Meine politische Nachrichten.

Vertrauensvotum in Brüssel. Der Rücktritt des belgischen Krigsministers, der auf Grund der verkürzten Dienstzeit er­folgte, hat doch noch zu einer zweitägigen Debatte in der Kam­mer geführt. Ministerpräsident Poullet erhielt ein Vertrauens­votum, das mit 105 gegen 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen be­schlossen wurde.

Vanderoelde über das amerikanische Schuldenaükomme». Van- dervelde verteidigte in der Kammer das Schuldenabkommen mit den Vereinigten Staaten. Er wies darauf hin, daß im Falle eines plötzlichen Versagens des Dawesplanes Belgien, ebenso wie die anderen Mächte, eine Revision des Schuldenabkommens mit Amerika beantragen würde.

Eine Verkehrskonferenz in Warschau. Am 22. Februar be­ginnt hier eine internationale Verkehrskonferenz, an der Ruß­land, Italien, Polen, Deutschland und die Tschechoslowakei teil­nehmen. , Die Konferenz wird sich mit der Frage der Wiederauf­nahme eines direkten Personen- und Güterverkehrs von Ruß­land einerseits über Polen nach Deutschland, andererseits über Polen und die Tschechoslowakei nach Oesterreich und Italien befallen.

klm Polens Setz im Völkerbundsrat. Die baltische Presse läßt sich aus Warschau von ihrem dortigen Vertreter berichten, daß Polen auf Grund eines Vertrages zwischen Spanien und der Mehrheit der Ratsmitglieder einen nichtständigen Sitz im Völkerbundsrat erhalten und damit an die Lisherige'Stelle Spa­niens im Rate treten werde. Spanien werde tmfür nunmehr einen ständigen Ratssitz erhalten. Diese Art der Lösung der Frage sei auf Anregung polnischer diplomatischer Kreise zurück­zuführen.

Mussolini über das Schuldenabkommen mit England. Mus­solini führte zum Schluß seines Referates, mit dem der Kammer am Donnerstag der Gesetzentwurf über die Ratifikation des Schuldenabkommens von London übergeben wurde, aus, daß dieses Abkommen die Grenzen einer finanziellen Regelung über­schreite und die Bedeutung eines politischen Paktes erreiche, der dazu diene, das Prestige dös Landes und die traditionellen guten Beziehungen zwischen England und Italien zu fördern.

Dt« Kämpfe in China. Nach einer Meldung aus Kankau sind die Streitkräfte Wupeifus, die vor einiger Zeit die Provinz Honan besetzten, auf unerwarteten Widerstand gestoßen. Die Truppen sind durch den Kleinkrieg derart erschöpft, daß es Wu- peifu noch nicht gelungen ist. sein altes Hauptquartier Honanfu zurückzuerobern. _

Der Reichsbahnkonflikt.

TB Berlin, 8. Febr. Ein Pressevertreter hatte eine Unter­redung mit dem Generaldirektor der deutschen ReichsbahngLsell- schaft Dr. Oeser. Ueber die im Haushaltsausschuß des Reichs­tages erhobenen Vorwürfe gegen die Reichsbahn, sein Nichter­scheinen im Reichstage oder Reichstagsausschutz, rechtfertigte Oeser damit, daß das Reichsbahngesetz ihm diese Haltung auf­erlege. Am meisten fühlte sich Dr. Oeser getroffen durch den von Zentrumsseite im Haushaltsausschuß erhobenen Vorwurf, daß die Bestimmungen des Reichsbahngesetzes nicht von den Aus­ländern sondern von den deutschen Vertretern in das Gesetz hin- eingearbcitet worden seien. Nach Dr. Oosers Auffassung ist es nur den deutschen Unterhändlern zu verdanken, daß die Reichs­bahn dem deutschen Reich als Eigentum sicheraestellt sei. Das Reichsbahngesetz sei von einer Zweidrittelmehrheit des deutschen Reichstages angenommen worden. Die deutsche Reichsbahn sei damit verpflichtet, das Gesetz zu befolgen. Von irgend einer Auslegung des Gesetzes zu Ungunsten des Reiches durch die Reicksbahn könne nirgends die Rode sein. Die Tarif- und Per­sonalpolitik sei maßgebend bestimmt durch die finanziellen La­sten. Dr. Oeser verteidigte dann die auch vom Reichsoerkehrs­minister in ihrer Wirkung sehr angezweifelten Leistungszulagen. Sie seien für die Reichsbahn außerordentlich wertvoll. Die Ge­rückte über die Höhe der Gehälter der leitenden Beamten seien maßlos übertrieben. Die Vorwürfe über Verschwendungssucht der Verwaltung hätten sich bei näherer Nachprüfung als durch­weg nicht stichhaltig erwiesen.

