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IVO. Jahrgang.
Die Besatzungsnot in der Pfalz.
Eine Rede des bayerischen Ministerpräsidenten.
TU München, 6. Febr. Ministerpräsident Dr. Held stellte geistern in einer Rede im Bayerisch» Landtag sest, daß der Geist von Locarno sich bisher in der Pfalz so gut wie gar nicht ausgewirkt haben. Im Gegenteil scheine gerade die Pfalz neuerdings vas Objekt französischer Machtgelüste zu sein. Nicht nur dah Truppengelände in Speyer angefordert worden sei, sondern auch von den-bisherigen Uebeungsplätzen sei keiner frei gegeben worden. Die Franzosen hielten offensichtlich Mieder ihre schützende Hand über Separatisten. Die Zahl der französischen Garnisonen in der Pfalz habe sich nur um eine, nämlich Oggersheim vermindert. Sie sei um zwei Garnisonen höher als die Aal der deutschen Garnisonen in der Vorkriegszeit. Die Gesamtstärke der Belegschaft sei gegenüber der Zahl vor Locarno nicht geringer, wahrscheinlich sogar höher geworden.
Dt« jetzige Belegschaft der Pfalz betrage 15 80Ü Mann gegenüber einer deutschen Friedensbesatzung von 10 400 Mann. Auch die französische Gendarmerie habe sich sogar an einzelnen Orten vermehrt. Bezüglich der französischen Militärgerichtsbarkeit seien Verhandlungen zwischen der Rheinlandgarnison und dem Reichskommissar in Koblenz im Gange. Es sei zu wünschen, dah von französischer Seite dabei nun wirklich der Geist von Locarno verwirklicht werde.
Wen» das deutsche Volk noch den Glauben a« Locarno m die Zukunft hinüberretten wolle, dann mühten die an Locarno beteiligten auswärtigen Mächte jetzt endlich Ernst machen mit dem» was sie Deutschland in Aussicht stellten. Zur Frage Südtirols erklärte der Ministerpräsident, es sei Lei dem engen Verhältnis zwischen beiden Ländern selbstverständlich, dah Bayern mit der deutschen Bevölkerung in Südtirol empfinde. Mit der kulturellen gehe auch eine tiefe soziale politische und wirtschaftliche Not der deutschen Brüder in Südiirol Hand in Hand. Dies Dinge brauchten nicht zu sein, wenn in Italien wirklich der Geist der Befriedung herrschen würde. Auch gegen die Behandlung der Deutschen in der Tschechoslowakei »ahm der Ministerpräsident Stellung.
Tumult im Bayerischen Landtag.
TU München, 6. Febr. Gestern nachmittag kam es im bayerischen Landtag zu Tätlichkeiten. Der Nationalsozialist Streicher erklärte, dah er sich vollständig hinter die agresfiven Äuhe- rungen seines Parteigenossen Wagner gegen Dr. Stresemann stelle. Bei diesen Worten erhob sich ein ungeheurer Sturm auf der Linken. Sozialdemokraten und Kommunisten drangen auf den Redner ein, zu dessen Verteidigung der Nationalsozialist Löwe einen Stuhl zu Hilfe nahm. Der Kommunist Büchs trat mit dem Stiefelabsatz gegen Streicher und Löw. Ohrfeigen wurden ausgeteilt. Vizepräsident' Auer unterbrach hierauf die Srt- zung.
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Botschafter von Hoefch bei Vriand.
TU Paris, 6. Febr. Der deutsche Botschafter von Hoefch wurde im Laufe des gestrigen Vormittags vom Ministerpräsidenten Vriand am Quai d'Orsay empfangen. Die Unterredung bezog sich auf schwebende politische Fragen. So lautet wenigstens der amtliche Bericht der deutschen Botschaft. Von französischer Seite wird hinzugefügt dah sowohl die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund, wie auch die evtl. Verminderung der Rheinlandbesatzun« Gegenstände der Aussprache bildeten. Im Zusammenhang mit der letzteren Frage wurde auch der Stand der deutschen Abrüstung besprochen.
Neue Besatzungslasten im besetzten Gebiet.
