Aus Stadt und Land.

Calw, 15. den Oktober 1914.

Kreuzritter.

Mit dem eisernen Kreuz find ausgezeichnet worden: Friedrich Väumler, Leutnant d. L. im Pionier-Bataillon Nr. 13, früher Regierungsbau­meister in Calw; Alfred Lempp, Forstassessor in Liebenzell, Leutnant d. R.; Steiner, Unteroffizier im Inf.-Rgt. Nr. 126, Sohn des ehemaligen Brief­trägers Steiner in Calw; Richard Weik aus Liebenzell, Unteroffizier beim Stab der 52. Res.- Jnf.-Brigade.

Verluste des OberamtsbezirLs Calw.

(Amtliche württembergische Verlustliste Nr. 37 und 38.) Füsilier-Regiment Nr. 122, Heilbronn-Mergentheim.

Füs. Wilhelm Haar aus Deckenpfronn, leichtverwundet.

Pionierbataillon Nr. 13.

Pion. Ludwig Heinrich Heim aus Gechingen, verwundet

Aus der preußischen Verlustliste Nr. 38 und 39.

Infanterie-Regiment Nr. 81, Frankfurt a. M.

Musk. Gottlieb Schönleber aus Neuweiler, verw., Musk. Georg Schwarz II aus Neubulach, tot.

Infauterie-Regiment Nr. 137, Hageuau.

Res. Emil Wengert aus Calw, verwundet.

Infanterie-Regiment Nr. 118, Worms.

Res. Johann Dennert aus Altburg, vermißt.

" Calw, 14. Okt. Die Obsternte ist in vollem Gang. Sie fällt in unserem Bezirk sehr ver­schieden aus. In der Stadt selbst ist der Ertrag mit­telmäßig; die ungünstige Blütezeit hat den Frucht­ansatz verhindert und die Bäume krank gemacht. Sehr verheerend ist bei vielen Sorten das Fusikla- dium ausgetreten, manche Bäume stehen beinahe kahl da und brauchen alle Säfte, um sich wieder zu er­holen. In den Waldorten ist im allgemeinen eine befriedigende Ernte zu verzeichnen, und auch in den Eäuorten fällt die Ernte besser aus als man erwar­tet hatte. Der ganze Bezirk deckt so ziemlich seinen Bedarf an Obst, so daß hauptsächlich nur in der Stadt und in den Talorten Obst gekauft werden muß. Je nach Lage ist das Obst auch qualitativ verschieden; Bäume, die blattkrank sind, haben nur kleine und schorfige Früchte angesetzt, man trifft aber auch sehr schönes, vollkommen ausgewachsenes Obst. Der Preis für Bahnobst beträgt 5 -K 60 Z pr. Zentner; einhei­misches Obst wird bis zu 6 -K verkauft. Im allge­meinen scheinen die Obstpreise anzuziehen.

Vermischtes.

Die Intelligenz des Soldaten und der Sieg.

Wenn wir die großen Truppenanhänfungen un­serer Feinde betrachten, namentlich die aus dem Osten kommenden Horden und demgegenüber doch hie und da unsere Zahl als zu gering ansehen möchten, so be­ruhigen wir uns mit Recht damit, daß dieser Krieg durch die höhere Intelligenz, durch die Kraft des Geistes entschieden werden muß. Daß die Kraft des Geistes bei den höheren Führerstellen von ausschlag­gebender Bedeutung ist, ist ja bekannt. Aber verschie­dentlich ist in militärischen Schriften der Neuzeit be­tont worden, daß das moderne Gefecht und die Hand­habung der Technik im Kampfe besonders hohe Anfor­derungen an die Intelligenz auch des einzelnen Sol­daten stellt. Man hat daher nicht mit Unrecht gesagt, daß dieser Krieg durch den Geist entschieden werden wird und daß der Sieg auf der Seite dessen sein muß, der die größere geistige Kraft besitzt. Dabei hat man sowohl an moralische Kraft gedacht, wie an Intelli­genz. Nun ist die moralische Kraft etwas, was sich nicht messen und nicht beweisen läßt und was auch je nach den Umständen vielfach wechselt. Die mora­lische Kraft der Franzosen, die offenbar alles jetzt auf eine Karte setzen, ist selbstverständlich so groß, daß sie vieles, was ihr sonst lähmend im Wege stand, übertönen kann. Da die moralische Kraft trotz der Kriminalstatistik und der Moralstatistik nicht meß­bar ist und eben ganz bedeutend von den augenblick­lichen Verhältnissen abhängig ist, so wollen wir einen Blick aus die Intelligenz unserer Soldaten gegenüber denen unserer Feinde werfen. Dies ist insofern eine meßbare Größe, als wir ja Angaben über das Anal­phabetentum in verschiedenen Ländern haben. Es gibt nun in der Tat einen ganz guten Maßstab für Intelligenz und Bildung ab, ein wie großer Prozent­satz des Volkes lesen und schreiben kann. Der lese- und schreibkundige Soldat wird ganz naturgemäß den großen Anforderungen, die die moderne Kriegs­technik stellt, eher gewachsen sein, als der gänzlich ungebildete, der den Kampf nur als ein Dreinhauen ansieht. Nun liegen die Verhältnisse in Europa so, daß nur Deutschland und Skandinavien weniger als 1 A> Analphabeten unter den Männern im Alter von 2030 Jahren aufweifen. England und der östliche Teil von Frankreich, sowie vom russischen Reiche nur Finnland, haben 15 A Analphabeten. Dann steigt der Prozentsatz ganz erheblich. In Belgien, in Ir­land, im westlichen Frankreich und in einem Teil der

