Nr. M Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw. 89. Jahrgang.

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Samstag, den 2«. Jank MH

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Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

Die Maul- und Klauenseuche ist in Breiten er­loschen.

Calw, den 19. Juni 1914.

K. Oberamt: Amtmann Rippmann.

Albanien in deutscher Beleuchtung.

lieber Albanien und seine ganze Bedeutung gibt eine sehr lesenswerte Abhandlung der Orientalist Dr. Jäckh. Er schreibt:

Der neue blutige Aufruhr in Albanien erklärt sich daraus, daß es einAlbanien" als Landeseinheit oder Volksganzes eigentlich noch gar nicht gibt. Diese Tat­sache mutz immer wieder unterstrichen werden. Das Wort und der BegriffAlbanien" ist dem Volk in seinen Alpen und auf seinen Almen fremd geblieben: so wenig es sich selbstAlbanier" nennt, so wenig wird es durch die Selbsternennung des Fürsten Wilhelm zumKönig von Albanien" aus einer tausendjährigen Denkweise durch einen fremdwilligen Ruck umgezwungen. Einen Mbret der Skipetaren" oderImperator der Adler­söhne" können sich die Stämme noch nicht vorstellen, denn sie sind eigene Kantone geblieben, mit eigenen Namen, mit besonderen Bedürfnissen und mit eigenwil­ligen Zielen, wie einst das alte Griechenland. Homeri­sche Gebräuche sind in Albanien heute noch lebendig, in diesem Albanien, das einen Achilleus geboren haben will und in dem auch der Polyphem in seiner Höhle sich erhalten hat. Albanien ist das homerische Grie­chenland: aber nochmals geteilt und getrennt durch die zwei Sprachen der Tosken und Gogen, die sich gegen­seitig kaum verstehen, und abermals gedritteilt durch die dreierlei Glaubensbekenntnisse der mohammedanischen, der römischen und der griechischen Kirche, zu denen der neue König seinen vierten (evangelischen) Glauben ge­fügt hat. Albanien ist keine völkische und keine landschaftliche Einheit; Albanien ist ein geographisch-politischer Begriff. Es wird gewertet und begehrt, umworben und umstritten als dasjenige Gebiet, das an der adriatischen Küste sich aufbaut am einzigen Ausgang Oesterreichs zum freien Meer, und gegenüber der benachbarten Küste Ita­liens; aber auch gerade deshalb als lange und listig «rlauerte Vorpostenstellung des russischen All- slavismus, der sich Serbiens und Montenegros, gelegentlich auch Griechenlands als Werkzeug bedienen will.

Vom Standpunkt der Valkanvölker aus betrachtet, wäre die glatteste Lösung ein grausamer Querschnitt, der die albanischen Teile den im Balkankrieg bereits abgetrennten Gliedern in Neu-Serbien, Neu-Monte- negro, und Neu-Eriechenland anfügen und sie den Maul­würfen ringsum ausliefern würde. Eine solcheLösung" könnte vielleicht die Zaunkönige ringsum sättigen, aber das politische Interesse der beiden Dreibundsgenossen im Mittelmeer ist dagegen. Eine solche Auf­teilung Albaniens würde eine politi- sche Festsetzung Rußlands im Mittel­meer mit sich bringen: durch seine Vorposten Serbien und Montenegro, deren Rüstung durch russische Berechnung geschieht. Die Selbstverständlichkeit eines solchen Zusammenhangs hat Oesterreich schon vor drei Jahrzehnten veranlaßt, Montenegro zu verbieten, sein Antivari zum Kriegshafen auszugestalten, und ebenso das russische Geschenk eines Kriegsschiffes anzunehmen. Die gleiche Erwägung hat Italien im Balkankrieg ver­anlaßt, Montenegro zu nötigen, aus dem bereits besetz­ten Skutari sich zurückzuziehen: der italienische König hat selbst gegenüber dem montenegrinischen Schwieger­vater das Druckmittel italienischer Kriegsschiffe nicht gescheut. Die gleiche Ueberlegung hat Oesterreich und Italien gemeinsam veranlaßt, den Abzug der serbischen Truppen aus Durazzo und ihren Rückmarsch von der adriatischen Küste zu erzwingen. Ein albanisches Hel­goland kann und will weder Oesterreich noch Italien

sich vorsetzen lassen: d. h. eine fremde, feindliche Fest­setzung unmittelbar vor der Pforte zur Meerfreiheit.