Dr. Seipel über den deutschen Staat.

Berlin, 8. Febr. Im Volksdeutschen Klub hielt der in Ber­lin weilende ehem. österreichische Bundeskanzler Dr. Seipel einen Vortrag über das Problem des deutschen Staates, ln dem er etwa folgendes ausführte:

»Mt Stelle des Pazifismus der Vorkriegszeit ist jetzt die Sehnsucht und das Streben der Verständigung der Völker ge­treten. Während der Pazifismus der Vorkriegszeit wesentlich mit der moralischen Verurteilung des Krieges und der Erfin­dung rechtlicher Formeln zur Beseitigung der Kriegsgefahren und Kriegsmöglichkeiten arbeitete, äußert sich der Friedenswille der Nachkriegszeit darin, daß man die Völker zunächst sich ver- stehen lehren will, wovon dann alles übrige zu erwarten ist. Wir wissen noch nicht zur Genüge, wie vielseitig der Begriff des Staates ist. Es ist gar kein Zweifel, daß die Völker in der Ver­gangenheit eine ganz andere Einstellung zum Staate hatten." Dr. Seipel warf dann einen Rückblick auf die Entwicklung in England und Frankreich und fuhr fort:Ganz anders war es bei uns und bis vor zwei oder drei Menschenaltern in Italien. Das beharrliche Streben nach Zusammenschluß des von der Na­tion bewohnten Gebietes in einem Staate fehlte aus keinem anderen Grunde, als weil den Deutschen und Italienern der Staatsbegriff abging.

Das Heilige römische Reich deutscher Nation brach zusam­men, als die großen Völker des Westens es nicht nur zu Ende gedacht, sondern auch vollständig verwirklicht hatten. Italien, das am längsten mit Deutschland parallel gegangen war, löste sich rascher aus dem Bann der alten Idee. Italien brauchte wenig mehr als ein halbes Jahrhundert, um sich den Staats- begriff und das Staatsideal der Westvöiker zu eigen zu machen und dann mit ungeheurer Energie in die Wirklichkeit umzu­setzen. Ob eS dabei bleibt, weiß ich nicht. Das faschistische Ita­lien ringt mit neuen großen Gedanken. Seine Idee des Impe­rialismus ist grundverschieden von der mittelalterlichen und von der deutschen. Sie wurzelt im Rom der Antike, und zwar der späten Antike.

Die Deutschen aber, sie sind meines Erachtens noch nicht so wett. Ein Teil von ihnen hat zwar seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts den westlichen Staatsbegriff ausgenom­men und unter großen Opfern ein national-einheitliches Staats­gebiet zu schaffen gesucht, aber es hat den Reichsgedanken nicht fallen lassen, der sowohl in der inneren Verfassung des Rei­ches, als in manchen Ansprüchen nach Außen zur Geltung kam. Der Ausbruch des Weltkrieges unterbrach die Entwicklung, die zur Vereinheitlichung oder aber zur Scheidung der Begriffe und zur Schaffung restlos den Begriffen entsprechender Wirklichkei­ten hätte führen können.

Jetzt nach dem Kriege sucht der größere und vernünftigere Teil des deutschen Volkes, Volk unter den Völkern zu werden. Er sucht dem deutschen Volke die ihm vorenthaltene Gleich­berechtigung mit den anderen Nationen zu erringen, zugleich aber für dessen eigene Zukunft klare Ziele zu gewinnen und damit auch alles abzustreifen, was das Mißtrauen der übrigen Welt lebendig erhalten könnte. Heißt dies einfach die Begriffe und Ideen der anderen Völker unverändert aufnehmen? Ich weiß es nicht. Wohl aber bin ich überzeugt, daß wir noch einige Zeit brauchen werden, um unseren Weg in die Zukunft end­gültig zu finden. Nicht nur, weil wir von außen behindert wer­den, ihn zu gehen, sondern weil wir mit der Geistesarbeit, die dazu notwendig ist, noch nicht fertig sind. In dieser Zeit, in der wir stehen, hat für das Leben der deutschen Nation nicht nur der deutsche Staat im Reich, sondern auch der demscke Staat in Oesterreich eine besondere Aufgabe"

Kritik über die französische Rheinlandspolitik.