Ostseeprovinzen gibt es 520 und dann kommt in gewaltigem Sprunge das ganze russische Reich, Ser­bien und Montenegro mit einem Prozentsatz von über 6 0 A solcher Männer, die weder lesen noch schreiben können. Auch Portugal, das ja vielleicht noch in die Reihen unserer Feinde eintritt, zeigt den gleichen hohen Prozentsatz. Noch deutlicher wird der Unterschied der Bildung, wenn wir die Rekrutie­rungsstatistik befragen, die uns ja für unsere gegen­wärtige Frage besonders interessant ist. Dabei muß freilich betont werden, daß die Ergebnisse in den ver­schiedenen Ländern nicht ganz vergleichbar sind, da die Anforderungen für den Vildungsnachweis ver­schieden sind. In einigen Ländern beschränkt man sich bei dem Aushebungsgeschäft auf das Erfordernis, daß der Rekrut einigermaßen lesen und seinen Na­men schreiben kann, in anderen Ländern werden hö­here Anforderungen gestellt. Immerhin gestatten die vorhandenen einwandfreien Zahlen einen Vergleich und sind interessant genug. Danach waren von je 10 000 Ausgehobenen Analphabeten in Deutschland nur 4, in England 100, in Frankreich 400, in Finn­land 490. Erheblich größer ist die Zahl der Analpha­beten in Belgien, wo 833 Rekruten nicht lesen und schreiben konnten, und schließlich lauten diese Zahlen für Rußland 6110 und für Serbien 5592. Die Ein­drücke, die wir bis jetzt schon aus dem Werdegang des Krieges gewinnen konnten, legen uns in der Tat die Vermutung nahe, daß der gebildete Soldat auch der bessere Soldat ist. Der anerkennenswerte Wider­stand der Franzosen stimmt ebensogut zu der immer noch nicht ganz so hohen Analphabetenziffer wie die erheblichen russischen und serbischen Niederlagen im Einklang mit der erschreckenden Ausdehnung ihrer Unbildung zu stehen scheinen. Wenn es also wahr ist, daß dieser Krieg mit dem Geist gewonnen werden muß, so dürfen wir wohl trotz der erschwerenden, zahlenmäßigen Ue der macht der Feinde weiter von dem Sieg der deutschen Waffen überzeugt bleiben. Und es ist dies ja fürwahr kein zufälliger Zusammen­hang. Artillerie und Fliegkunst, Pionierdienst und Erkundigungsdienst erfordern ungeheure geistige Kräfte; ebenso auch das Eingelvorgehen in Schützen­ketten, die an Stelle des früheren Massenangriffs getreten sind. Gerade in schwierigen Lagen muß der . stärkere Verstand des Einzelnen den Ausschlag geben.

Der Krieg in der Gegenwart.

