deutschen Arbeitervereinen Gesundes auögebildct hat. Neben ver­werflichen destruktiven Tendenzen begeg­nen »vir in ihnen einige!» positiven Mit­teln zur Hebung und Besserung des Arbeiters. ist gewiß nicht die Ab­

sicht derjenigen Regierungen, welche neuerdings gegen das Vereinsrecht strenge Maßregeln ergriffen haben, je­nen Mitteln die Anwendung linmög- lich zu machen. GS wäre daher sehr zu wünschen, daß sich in den Städten überall patriotische Männer fänden, welche daö junge von den wanderndm Handwerkern selbst gegründete Insti- int der Waiiderkassen vor dem Schla­ge zu schüzcn suchten, der die Vereine getroffen hat. ES bestehen gegenwär­tig cnva 30',0 solcher Waiiderkassen in Deutschland. Tie Mitglieder die­ser Kasse zahlen während ihrer Ar­beitszeit einen geringe» Beitrag, wö­chentlich 1 Kreuzer, in die Kasse, und erhalten dafür während ihrer Wander­zeit in den Städten, in welchen die Kaffen bestehen, 1224 Kreuzer, ei­ne Summe, welche, »venu sie in je­der Stadt verabreicht werden winde, hinreichend wäre, um das entehrende Betteln mit einem Male anshören zu machen. Eine allgemeine Einsührung der Wandelkassen würbe, wenn sie in irgend einem Lande kräftig in Angriff genommen wäre, bald erfolgen, da auf die Länge dee Zeit keine Provinz hinter der andern Zurückbleiben könnte, ohne sich bald von Arbeitern entblößt zu sehen. Einmal im Gange, winden sich diese Wandcr- und Hilfökassen vollkommen selbst erhalten, da daö Interesse jeden Arbeiter veranlassen würde, während seiner Arbeitszeit ei­nen kleinen Thcil seines Lohnes zu op­fern, mit rem er während der Wan­dertage sich die gröbste >uid schwerste Sorge fern halten könnte.

Seitdem die Gesellen fast ganz auf- gehört haben, im Hanse der Meister als Mitglied der Familie betrachte zu werden, fühlen sich diese Arbeiter mebr denn je von der Gesellschaft getrennt. Ihnen den beschwerlichen Weg der Waiiderzeit ebnen, heißt eins der Mit­tel anwenden, welche geeignet sind, sie wieder zur Gesellschäft zurücksnhrcii.

Redakteur: Gustav NioinluS.

Drnck und Verlag der RivlnmS'schen Buch­druckern in Calw.