Die Calwer Backtage.

(Erinnerung an eine alte Besonderheit in Calw.)

Der Oktober bringt in allen GasthöfenPrima neuen süßen Wein", vielfach mit frischem Zwiebel- und Obstkuchen oder mit großer, einladender Schlachtpartie. Für derartige Genüsse sind die meisten Men'chcn empfänglich und es ist kein Wunder, wenn der neue Wein die-Hcrbstgeister des menschlichen Lebens auf­ruft und alt und jung fröhlich macht. Der Herbst war eine Zeit, da unsere früheren Bäckermeister der guten alten Zeit über den Rhein fuhren, umUebcrrheinischen" hauptsächlich in St. Mar­tin zu holen und sich mit diesem noblen Pfälzerwein ihren Jahresbedarf zu decken. Früher gab es vielmehr Bäckerwirt­schaften als jetzt und man konnte sich eine Bäckerei ohne Wirt­schaft eigentlich gar nicht denken. Es Ivaren nur ein bis zwei Bäckereien, die keine Wirtschaft führten. Die Bäckerwirtschaften waren besonders von Landleuten stark besucht, letztere waren mit den Bäckersleuten gewöhnlich sehr vertraut und standen mit ihnen auf bestem Fuße. Sie benutzten dieWirtschaft als Ein­stellquartiere und es war ihnen in den gewöhnlich einfach gehal­tenen Bäckerstuben am wohlsten. Die Zeit hat hier leider man­ches geändert, aber immer noch erfreuen sich viele unserer Wirt­schaften der besten Lairdkundschaft. Der Landbewohner geht eben gerne in einfachere Wirtschaften, wo es gemütlich für ihn ist und er auch wieder seinesgleichen findet. Er verzichtet auf feinere Ausstattung und will zu seinem Glas Wein auch ein gutes Stück Brot und ein gutes Vesper haben. Das findet er alles in diesen Wirtschaften, gerade so, wie es ihin paßt. Wie die Wirtschaften überhaupt, so haben auch die Bäckerwirtschaften sich verringert. Die Erlaubnis zur Führung solcher Wirtschaf­ten ist aus verschiedenen Gründen, die uns hier nicht berüh­ren, erschwert und so gibt es nun eine große Anzahl von Bäcke­reien, die keine Wirtschaft mehr haben; außerdem hat der Ge­schäftsbetrieb der Bäckereien einen weit größeren Umfang an­genommen. Die Backwaren haben sich sehr stark vermehrt, so daß der Bäcker mit seiner Bäckerei vollständig beschäftigt ist. Die frühere Zeit brachte dqn Bäckereien mit Wirtschaft einen ganz besonderen Betrieb, den sogenanntenBacktag". Es war früher nicht Brauch, daß jeder Bäcker an jedem Tag Laugen- brezele buk. Dieses Recht zum Laugenbrczele backen hatte ab­wechslungsweise ein Bäcker eine Woche lang. Wenn er dann Backtag gehabt hatte, mußte er mit hem Backen von Laugcn- brezeln warten, bis wieder die Reihe an ihn kam. Das geschah oft erst nach einem halben oder ganzen Jahr. In jeder Woche wurde in der Tageszeitung angekündigt, welcher Bäcker in die­ser Woche den Backtag habe. Der betreffende Bäckermeister hatte nun eine Woche lang das Recht allein, Laugenbretzeln zu bak- ken; es war höchst selten, daß ihm ein anderer Bäcker einen Einbruch in dieses Recht machte. Für das Austragen der Bre­zeln in Wirtschaften und in Privathäuser war eine besondere Person nötig und dieses Geschäft besorgte gewöhnlich ein und dieselbe Austrägerin viele Jahre lang. Tausende von Brezeln hat so die allgemein bekannteBrczelekarline", die Tag für Tag Brezele austrug, in die Häuser gebracht. Die Brezel ko­stete damals 3 Pfg. und einen anderen Preis hätte man sich überhaupt nicht denken können, wahrscheinlich auch allgemein zurückgcwiesen. Außerdem bekam man beim Kauf von ein Dut­zend Brezeln noch ein Stück drein. Das war in Wirklichkeit eine gute alte Zeit. Die Bäckereien mit Wirtschaft hatten in der Backtagswoche aber nicht nur durch das Backen von Brezeln sondern auch durch einen gesteigerten Wirtschaftsverkehr eine sehr gute Einnahme, die schon im Voraus für alle möglichen Zwecke zu dienen hatte. Es war nämlich allgemein Sitte, daß zum Backtag alle Nachbarn, alle Geschäftskollegen, alle Bekann­ten und Freunde und besonders alle Geschäftsleute erschienen, mit denen der Bäckermeister in irgend einem Geschäftsverkehr stand. Schon morgens stellten sich die Besucher zum Backtag ein, da zum Wein auch eine neugebackene, rösche Brezel zur Verfü­gung stand. Der Hauptverkehr war abends. Da stellten sich alle Bekannte im Laufe der Woche ein, um den Wein des Backtages zu trinken. Most und Bier wurden in dieser Woche nicht ver­abreicht. Bei einem gemütlichen Schoppen oder zwei, denn einer galt als zu wening, wurde lebhafte Unterhaltung gepflogen. Alles mögliche wurde da verzapft. Einen nie versiegenden Stoff