Und Deutschland? Deutschland hat das selbst­verständliche Interesse, die Mittelmeerstellung seiner Verbündeten zu halten und zu stärken. Deutschland steht hinter Oesterreich und Italien in der Sicherung der adriatischen Küsten seiner Bundesgenossen. Die Drei­bundeinheit braucht und fordert ein vom russischen Pan- slavismus und dem französischen Uebelwollen freies Albanien. Dieser Dreibundswille ist auf der Lon­doner Konferenz durchgesetzt worden, so daß das Für­stentum Albanien formell eine Schöpfung der schwer zu einigenden, aber doch geeinigten Großmächte geworden ist. Auf dieser Linie wird die weitere Politik sich hal­ten müssen und können. Die Parole für den albanischen Fürsten mutz darum lauten: Durchhalten!

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Talw, den 20. Juni 1914.

Sonntagsgedanken.

Auf einem hohen nackten Gipfel sitzend und eine weite Gegend überschauend, kann ich mir sagen: hier ruhst du un­mittelbar auf einem Grunde, der bis zu den tiefsten Orten der Erde hinreicht, diese Gipfel sind vor allem Leben und über alles Leben. Hier auf dem ältesten ewigen Altäre bring ich dem Wesen aller Wesen ein Opfer. Ich fühle die ersten, festesten Anfänge unseres Daseins. Meine Seele wird über sich selbst und über alles erhaben und sehnt sich nach dem näheren Himmel. Goethe.

Wer den Weg nach oben geht, der ist wirklich jung, der­weil er noch jung ist; und er wird wieder jung wie ein Adler, ist er gleich alt.

Schlage die Richtung nach oben ein! Alles in deinem Leben spricht zu dir:Nach oben!" Das Leid spricht:Nach oben!" und die Freude flüstert:Nach oben!" Nach oben! das ist aller menschlichen Schicksale gemeinsame Losung, das ist die Gottesstimme, die durch alles, was uns begegnet, hin­durchtönt. Skovgaard-Petersen.

Ueber dir an jedem Orte Fängt das Unbegrenzte an,

Und zur Ewigkeit die Pforte Ist dir üb'rall aufgetan.

Martin Greif.

Der Bezirks-Handels- und Eewerbeverein Calw hielt am letzten Donnerstag abend bei mäßigem Besuch seine jährliche Hauptversammlung imBadischen Hof" hier ab.

Aus dem von dem Vorstand, Hrn. Uhrmachermeister Zahn, erstatteten Tätigkeitsbericht war zu entnehmen, daß der Verein im abgelaufenen Jahre eine rege Tätig­keit entfaltet hat. Hervorzuheben ist die Veranstaltung von Vorträgen, die Abhaltung eines Buchführungs­kurses, die Mitwirkung bei der im letzten Sommer von der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel in der hiesigen Turnhalle abgehaltenen Wanderbauausstellung, die Veranlassung der Aufstellung gedruckter Preis­listen für das Baugewerbe durch das Stadtbauamt im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Gewerbe­treibenden, die Absendung einer Eingabe an das K. Ju­stizministerium wegen der Platzfrage für ein neues Amtsgerichtsgebäude. Bezirksversammlungen fanden in Liebenzell und llnterreichenbach statt, die Beteiligung an denselben war eine schwache. Der Geschäfts­gang im abgelaufenen Jahre könne, so führte der Vorsitzende aus, wenn man die Ansprüche bescheiden stelle, noch als ein befriedigender bezeichnet werden. Ein Zurllckhalten in geschäftlichen Unternehmungen sei auch im hiesigen Bezirk zu spüren gewesen.

Zu bedauern sei, daß sehr vielauswärts gekauft werde, wenn dies nicht der Fall wäre, könnte die Leistungsfähigkeit der am Platze befindlichen Geschäfte noch mehr entwickelt und gesteigert werden. Auch im Ausverkaufswesen seien Mißstande vorgekom­men, deren Beseitigung man im Interesse eines geord­neten Geschäftsganges wünschen müsse. Eine neue un­liebsame Erscheinung in der letzten Zeit sei die Herein­

ziehung von Handwerkern vomLande zu Neubauten in der hiesigen Stadt, wodurch die ansäßigen Bauge­werbetreibenden Schaden erleiden. Der Tätigkeitsbe­richt erwähnte ferner noch die Einführung des Pflicht­bezugs der Handwerkerverbandszeitung, die Errichtung einer Handwerkerkrankenkasse und die Vorbereitungen für ein Handwerkererholungsheim.