TU Eugers, 6. Febr. Die Stadt ist neuerdings wieder mit einer Besatzung von 5 Kompagnien und einer französischen» Ma- schinengewehrabteilung belegt worden. Mr die Offiziere und die verheirateten Unteroffiziere sind wieder mehrere Wohnungen beschlagnahmt wenden. Die betroffenen Familien muhten entweder ihre Wohnungen gänzlich räumen oder in wenige Zimmer zuisammenrücken. Das Vorgehen der Desatzungsbehörde wird bei der außerordentlich großen Wohnungsnot -sehr schwer empfunden.
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Die Erwerbslosenfürsorge.
Eine Erklärung des Reichsarbeitsministers im Haushalts- nusschuh.
TU Berit«, g. fsebr. Im Haushaltsausschuh des Reichstages erklärte Reichsarbeitsminifter Dr. Brauns, die bemängelte Ee- setzesprsduktion sei in den schwierigen Zeiten der gegenwärtigen Lage begründet. Alle Gesetzentwürfe, die von der Regierung ausgearbeitet werden, seien selbstverständlich Kompromisse. Im Oktober 1925 hätten die Gesamteinnahmen aus Beiträgen der Invalidenversicherung 58,8 Millionen Rentenmark betragen, im November 51,3 Millionen und im Dezember insgesamt 51,9 Millionen. Dagegen hätten die Rentenzahlungen im Oktober 1925 betragen 52,8 Millionen, im November 53 Millionen und im Dezember 54,5 Millionen. Man dürfte im Interesse einer gesunden Zahlungsleistung das Reich nicht nötigen, noch mehr zu zahlen. Der Rai, für die Erwerbslosenfürsorge mehr die Be- trisbshilfe nutzbar zu machen, sei vom Reichsarbeitsministcrium nicht annehmbar. Zn der Zeit vom 1. Aril bis zum 5. Februar 1926 seien für zu unterstützende Erwerbslose aus öffentlichen Mitteln ausgegeben insgesamt 36 336 000 Rentenmark, für produktive Erwerbslosenfürsorge effektiv 33 000 056 Mark. Verfügt wurden über 27,8 Millionen Rentenmark. Insgesamt seien für produktive Evwerbslosenfürsorge in der angegebenen Zeit also 60 800 000 Rentenmark ausgegeben worden, und für zu unterstützende und produktive Erwerbslose zusammen insgesamt 97,2 Millionen Rentenmark.
Deutschlands Aufnahme in den Völkerbund.
Das Programm der Aufnahmefeier
TUGenf, 6. Febr. Der bevorstehende Eintritt Deutschlands in den Völkerbund bildet in Genf die Sensation des Tages. Die Einberufung einer kurzen Ratssitzung steht nun fest. Sie wird etwa 3—4 Tage nach dem Eintreffen des deutschen Aufnahmegesuches in Genf stattfinden und das genaue Programm der Vollversammlung für Mitte März — man spricht auch von Ende März — feststellen. Auf der Tagesordnung der Vollversammlung werden folgende Punkte stehen:
1. Deutsche Aufnahme in den Völkerbund.
2. Die Zuteilung eines ständigen Ratsitzes an Deutschland.
3. Die Festsetzung des Beitrages, den Deutschland als Mitglied des Völkerbundes zu entrichten haben wird.
Me Vollversammlung wird etwa folgendermaßen verlaufen: Mit der Begründung des deutschen Aufnahmegesuchcs und der Zuweisung eines ständigen Ratssitzes werden die erste und sechste Komiffion der Vollversammlung, die juristische und die politische beauftragt werden. Diese werden eine Unterkommission bilden, die im Einzelnen festzustellen haben wird, ob Deutschland bereit ist, die ihm als Völkerbundsmitglied zustehenden Pflichten und Aufgaben gemäß der Völkerbundssatznngen zu erfüllen. Die Unterkommission wird zu diesem Zweck den deutschen Vertreter Vorladen, der die bindende Zusage zu erteilen hat. Gleichzeitig wird sich die ständige Militärkommiffion des Völkerbundes mit der Frage zu befassen haben, ob Deutschland seinen Abrüstungsverpflichtungen in ausreichender Weise nachgekommen ist. Die Berichte der Unterkommission und der Militärkommission werden dann der gemischten politisch-juristischen Kommission zur Beschlußfassung vorgclegt und von ihr der Vollversannnlung überwiesen werden. Bereits in der gemischten Kommission,-die öffentlich tagen wird, werden die Vertreter der einzelnen Maaten in längeren Programmreden die Aufnahme Deutschlands und die Zuteilung eines ständigen Ratssttzes befürworten. Dann tritt erneut die Vollversammlung zusammen und der feierliche Akt der Aufnahme Deutschlands vollzieht sich. Von dem Vorsitzenden der juristisch-politischen Kommission wird über die Arbeiten der Kommission berichtet und von den Vertretern der Großmächte werden kurze grundsätzliche Erklärungen abgegeben. Es folgt dann die Abstimmung, die aller Voraussicht nach feier
lich Deutschlands Aufnahme beschließen wird, obgleich schon eine Zweidrittelmehrheit genügen würde. Hierauf öffnen sich die Türen des Saales und, geführt von zwei Beamten des Völkerbundssekretariates, erscheinen die Vertreter Deutschlands, vier an der Zahl, die ihre Plätze rechts vorne an der Prästdenten- tribüne einnehmen werden. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache des Vorsitzenden wird den deutschen Vertretern das Wort erteilt, die sich in längeren Reden an die Versammlung wenden werden. Hieran schließt sich die Abstimmung über die Verleihung eines ständigen Ratssitzes an Deutschland und die Bemessung der Beitragszahlungen Deutschlands, die unterdessen von der ständigen Kommission geprüft worden ist. Der Beitrag wird sich auf etwa 1 l-L Millionen Schweizer Goldfranken jährlich belaufen.