gaben die Gemeindeangelegenheiten. Da wurde geschimpft und räsoniert, gelobt und getadelt, je nachdem auch noch politische Wolken am Himmel standen. Damals platzten die Geister noch ganz anders auf einander als heute. Genau in zwei Lager war die Bürgerschaft geteilt, in ein schwarzes und ein rotes Lager. Beim Backtag kamen alle Parteien zusammen und gewöhnlich stand es nicht lange an, bis sich die Geister stark an einander rieben, wozu der scharfe Bchtzogswein auch noch das Seinige beitrug und imnier mehr Geist auf Geist häufte. In der Blüte­zeit der Backtage erschien eine Backzeitung, die auf die frühe­ren politischen Verhältnisse eingestellt war und in ihren Tages­nachrichten aus der Stadt unter der RubrikBacktagsgeschwäh" die an den Backtagen und sonst in der Stadt erörterten Tagcs- und politischen Fragen in humoristischer Weise behandelte. Stoff boten im allgemeinen städtische Verhältnisse, die Feuerwehr, die Wasserleitung, die politischen Ereignisse, die Wahlen und noch vieles andere. Manch guter Witz wurde da geprägt und in sar­kastischer oder feiner Weise manches Geschehnis mitgenommen. Hie und da wurden auch Jägerlateinsprüche erfunden, um dem Blatt Stoff zur Unterhaltung zu bieten. Es war ein unschul­diges Aussprechen über brennend« und zeitgemäße Tagesfra­gen. Wie alles in der Welt, so halten auch die Backtage mit den Zeiiumständen den Höhepunkt des Lebens überschritten. Zum Niedergang der Backtage, die eine so große Rolle im Bäk- ker- und Wirtschaftsgewerbe und bei den Bürgern spielten, tru­gen verschiedene Umstände bei. Vor allem war es die Loslö­sung von einer alten Zwangswirtschaft und eine freie und selbständige Ausdehnung des Betriebes, die uneingeschränkte Tätigkeit im Gewerbe und die mit verschiedenen Umständen verknüpfte unzuträgliche Betriebsart der Backwaren. Dazu ka­men andere Zeitverhältnisse und schließlich der schlimme Ruf der Backtagsweinc. Nicht alle Backtagsweine waren verrufen, es gab Bäckerwirtschaften, die einen vorzüglichen Tropfen zum Ausschank brachten und daher an den Backtagen außerordent­lich stark besucht waren. Es fanden sich dabei alle Schichten der Bevölkerung ein, so daß manche Backtage sehr beliebt waren. Aber es gab auch böse Weine, von denen der Volksmund be- behauptete, daß sie eigens als Backwcine angemacht worden seien. Großer Ulk wurde manchmal mit den Wirten getrieben. Wie oft brachten zu allen losen Streichen aufgelegte Freunde und Bekannte Birnenkerne mit und taten sie in den vorgetisch­ten Wein? Darob großes Hallo und Beschwerde beim Wirt. Die Wirte kannten aber ihre Pappenheimer und wußten sich meistens gut auszureden. Köstlich aber war es, als einmal eine Wirtin zu ihrem Mann sagte, der auch von ulkigen Freunden aufgezogen wurden:Ich Hab Dirs ja gesagt. Du sollst Dich mit dem Birnenmost in Acht nehmen". Bei den Backtagen kam der alte eingesessene Bürgersinn oft zum kräftigen Ausdruck. Schließlich überlebten sich die Backtage. Die Anzeige:In der nächsten Woche backt Laugenbrezeln" Bäcker So und So ver­schwand und heute leben die Backtage mir noch in der Erinne­rung. Aufleben werden sie nicht mehr, die Verhältnisse haben sich gründlich geändert und mancher wird sagen: Das Ende der Backtage ist mit Recht gekommen. Von Einem werden die Back­tage auch später zeugen, von dem alten, patriarchalischen Sinn und Geist der früheren Bürgerschaft.