In Ergänzung des mit Beifall aufgenommenen Be­richts des Vorsitzenden berichtete Herr Eewerbeschul- vorstand Aldinger über den Verlauf der letztmaligen Gesellenprüfung und erwähnte dabei, daß ein Vorwärts­gehen in der gewerblichen Ausbildung erfreulicher Weise zu bemerken sei. Herr Buchdruckereibesitzer Essig be­mängelte, daß für einige Berufe die Gesellenprüfung nicht hier, sondern in Nagold abgehalten werde. Der von Herrn Vereinskassier Serva vorgetragene Kassen­bericht wies einen günstigen Stand des Vereinsvermö- gens und eine sparsame Verwendung der Vereinsmittel auf. Gewünscht wird von dem Kassier die pünkt­lichere Einzahlung der Beiträge aus verschiedenen Be­zirksorten. Einen Hauptpunkt der Tagesordnung bil­dete der Vortrag des Herrn Handelsschuldirektors Fi­scher überDie Rechtsverhältnisse beim Kauf". In mehr als einstündiger fließender Rede behandelte Herr Fischer die für seinen Vortrag einschlägigen Destimmun- den des B.G.B. und des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb und erläuterte solche in klarer, leichtver­ständlicher Weise mit vielen praktischen Beispielen aus dem Geschäftsleben. Lebhafter Beifall und verschiedene Anfragen aus der Mitte der Versammlung bewiesen die gute und dankbare Aufnahme der Ausführungen des ge­wandten Redners. Satzungsgemäß war noch der Vor­stand und die Hälfte des Ausschusses zu wählen. Der seitherige Vorstand wurde unter Anerkennung seiner verdienstvollen Leitung des Eewerbevereins durch Zu­ruf wiedergewählt; in den Ausschuß wurde Herr Han­delsschuldirektor Fischer neugewählt, im übrigen ergab die Wahl keine Asnderung in der bisherigen Zusammen­setzung des Ausschusses.

Nachdem dem Vorstand von der Versammlung noch der Dank für seine ersprießliche Tätigkeit zum Ausdruck gebracht worden war, schloß dieser, mit dem Dank an den Ausschuß, die gut verlaufene Versammlung. ckr.

Vom Kur- und Fremdenblatt wird heute die 5. Nummer ausgegeben. Inhalt: Die Kurlisten der Bäder Liebenzell und Teinach sowie der Kurorte Hirsau, Talw, Neubulach.Mondaufgang", Gedicht von H. Hesse, Notizen aus den genannten Kur- und Badeplätzen,Vernunft" (Skizze von I. Bock), Nas­hornjagd und verschiedenes Andere.

6- Sonderzug. Anläßlich der morgen stattfin­denden Einweihung des König Wilhelmsturms auf dem Rinkberg fährt abends ein Sonderzug von Baiersbronn bis Pforzheim und zwar Baiersbronn ab 8 Uhr 33 Min., Freudenstadt ab 9 Uhr 28 Min., Hochdorf ab 10 Uhr 22 Min., Nagold ab 10 Uhr 34 Min., Wildberg ab 10 Uhr 44 Min., C a l w ab 10 Uhr 55 Min., Bad Liebenzell ab 11 Uhr 5 Min., Unterreichenbach ab 11 Uhr 14 Min., Pforzheim an 11 Uhr 28 Min.

Militärisches. Der Kommandeur der 51. Jnf.-Brig., Generalmajor v. Stein, der mit der Oberersatzkom­mission zur Zeit hier weilt, hat gestern das Bezirks­kommando einer unvermuteten Besichtigung unter­zogen.

Bad Liebenzell, 20. Juni. In der Nähe des Gast­hauses zum Hirsch wollten Leute heute gegen 11 Uhr einen mit Erdaushub beladenen Wagen vorführen, um einem zweiten, leeren Wagen Platz zu machen. Der volle, etwa 4050 Ztr. schwere Wagen kam aber in Schuß und konnte, da während der Fahrt die Bremse brach, nicht mehr aufgehalten werden. Er sauste mit voller Wucht gegen das Rathaus. Der an der Bremse beschäftigte Taglöhner Robert Jung von hier rutschte aus und kam so unglücklich unter den schweren Wägen zu liegen, daß dieser ihm den linken