NACHRICHTENBLATT

DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW

AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES AUIORITES DE V ARRONDISSEMENT DE CALW

CALW 9. Oktober 1945 Nr. 23

Zensurbestimmungen für den Postverkehr

der Zivilbevölkerung in Deutschland

Abschnitt I Allgemeine Vorschriften Erläuterungen

1. In nachstehenden Vorschriften ver­steht man unter:

a) Mitteilung. Jede Botschaft, die auf einem zugelassenen Postweg ab­gesandt oder erhalten wird, desgleichen alles in dieser Weise übermittelte Material (z. B. Briefe, Postkarten, Filme, Photo­graphien, Zeitungen, «Manuskripte, Zeit­schriften, Rundschreiben, Flugschriften, Landkarten. Pläne, Zeichnungen, finan­zielle, geschäftliche und andere Doku­mente, Pakete, Grammophon- und Schall­platten); jede Art Telegramm, Kabeldepe­sche, Funkspruch oder Fernschreiben; Ge­spräche mittels Telefon oder drahtloser Telefonie; jede Botschaft durch Signal­apparat, Brieftauben oder auf irgendeine andere Art übersandt.

b) Deutschland. Jene Teile des Deutschen Reiches, welche am 31. Dezem­ber 1937 als Deutschland galten.

c) I n 1 a n d s m i 11 e i 1 u n g^e n. Alle Mitteilungen, deren Absender und Emp­fänger sich innerhalb Deutschlands be­finden.

d) Auslandsmitteilungen. Alle Mitteilungen, von denen sich entweder der Absender oder der Empfänger außerhalb Deutschlands befindet.

Zulässige Nachrichtenverkehrsmittel

2. Die Zivilbevölkerung darf nur solche Nachrichtenverkehrsmittel gebrauchen, die von der Militärregierung genehmigt sind.

Die Zensur

3. Alle Mitteilungen sind der Zensur un­terworfen und können zurückgehalten, un­terbrochen, angehalten, konfisziert oder auf andere Weise behandelt werden, ohne .Verständigung des Absenders oder Emp­fängers. Die Genehmigung, Nachrichten­verkehrsmittel zu gebrauchen, kann einer Person jederzeit entzogen werden. Die Zensur ist nicht verantwortlich für ir­gendwelchen Verlust, Schaden oder Ver­zögerung im Zusammenhang mit irgend­einer Mitteilung.

Verbotene Angaben

4. Die folgenden Angaben dürfen weder offen noch verdeckt erwähnt werden, es sei denn, daß sie bereits amtlich von einer befugten Behörde veröffentlicht wurden.

a) Auskünfte betreffend Heeres-, Luft­waffen- oder Marine-Operationen gegen Länder, die sich mit den Ver. Nationen im Kriegszustand befinden.

b) Standort, Beschreibung, Stärke, Iden­tität, Operationen oder zukünftige Opera­tionen der alliierten Streitkräfte, oder ir-

f jendwelche Einzelheiten ihrer Kriegsma- erialien oder Ausrüstung.

c) Standort, Beschreibung, Identität, La­dungen, Fahrten oder zukünftige Fahrten, 'Ankunfts- oder Abfahrtshäfen, oder An­künfte- oder Abfahrtszeiten jeglicher Hee­res-, Luft- oder Marine-Verschiffung der tyer. Nationen; oder jeglicher andere Bchiffahrtsbericht, den die Feinde der Ver. Nationen gebrauchen könnten, um den Han­del der Ver. Nationen oder der neutralen wationen zu stören.

d) Angaben betreffend Heeres-, Luft-

6 der Marine-Nachrichten, Aufklärungsme- loden oder Resultate,

e) Auskünfte über Wohnsitz, Quartier öder Bewegungen von Beamten oder Be-

f tuftragten der Ver. Nationen einschließ- ich von Heeres-, Luft- oder Marine-Offi- fcieren der höheren Ränge und der Stäbe iind diplomatischen Gesandtschaften.