Aus Geld-,

Volks- uud Landwirtschaft.

1 holl.Gulden 1690,6

1 franz. Franken 169,1

1 schweiz. Franken 811,3

Börsenbericht.

(SCB.) Stuttgart, 1. Okt. Das Geschäft an der heutigen Börse war wieder äußerst lustlos, doch sind die Einbußen nur gering.

Landesprodultenbörse.

(SLB.) Stuttgart, 1. Okt. Der Getreidemarkt verkehrt weiter in ruhiger Haltung Lei schwachem Verkehr. Die Preise sind un­verändert: Weizen 22.2524.25, Sommergerste 23.5025.75, Rog­gen 1919.75, Hafer 1719, Weizenmehl 39,2540.25, Brotmehl 32.2533.25, Klei« 10.7511, Wiesenheu 5.750.75. Kleeheu 6.75 bis 7.75, drahtgepreßtes Stroh 4.505 per 100 Kg.

Produktenbörse und 'Marktberichte des Landwirtschaftlichen Hauptverbandcs Württemberg und Hohenzollern e. V.

Berliner Produktenbörse vom 1. Oktober.

Weizen mark. 200224; Roggen mark. 145148; Sommer­gerste 206230; Wintergerste 169174; Hafer märk. 172188; Weizenmehl 2730.75; Roggenmehl 21.5023.50; Weizenkleie 9.8010; Roggenkleie 8.759; Viktoriaerbsen 2631; Futter­erbsen 2124; Wicken 2326; Rapskuchen 15; Leinkuchen 21.50; Trockenschnitzel 11.20; vollw. Zuckerschnitzel 20; Torfmelasse 8 bis 8.20; Kartoffelflocken 15.6016; Tendenz: schwächer.

Erotzmärkte.

(STB.) Stuttgart, 1. Okt. Kartoffelmarkt auf dem Leon­hardsplatz: Zufuhr 900 Ztr., Preis 3.804.20 4t. Mostobst- markt auf dem Wilhelmsplatz: Zufuhr 1000 Ztr., Preis 810 4(. Filderkrautmarkt-auf dem Leonhardsplatz: Zufuhr 200 Ztr.. Preis 4 «4t für 1 Ztr.

Stuttgarter Schlachtvtehmarkt.

(SCB.) Stuttgart, 1. Okt. Dem Donnerstagmarkt am Meh» und Schlachthof wurde zugeführt: 31 Ochsen, 16 Bullen, 108 Jungbullen, 108 Jungrinder (unverkauft 20), 29 Kühe, 399 Käl­ber, 831 (60) Schweine, 1 Schaf. Erlös aus je 1 Ztr. Lebendge­wicht: Ochsen, 1. Güte, 5358 (letzter Markt: 5358), 2. Güte 40 bis 49 (unv.), Bullen, 1. Güte, 5456 (unv.), 2. Güte 4454 tunv.), 3. Güte 3843 (unv.), Jungrinder, 1. Güte, 5863 (unv.), 2. Güte 4455 (unv.), 3. Güte 3843 (unv.), Kühe, 1. Güte. 33 bis 44 (unv.), 2. Güte 2030 (unv ), 3. Güte 1319 (unv.), Käl­ber, 1. Güte. 89- 91 (8790). 2. Güte 8287 (8085), 3. Güte 7580 (7278), Schafe 8388 (8288), Schweine, 1. Güte, 100 bis 101 (100102), 2. Güte 9799 (98100), 3. Güte 9596 (9t bis 97), 4. Güte 9093 (90-94), Sauen 7587 (7588) «tt. Ver­lauf des Marktes: Bei Kälbern lebhaft, sonst mäßig, bei Großvieh und Schweinen Ueberstand.