Zeitgemäß ist jetzt ein Aufsatz wieder geworden, der vor 5 Jahren großes Aufsehen erregte, das noch dadurch erhöht wurde, daß unser Kaiser in seiner Neujahrsansprache an die kommandierenden Gene­rale, am 1. Januar 1909, sich durchaus zustimmend auf ihn berief. Der Aufsatz mit der UeberschriftDer Krieg in der Gegenwart" hatte den früheren Chef des Großen Eeneralstabs, den inzwischen gestorbenen Grafen Schlieffen, zum Verfasser. Zum Ver­ständnis der großen Ereignisse, die sich jetzt auf den Kriegsschauplätzen abgespielt haben und noch zu er­warten sind, verdienen einige militärische Ausfüh­rungen des gerade heute wieder bedeutsamen Ar­tikels in Kürze wiederholt zu werden.

Eine völlige Veränderung der Taktik, so wurde dort ausgefllhrt, hat sich infolge der Fortschritte der Waffentechnik als notwendig herausgestellt. Die verbesserte Schußwaffe gebietet die größere Ausdeh­nung der Gefechtsfront. Es ist nicht möglich, wie im achtzehnten Jahrhundert in zwei Linien gegenein­ander auszumarschieren und bei nicht allzugroßer Entfernung Salven auf den Feind abzugeben. In­nerhalb weniger Minuten würden beide Armeen durch Schnellfeuer vom Erdboden vertilgt sein. Es ist ausgeschlossen, napoleonische Kolonnen so tief wie breit gegen die feindlichen Stellungen anstllrmen zu lassen. Ein Schrapnellhagel würde sie zerschmettern. Nur unter Benutzung von Deckungen, von Bäumen und Häusern, von Mauern und Gräben, von Erhöh­ungen und Vertiefungen vermag der Infanterist an den Feind heranznkomnren. Bald liegend, bald ste­hend muß er suchen, ohne selbst gesehen zu werden, die kleinen und geringen Ziele, die sich ihm etwa dar­bieten, zu treffen, durch sein Feuer dasjenige des Feindes zu dämpfen, dann schnell nach vorwärts eine neue Deckung zu gewinnen und von dort den Kampf wieder anfzunehmen. Wie mannigfaltige Deckungen aber das Schlachtfeld auch bieten mag, früher oder später wird sich doch ein freier, keinerlei Schutz ge­währender Raum vor dem Feinde ausbreiten. Ist dieser Raum nur schmal, so wird sich der Angreifer in raschem Anlauf auf den durch andauerndes Feuer ein­geschüchterten Verteidiger stürzen. Ist der Raum breit, so wird sich nur erübrigen, sich mit dem Spaten Deckungen zu verschaffen und ebenso wie im Fest­ungskriege von Graben zu Graben und, wenn erfor­derlich, unter Benutzung der Nacht vorzudringen.

, Um genügende Deckung zu finden, einen sichern Schuß auf ein wenig sichtbares Ziel abzugeben, im raschen Lauf vorwärts zu kommen, muß der Infan­terist Ellenbogenfreiheit haben. Nicht in geschlos­sener, sondern nur in lockerer Linie, etwa ein Mann auf den Meter, nicht in mehreren dicht aufgeschlos­

senen Gliedern, sondern nur in einem Miede ver­mag die Infanterie wirksam zu kämpfen. Weitere Glieder folgen in nicht zu geringen Abständen. Sie ziehen sich in dichtere Formationen zusammen, wenn es die sich darbietenden Deckungen erlauben. Sie sollen die Verluste ersetzen, die Lücken ausfüllen, für unerwartete Vorkommnisse bereit sein, als Reserve dienen. Will man nicht die Zahl der Kämpfer gegen früher verringern, so führt die losere Aufstellung zur Verbreiterung der Front. Ihre Ausdehnung wird sich noch mehr erhöhen, wenn man bestrebt ist, möglichst viele der wirkungsvollen Gewehre in Tätigkeit zu bringen. Das wird unbeschadet der Angriffs- und Widerstandsfähigkeit der Truppe möglich sein, da ja wenige Schützen jetzt mehr zu leisten vermögen als früher viele. Erst zum schließlichen Angriff mit dem Bajonett müssen die stetig folgenden Reserven in die vordere lose Linie einrücken. Die Schlachtfelder wer­den daher eine ganz andre Ausdehnung annehmen, als wir aus der Vergangenheit kennen. Armeen in der Stärke derjenigen von Königgrätz und Grave- lotte-St. Privat werden mehr als den vierfachen Raum von damals umspannen. Was wollen aber 220 000 Mann von Königgrätz und die 186 000 Mann von Gravelotte gegen die Massen bedeuten, die in einem zukünftigen Kriege aufzutreten bestimmt sind!