f) Vorzeitige Enthüllung von diplomati­schen Unterhandlungen oder Bespre­chungen.

g) Namen von Personen, die von den alliierten.Streitkräften festgenommen, ver­haftet, verhört oder interniert wurden; Lage und Beschreibung von Internie­rungsplätzen.

h) Jegliche Auskünfte, Gerüchte -oder Propaganda, die direkt oder indirekt Per­sonen helfen könnten, die den Ver. Natio­nen feindlich gesinnt sind oder die Inter­essen der Ver. Nationen beeinträchtigen, aie Ausübung von notwendigen Zivildien- eten behindern, die Beziehungen unter den Ver. Nationen stören könnten oder all­gemein gegen das Interesse der öffent­lichen Ordnung oder Sicherheit der Be- eatzungstruppen verstoßen.

Strafen

5. Jede vollendete oder versuchte Um­gehung oder Verletzung dieser Vorschrif­ten setzt den Missetäter der Verfolgung durch einen Gerichtshof der Militärregie­rung aus und unterwirft ihn der Strafe, die das Gericht auferlegen mag.

Abschnitt II Postvorschriften

6. Außer den allgemeinen Vorschriften beziehen sich die folgenden zusätzlichen Anordnungen im besonderen auf allen Postverkehr:

7. Handschrift. Die Handschrift muß leserlich sein. Die Adresse des Emp­fängers und des Absenders, sowohl wie die Sprachangabe müssen auf der Maschine geschrieben oder in großen lateinischen Druckbuchstaben auf dem Briefumschlag erscheinen.

8. Absender, a) Alle Mitteilungen müssen den vollen Namen und Adresse des Absenders enthalten. Briefe müssen diese Angaben auf der Rückseite des Umschlags, Postkarten in der oberen linken Ecke der Adressenseite tragen, b) Als Absender­angabe ist die ständige Anschrift des Ab­senders erforderlich, d. h die Adresse, welche auf der Ausweiskarte des Absen­ders erscheint, e) Falls eine Mitteilung von einem anderen Platz als der ständigen Adresse des Absenders abgesandt wird, muß die angeführte Absenderangabe die ständige Anschrift sein. Eine zeitweilige Adresse kann im Texte der Mitteilung be­kanntgegeben werden, d) Der Name des Absenders muß genau so angegeben wer­den, wie er auf der offiziellen Ausweis­karte erscheint.

9. S p r a ch e. Die Sprache der Mittei­

lung muß in Druckschrift oder Maschine­geschrieben unter dem Absender in Deutsch oder Französisch angegeben werden.

10. Geschäftliche Mitteilun­gen. Geschäftliche Mitteilungen müssen das WortGeschäftlich in Druck- oder Maschinenschrift unter der Sprachangabe zeigen, ln geschäftlichen Mitteilungen, die Transaktionen betreffen, für die eine Lizenz oder eine besondere Genehmigung benötigt wird, muß die erteilte Lizenz­oder Genehmigungsnummer angegeben werden.

11. Inhal t. a) In einem Geschäftsbrief dürfen keinerlei persönliche Mitteilungen, weder des Absenders noch für dritte Per­sonen, enthalten sein, b) Alle Privatkor­respondenz darf nur Mitteilungen von der Person enthalten, deren Name al3 Absen­der auf dem Umschlag erscheint.

12. Unterschrift. Alle Mitteilungen, persönlicher oder geschäftlicher Art, müs­sen mit dem vollen Namen des Absenders unterschrieben sein. Der Name des Unter­zeichners einer geschäftlichen Mitteilung muß deutlich mit der Schreibmaschine oder in lateinischer Druckschrift geschrieben unter der Unterschrift erscheinen.