In der folgenden Ratssitzung, die sich unmittelbar an die Vollversammlung anschließen wird, wird Deutschland bereits als ständiges Ratsmitglied teilnehmen. Diese Sitzung wird insofern von Bedeutung sein, als hier die Vertretung Deutschlands im Völkerbundssekretariat und in den ständigen Kommissionen des Rates geregelt werden wird. Dem bisherigen Brauch folgend, wird Deutschland als ständiges Ratsmitglied in allen Kommissionen, auch in der ständigen Militärkmnmifsion vertreten sein. Die Vollversammlung und die Ratssitzung werden durch die Beteiligung der führenden Staatsmänner fast aller europäischen Staaten von besonderer Feierlichkeit sein. Auch die internationale Presse wird sich zahlreicher als sonst in Genfeinfinden. ^
Die Ratifikation der Loearnoverträge.
TU Berlin, 6. Febr. Die .Maily News" weist an leitender Stelle darauf hin. daß die Verträge von Locarno von verschiedenen Mächten noch nicht ratifiziert seien. Da Deutschland jetzt Mitglied des Völkerbundes werde, so sei es berechtigt, die Ratifikation der Verträge zu verlangen. Die Darstellung der „Daily News" ist, wie von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, als solche nicht zutreffend. Somit sind im allgemeinen die Voraussetzungen für den Austausch der Ratifikationsurkunden gegeben. Die Verhandlungen nehmen in dieser Frage einen normalen Verlauf, sodah anzunehmen ist, dah, wie vereinbart, ein gemeinschaftlicher Austausch der Ratifikationsurkunden in Genf in absetzbarer Zeit erfolgen wird.
Tages-Spiegel.
Das Reichskabinett hielt gestern nachmittag eine Sitzung ab, in der verschiedene Maßnahmen zur Ausführung des Regie- ruugsprogramms zur Sprache kamen.
Der Botschafter von Hoesch verhandelte gestern mit Briand über die Besatzungsfragen und de« Eintritt in den Völkerbund.
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Der handelspolitische Reichtagsausschuß nahm gestern das vorläufige Wirtschaftsabkommen mit Spanien und den Zusatzvertrag mit Holland an.
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Die Einladungen zur Völlerbuudsversammlung im März werden voraussichtlich in der nächsten Woche hinausgehen.
Der frühere österreichisch« Bundeskanzler Dr. Seipel sprach in Berlin über den deutschen Staatsgedanken. Dr. Seflrrl wurde vom Reichspräsidenten empfangen.
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Die atlantische Küste Nordamerikas wird von einem beispiellos heftigen Schneesturm heimgrsucht, der seit 24 Stunden anhält und schon sehr grohen Schaden aNgertchtet Hatz Es find bereits LO Personen ums Leben gekommen. Der Verkehr ist überall unterbrochen.
Deutscher Reichstag.