So groß aber auch die Schlachtfelder sein mö­gen, so wenig werden sie dem Auge bieten. Nichts ist auf der weiten Oede zu sehen. Wenn der Donner der Geschütze nicht das Ohr betäubte, so würde nur schwaches Feuerblitzen die Anwesenheit von Artil­lerie veraten. Man wüßte nicht, woher das rollende Jnfanteriefeuer käme, wenn nicht ab und zu bald hier, bald dort eine dünne Linie für einen Augenblick einen Sprung nach vorwärts machte, um ebenso rasch wieder zu verschwinden. Kein Reiter ist zu erblicken. Die Kavallerie muß ihre Aufgaben außerhalb des Schauplatzes der Tätigkeit der beiden anderen Waf­fen suchen. Kein Napoleon, umgeben von einem glänzenden Gefolge, hält auf einer Anhöhe. Auch mit dem besten Fernglase würde er nicht viel zu sehen bekommen. Sein Schimmel würde das leicht zu tref­fende Ziel unzähliger Batterien sein. Der Feldherr befindet sich weiter zurück in einem Hause mit ge­räumigen Schreibstuben, wo Draht- und Funkentele­graph, Fernsprech- und Signalapparate zur Hand sind, Scharen von Kraftwagen und Motorrädern, für die weitesten Fahrten gerüstet, der Befehle har­ren. Dort, auf einem bequemen Stuhle vor einem breiten Tisch hat der moderne Alexander auf einer Karte das gesamte Schlachtfeld vor sich, von dort telephoniert er zündende Worte, und dort empfängt er Meldungen der Armee- und Korpsführer, der Fes­selballons und der lenkbaren Luftschiffe, welche die ganze Linie entlang die Bewegungen des Feindes beobachten, dessen Stellungen überwachen.

Die langdauernden Schlachten der Gegenwart werden keineswegs blutiger sein als die früheren. Die täglichen Schlachtverluste im Ostasia- tischen Kriege betrugen nur 2 bis 3 v. H. gegen 40 bis 50 v. H. in Napoleonischen und Friederiziani- schen Zeiten. Die vierzehn Tage von Mukden koste­ten den Russen wie Japanern weniger als die kur­zen Stunden von Mars-la-Tour den Deutschen und Franzosen.

Der Aussatz des Grafen Schlieffen schließt seinen zweiten, politischen Teil nach de mHinweis auf die Stärke Deutschlands und Oesterreichs mit dem Satze: nötig istein einig Volk von Brüdern sowie eine große, starke, mächtige Armee, die von einer festen Hand geführt wird und von unbedingtem Vertrauen erfüllt ist." Beide Bedingungen sind gegeben. Wir sind einig und haben das Vollbewußtsein unsrer Macht und Stärke, das unbedingte Vertrauen zu unfern Streitkräften zu Lande und zu Wasser und zu unfern Führern. Daß dieses Vertrauen vollauf berechtigt ist, hat der bisherige Verlauf des Krieges in jeder Beziehung bewiesen.

Kriegs- und Tagesbilder.

Die Marschleistungen der deutschen Truppen.

In einem derFranks. Zeitg." zur Verfügung gestellten Feldpostbrief heißt es:Der deutschen Hee­resverwaltung ist die höchste Anerkennung dafür ge­zollt worden, da sie es rechtzeitig fertig gebracht hat, unseren exponierten rechten Flügel durch eine große Heeresmasse, die in Tag- und Nachtmärschen gegen den Nordwesten Frankreichs dirigiert wurde, vor einer Umfassung zu bewahren. Man hat sogar in den letzten Tagen den Spieß umgekehrt und ist zum An­griff an derselben Stelle übergegangen. Welche Schwierigkeiten aber zu überwinden waren, bis man vor der endgültigen Sicherung unseres rechten Flügels mit den Truppen an dem Somme-Abschnitt in der Gegend südlich Cambrai angelangt war, da­von kann sich nur der einen richtigen Begriff machen, der die letzten Septembertage mitgemacht hat oder, besser gesagt, mitmarschiert ist.

Die Bahn brachte uns, da die Eisenbahnbrücke bei Na-mur zerstört war, bis hart südlich Namur.