TU Berlin, 8. FÄr. Die Morgenblätter melden aus Parisp In der Ere Nouvelle setzt der Abg. Jules Uhry seine scharf« Kritik an der Rheinlandpoiitik fort. Er schreibt u. a.: Poinca« habe, um Deutschland zu zerstückeln, eine rheinische Republik schaffen wollen. Ich habe aber, erklärt Uhry, in der Kammer die Machenschaften der Werkzeuge Poincares enthüllt. Ich habe ge- sagt, auf welche Weise Tirard die Achtung der Bevölkerung und die Achtung seiner Soldaten verloren habe, daß sie ermordet wurden. Poincare habe auf seine Vorwürfe auf der Kammer- tribüne einmal erklärt, Frankreich würde sich zu der rheinischen Bewegung neutral Verhalten, jedoch habe die Bevölkerung eines Bezirkes, der ebenso groß sei, wie 'Belgien, sowie neutral« Staatsangehörige, ja, die ganze französische Armee und alle französischen Beamten dort das Gegenteil sehen können. Wenn man mit Gewalt von anderen den guten Willen fordere, müsse man selbst den Anfang machen, guten Willen zu zeigen. Nur wenn Frankreich seinen guten -Willen beweise, werde eS sicher sein, die ganze Welt auf seiner Seite zu haben.

Der Kampf um die Seeherschaft.

TU Paris, 8. Febr. Der Präsident der Marinekommission des französischen Senats Kerguezet stößt seit einigen Tagen zu­nächst in der Linkspresse Notrufe wegen der schwachen franzö­sischen Marine aus. Nun steigert er diese noch in dem rechts stehendenAvenir". Frankreich brauche eine starke Marine, weil es sonst nicht imstande wäre, im Kriegsfälle seine amerikani­schen Trupen nach dem Mutterlands zu führen. Nicht ein Regi­ment würde nach Frankreich kommen, wenn Italien dies ver­hindern wollte. Kerguezet schildert, daß Italien zur See weit stärker sei als Frankreich und daß es vor allem eine weit stär­kere Seeflugflotte habe, die Mussolini übrigens bis auf 4000 Flugzeuge bringen wolle. Frankreich brauche leichte Kreuzer, Torpedoboote, vor allem aber Unterseeboote und immer wieder Unterseeboote. Wütend äußert sich Kerguezet über die Washing­toner Konferenz, auf die Frankreich vollkommen unvorbereitet gekommen wäre und wobei man zu Unrecht die Erbauung von 350 000 Tonnen großen Schiffen verlangte, während man sich für die Unterseeboote gar nicht einsetzte. Frankreich würde Ab­rüstungskonferenzen auch weiterhin beschicken, aber es müsse von der Abrüstung aller Völker gesprochen werden, und vor allem die Freiheit der Meere für alle Nationen zur Geltung kommen.

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Vergesset nicht Euren Altbefitz in Reichs- und Staatspapieren zur Auswertung anzumeiden.

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Das Haus des Sonderlings.

Kriminalroman von Erich Ebenstein.

Fortsetzung. (Nachdruck Verboien.)

Heidy, die sich ein gutes Stück hinter ihr befand, blieb vor Schreck urwiflkürlich stehen. Wie sollte sie ihr nun weiter folgen? Es standen ja noch zwei an- bere Fahrzeuge dort. Aber ehe sie nach Frau Törwe- stens Abfahrt und früher durste sie sich ja nicht hin- ^wagen eines mietete und wartete, bis angekurbelt war, mußte das erste hren Blicken längst entschwunden sein. Fassungslos starrte . e h' ber. Frau Torwesten war bereits eingestiegen. Ter Chauffeur kurbelte den Motor an. Dabei war es Heidy, als glitte längs der andern Fahrzeuge etwas Gebücktes hin, hielt einen Augenblick bet dem an der Kurbel stehenden Chauffeur an und entschwände dann nach vorne ihren Blicken. Es sah aus wie ein großer Hund. Aber es kam dann an der Vorderseite des Autos nicht mehr zum Vorschein.

Wo war er hingeraten?

Heidy hatte keine Znt. den Gedanken weiter zu verfolgen, denn zu ihrer unaussprechlichen Erleichterung kam jetzt ein Autotaxi, dessen Täfelchen aufFrei" stand, dt« Straße herab und schien aus den Standplatz halten zu wollen.

Durch eine heftige Nrmschwenkung hielt sie es an.

Folgen Sie dem Auto dort vorne, welches eben abfährt, so unbemerkt als möglich, wohin es auch ssährtl Ich zahle doppelt, ja dreifach, wenn Sie Ihre Sache gur machen! Nur sehen darf man uns nicht!"

Ter Chauffeur warf einen Blick nach dem bezeich- neten Auto, in dem er nur eine Dame sah und lä­chelte.Aha zwei eifersüchtige Frauen," mochte er Wohl denken. Da legte Heidy, ehe sie einstieg, einem «Impuls folgend, die Hand auf seinen Arm und sagte bebend:

Bitte, bitte, helfen Sie mir, daß wir sie nicht aus Len Augen verlieren! Es hängt so viel davon ab!!"