13. Vorboten sind: a) Geheimschrif­ten aller Art, Symbole und andere Mittel, verdecktem Inhalt Ausdruck zu geben.

b) Geheime oder unsichtbare Tinten.

c) Kurzschrift, d) Blindenschrift, e) Kreuz­worträtsel, Schachprobleme und andere Spiele, f) Wort-für-Wort-Bestätigungen von Post-, Kabel-, drahtloser Telegraphie-, Telephon- oder Telegraf-Mitteilungen, g) Wiederbenutzungen oder Beilagen von Umschlägen, die Zensurstempel oder Zen­suretiketten tragen, h) Gekritzel und un­verständliche Zeichnungen, i) Ketten­briefe. j) Musik-Manuskripte.

Neue Landesregierung in Stuttgart eingesetzt

Sechs Verbindungsmänner bilden die Landes Verwaltung für die französische Zone

Im Hauptquartier der Militärregierung von Nord-Württemberg und Nord-Baden in Stuttgart fand Ende September die Ein­setzung und Vereidigung einer Regierung für diese Gebiete statt. Das neue Kabinett hat folgende Zusammensetzung:

Dr. Reinhold Maier, Ministerpräsident und Finanzminister; Fritz Ulrich, In­nenminister; Dr. Josef ßeyerle, Justiz­minister; Josef Andre, Wirtschaftsmini­ster; Dr. Theodor Heuß, Kultusminister; Otto Steinmeyer, Postminister.

Landesverwaltung für die französische Zone

Durch die Abgrenzung der Besatzungs­zonen in Württemberg ist unser Land in zwei Teile zerfallen; doch soll der Grund­satz der Einheitlichkeit der Verwaltung aufrechterhalten bleiben. Zu seiner prak­tischen Durchführung sind für den durch Frankreich besetzten Teil in Tübingen

Verbindungsmänner auf gestellt worden, die die einzelnen Ressorts vertreten. Diese Landesverwaltung für die französische Zone, die noch stark ausgebaut wird, führt ihre Geschäfte allein verantwortlich und trifft selbständig alle Entscheidungen, wobei aber keine Trennung der beiden Verwaltungen herbeigeführt werden soll.

Für diese Landes Verwaltung W ürttemberg für die französisch besetzte Zone wurden als Direktoren er­nannt; ,

Inneres: Lothar Roßmann; Kultus: Oberstudiendirektor Binder, bisher Di­rektor des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums in Stuttgart; Wirtschaft: Dr. Küpper; Justiz: Oberstaatsanwalt Dr. Müller; Post: Vizepräsident Hofer; Ernährung: Ernst Fischer. Die Abteilung fürAr­beit ist noch nicht errichtet, soll aber wie die für Ernährung mit der der Wirt­schaft vereinigt werden.

Wiedergutmachungsleistungen für den Neuaufbau

Der alliierte Kontrollrat gab eine um­fassende Erklärung ab, die sich mit allen Gesichtspunkten gegenüber Deutschland befaßt. Das Dokument besteht aus 12 Ab­schnitten und beschäftigt sich mit Wieder­gutmachungsleistungen, Besatzungskosten und Anweisungen für den Wiederaufbau. Die meisten Verordnungen wurden bereits früher in verschiedener Form bekannt­gegeben. Die Proklamation soll eine Uebersicht bilden über die an das deut­sche Volk gestellten Forderungen. Die wichtigsten Punkte sind: Die Umsied­lung von Deutschen aus Gebieten inner­halb und außerhalb der deutschen Gren­zen von 1937 unter Bedingungen, die der Kontrollrat festlegen wird. Vertreter der Alliierten werden bestimmen, wieviel per­sönliches Eigentum die Evakuierten mit sich nehmen dürfen. Deutsche Behörden sind angewiesen, für den Empfang der Evakuierten Sorge zu tragen. Die deut­schen Behörden müssen allen Anweisun­gen bezüglich Bezahlung der alliierten Besatzungsstreitkräfte nachkommen. Die deutschen Behörden müssen alle Maßnah­men zur Wiedergutmachung und für den Wiederaufbau benötigten Anordnungen durchführen. Alle deutschen Militärver­waltungen und -körperschaften, darunter auch der deutsche Generalstab, werden endgültig und völlig abgeschafft. Die deutschen Behörden müssen den alliierten Anordnungen nachkommen im deutschen Rechtswesen und Erziehungs­