Berttu, 6. Febr. Der Aeltestenrat des Reichstages ist von dem Bestreben geleitet, das Parlament möglichst lange beisammen zu behalten und Pansen zu vermeiden, damit eine Ansammlung von Arbeitsstoff und vor allem eine Hinauszögerung der Verabschiedung des Haushaltsplanes für 1926 vermieden wird. Infolgedessen hat er bereits einen Arbeitsplan ausgearbeitet, der auch für Samstag und Montag Sitzungen vorsteht, obwohl es bisher üblich war, diese beiden Tage sitzunasfrei zu lassen. Für Mittwoch ist dann die Etatsrede des Reichsfinanzministers Dr. Reinhold vorgesehen. Mit diesem Arbeitsplan ist aber der Reichstag selbst nicht einverstanden. Nicht mit Unrecht wies in der Geschäftsordnungsdebatte am Freitag der Zentrumsabgeordnete Andre darauf hin, dah es eine verfehlte Methode sei, dauernd 500 Abgeordnete in Berlin festzuhalten und dann nur täglich kurze Sitzungen von ein paar Stunden abzuhalten, weil es an Stoff fehle. Tatsächlich sind auch die Tagesordnungen der letzten Sitzungen recht mager gewesen, ebenso die vom Freitag, sodah das Plenum schon nach kurzer Zeit mit der Aufarbeitung des vorliegenden Materials fertig war. Unter diesen Umständen ist es verständlich, wenn aus dem Haus heraus Stimmen laut werden, die eine stärkere Zusammenfassung des Arbeitsstoffes und damit auch längere Sitzungen verlangen. Trotz des Widerspruches, der sich bemerkbar machte, wurde dann schließlich doch in namentlicher Abstimmung mit 143 gegen 122 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen gegen den Arbeitsplan des Aeltestenrates entschieden und beschlossen, am Samstag keine Sitzung abzuhalten. Abgelehnt wurde auch noch der kommunistische Antrag, eine neue außenpolitische Debatte einzuleiien und den kommunistischen Antrag wegen der Erwerbslösenfrage zu besprechen.
Der Konflikt bei der Reichsbahn.
Die Klage gegen die Reichsbahn beschlösse«.
TU Berlin, 6. Febr. Die drei grohen Eissnbahnergewerk- schaften traten am Freitag in Berlin wiederum zusammen, um über ihre weiteren Schritte gegen die Reichsbahn zu beraten. Es wurde beschlossen, nunmehr die Klage auf Leistung gegen die Reichsbahngesellschaft unverzüglich einzureichen. Die Formulierung der Klage dürste schon in den nächsten Tagen erfolgen. In der Sitzung der Gewerkschaften wurde auch die Frage erörtert, ob man nicht zunächst den Reichskanzler um eine Besprechung ersuchen solle, in der die im Augenblick schwebenden Streitigkeiten, so z. Ä. Beamienabbau, Lohn- und Gehalts- regelung, Dienstdauer usw. vorgetragen werden sollen. Hierüber ist jedoch noch kein definitiver Beschluß gefaßt worden. Von einer Gowerkschastsrichtung wurde weiterhin der Vorschlag gemacht, man solle zur Verschärfung der Forderungen gegenüber der Reichsbahn einen eintägigen Demonstrationsstreik durchführen. Hierüber wurde ebenfalls kein endgültiger Beschluß gefasst, vielmehr kam man dahin überein, dah die Hauptvorstande aller Gewerkschaften bis zum nächsten Montag zu dieser Frage Stellung nehmen sollen. _
Die englische Flolterrpolitik.
TU London, 5. Febr. Fm Verfassungsklub sprach der englische Admiralitätschef Bridgeman übe» die englische Flottenpolitik. Bridgeman führte aus, daß sich die englische Regierung im Ersatzbau veralteter Schiffe in den Grenzen des Washingtoner Abkommens halte. Bei der Ausdehnung des englischen Reiches und des englischen Handels seien die von der Regierung gutgeheißenen Schiffsneubauten ein dringendes Bedürfnis gewesen. Zur völligen Abrüstung könne England nur dann bereit sein, wenn alle Staaten der Welt das Gleiche tun würden. Bridgeman betonte die wertvolle Unterstützung, die ihm die australische Regierung in seiner Politik geleistet hätte. Ittrch Hongkong habe sich für die Erhaltung der britischen Flottenmacht durch eine Spende von 250 000 Pfund für den Ausbau von Singapore sehr verdient gemacht. Bridgeman schloß seine Rede mit dem Wunsche, daß auch andere Teile des britischen Reiches in derselben Weise Verständnis für die englische Flottenpolitik zeigen möchten.