Her Mann sgh unter dem verb üUerHxn . LodenWfl»

tel und der Schirmmütze weder, ob er es mit einer vornehmen Dame zu tun hatte, noch ob sie schön war. Aber er fühlte das Zittern ihrer kleinen Hand und den flehenden Blick der tiefblauen Augen und empfand plötz­lich einen mitleidigen Eifer, ihr zu helfen.

Er schob sie ra>'ch in den Wagen und -schwang sich auf seinen Führersitz.

Ich werde mein Möglichstes tun, Fräulein, Seien Sie nur unbesorgt. Niemand wird uns sehen."

Dann ging es fort mit Windeseile, dem andern Auto nach, das pfeilgeschwind der Triester Reichsstratze zuflog und dann plötzlich auf ihr abbog gegen Wien zu.

* * * *

Heidy war noch nie in einem Automobil gefahren. In ihren bescheidenen Lebensverhältnissen wäre ihr dies als unerhörter Luxus erscbienen.

Aber seit sie einen Teil ihres bisher ängstlich ge­hüteten Notpfennigs flüssig gemacht hatte, um Georg Torweflens Verschwinden aufzuklären, rechnete sie über­haupt nicht mehr. Sie dachte auch jetzt wieder weder an die Auslage, noch an das Neue dieser Fahrt, ja nur überhaupt daran, daß sie in einem Amomobil saß. In il war nur die brennende Angst» das andere Ge­fährt vor sich aus den Augen zu verlieren, und die aufregende Vorstellung: Frau Torwesten fährt viel- leicht zu dem Versteck, wo man Georg verborgen hält!

Der Chauffeur machte seine Sache sehr gut. Er hielt sich immer in derselben vorsichtigen Entfernung u. mied die Mirte der Straße. ,

Bald erreichte man die ersten Häuser Wiens. Es ging durch ziemlich belebte Straßen. Heidy hatte keine Uhr bei sich, aber sie hörte halb elf schlagen. Der Stadtteil, durch den sie kamen, war ihr bekannt. Nach und nach wurden die Häuser niedriger, die Stra­ßen einsamer, die Umgebung nahm einen beinahe länd- liehen Charakter an. . .

Dann wurde es dunkel. Die Laternen horten auf. Regelmäßig in Felder geteiltes Gartenland breitere sich zu beiden Seiten -er schyral unh hylperig gewordenen .Straße, aus. -

Hin und wieder bemerkte Heidy die Umriffe kleines Häuschen oder hoher galgenartiger Holzgestelle, die aus der Ebene aufragten. Am Himmel zogen jetzt schwarze« Welken mit silbernen Rändern auf, die zuweilen den, Mond verdeckten und alles in Finsternis hüllren.

Der Chauffeur hatte die Entfernung zwischen den beiden Autos vergrößert, da man bei der herrschenden Stille sonst vorne das Arbeiten des Motores gehört hätte. Jetzt lenkre er plötzlich in einen Seitenweg ein, hielt an und sprang ab.

Während er den Motor abstellte, sagte er:

Ich kenne die Gegend hier. Die vorne könne» nun nicht mehr viel weiter. Wenn wir ihnen länger folgen, müflen sie uns bemerken. Wollen Sie ihnen zu' Fuß nach? Die linke Weghälfte liegt in tiefem Schat­ten, weil es da innerhalb der Hecke eine Baumschule gibt." "

Heidy stieg aus.

Wo sind wir eigentlich?"

Am Ende vo» Erdberg. Fürchten brauchen VK sich nicht, Fräulein. Es wohnen lauter Gärtner hier herum, keine schlechten Leute. Oder soll ich mit Ihne» gehen? Die Fahrstraße hört bald auf."

Nein, danke. Erwarten Sie mich hier."

Schön. Dann fahre ich aber noch ein «SM tiefer hinein, denn wenn die vorne wenden, müßten sie mei­nen Wagen im Vorüberfahren bemerken. Wie lang« soll ich warten?"

Das weiß ich nicht. Vielleicht dauert es langes Aber ich. komme bestimmt zurück. Hier haben Sie einst« weilen etwas für die bisherige Fahrt."

Heidy drückte ihm eine Banknote in die Hand und machte sich eilig aus den Hauptweg zurück.

Das vordere Auto hatte wirklich bereits angehalten, Heidy, die sich im Schatten der Hecken hielt, sah deutz Üch seine Umrisse und auch die einer weiblich«» G«s statt, die daneben stgnd. ^