Mostobstmarkt auf dem Nordbahnhof.

Stuttgart, 1. Okt. Seit 28. Oktober wurden auf dem Nord­bahnhof 153 Wagen Mostobst neuzugeführt, davon aus Preußen 55, aus Bayern 3, aus Hessen 48, aus Holland 20, aus Bel­gien 2, aus Frankreich 5, aus Rumänien 1. aus Südslavien 10, aus der Schweiz 1, aus Italien 114. Nach auswärts sind IW Wagen abgegangen. Preis wagenweise für 10 000 Kilogramm 13201610 ^ und zwar für Obst aus Italien 13201350, im übrigen 14501610, im Kleinverkauf 7.808,70 für den Zentner. Vom 1. Oktober ab gewährt die Reichsbahn auf die bisherigen Frachtsätze für frisches Obst eine Ermäßigung von 10 Prozent. Diese Frachtermäßigung beträgt bei Waggon­ladungen von 200 Ztr. etwa 5 Pfg. pro Ztr., bei 100 Knn 8)4 Pfg. bei 200 Km. und 15 Pfennig bei 400 Km. Entfernung.

Schweinepreise.

Biberach: Läufer 70110, Mtlchschweine 2647 4l. Frcu- denstadt: Milchschweine 4048, Läufer 5080 4t. Münsingen: Mijchschweine 3550 4t. Obersontheim: Milchschweine 24 bis 42 «<t. Weilderstadt Milchschweine 3237 -K das Stück.

Viehpreise.

Laupheim: Kälber und Boschen 200440, Kalbeln 550650, Ochsen 380, Farren 215310 4t. Münsingen: Ochsen 345780, Fairen 180470, Kühe 140580, Kalbeln 340770, Jungvieh 170410 4t das Stück.

Kirchliche Nachrichten.

Evang. Gottesdienst am 17. Sonntag nach Dreiein., 4. Okt.

V. T. 395. 1410"Uhr Predigt, Dekan Zeller; Eingangslied Nr. 396 Herr laß auch Deine Heiligung: )411 Uhr Sonntag- schule; 1 Uhr Christenlehre (Söhne 1. Bez.); 5 Uhr Abend­gottesdienst im Vereinshaus, Stadtpf. Lang. Freitag 9. Okt.: Familienabend des Volksbunds (s. spätere Anzeige).

Kath. Gottesdienst Sonntag, 4. Ok., Rosenkranzfest.

8 Uhr Frühmesse mit Homilie, )410 Uhr Predigt, Hochamt und Christenlehre, 2 Uhr Andacht. Montag: 8 Uhr Gottesdienst in Bad Liebenzcll.

Gottesdienste der Mcthodistcngemeinde Sonntag, 4. Okt.

Vorm. 9.30 Uhr Predigt, Flößer; 11 Uhr Kindergottes­dienst; nachm. 2 Uhr Alten fest. Mittwoch: 8 Uhr Bibel- stunde. Link. Stammheim: Vorm. 9.30 Uhr Gottesdienst; nach­mittags 2 Uhr beteiligt sich die Gemeinde in Calw. Mittwoch: 8 Uhr Bibel-Gebetstunde.

Zahlungsaufforderung.

Die Grund- und Gebäudebesitzer. und die Gewerbe­treibende» werden an die alsbaldige Enlrichtung der zur Zahlung fälligen Gemeindesteuern hiemit erinnert und zu­gleich darauf hingewiescn, daß die allmonatlich zu entrich­tenden Beträge jeweils bis zum 8. ds. Mts. bezahlt sein müsse».

Rückstände aus den Vormonaten werden nunmehr im Zwangsweg eingehoben.

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175535, 176325, 176326,

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