system. Alliierte Entscheidungen setzen widersprechende deutsche Rechte außer Kraft. Die deutschen Behörden haben Be­weise für die Prozesse gegen die Nazi­führer zu liefern; sie sind verantwortlich für die Anwesenheit der Zeugen während der Prozesse selbst. Weder die deutsche Regierung noch der einzelne Bürger darf Verbindungen mit dem Ausland anbahnen, ohne vorher die Genehmigung der Alliier­ten erlangt zu haben. Kein Deutscher wird eine der Besatzungszonen ohne weiteres verlassen dürfen, wenn nicht eine Sonder­erlaubnis erteilt wird. Deutsche Beamte müssen den alliierten Vertretern Folge leisten bezüglich der Rückerstattung von Eigentum, welches Personen aus Rassen-, Religions-, sprachlichen oder politischen Gründen entzogen wurde.

Die Erklärung bestätigt aufs neue die Kontrolle der Allierten über die deutsche Finanz- und Landwirtschaft und die In­dustrie. Alle deutschen Beamten und Pri­vatpersonen haben den alliierten Behör­den alles Gold und Silber abzulie­fern; ferner müssen alle ausländischen Banknoten und Münzen abgegeben wer­den. Die Produktion und der Erwerb von Kriegsmaterial ist verboten. Deutsche Staatsbürger dürfen keine Flugzeuge be­sitzen. Alle Forschungsergebnisse und Experimente, die direkt oder indirekt .mit der Kriegsproduktion in Verbindung stehen, müssen den Alliierten zur Verfü­gung gestellt werden.

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Infolge der schwierigen Verkehrsverhält­nisse und der großen Zahl der vorliegenden wie täglich noch einlaufenden Bestellungen ist es nicht möglich, dasSchwäbische Tagblatt und dasNachrichtenblatt der Militärregierung für den Kreis Calw schon diesen Monat im Abonnement abzu­geben. Bereits eingesandte Bezugsgelder wer­den auf die mit i. November beginnende Abonnementslieferung verrechnet.

Inzwischen sind weiterhin dasNachrich­tenblatt zum Preis von to Pfg., dasSchwä­bische Tagblatt zum Preis von 20 Pfg. im Einzel verkauf erhältlich.

Der Landrat Abt. Bekanntmachungen

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General Eisenhower hat die Auflösung von fünf großen deutschen Industrie­unternehmungen in der amerikani­schen Zone angeordnet. Die maschinelle Ausrüstung dieser Unternehmen wird zu Wiedergutmachungszwecken zur Verfü­gung gestellt. Es handelt sich um folgende Firmen: eine Schiffswerft in Bremen, ein großes Kraftwerk in Mannheim, eine Ku­gellagerfabrik in Schweinfurt, eine Flug­zeugmotorenfabrik in München und eine unterirdische Fabrik bei Heidelberg, die Flugzeugteile herstellle. Die Auflösung der fünf Unternehmen ist ein Teil der alliierten Politik, die deutsche Industrie für Wiedergutmachungszwecke zur Ver­fügung zu stellen.

General Eisenhowers Befehl für die Entnazifizierung der deutschen Industrie trat in Kraft. Der Befehl, der durch Gesetz Nr. 8 bekanntgegeben wurde, verbietet Naziangehörigen, in der deut­schen Industrie oder im Geschäftsleben eine führende Stellung innezuhaben; sie können lediglich als Arbeiter beschäftigt werden. Ferner enthält der Befehl die Strafbestimmungen für Zuwiderhandelnde.

Nur vormittags Publikumsverkehr auf den Aemtern des Landrats

Bei der großen Zahl der Besucher, die jeden Tag auf den Geschäftszimmern des Landratsamtes und der ihm angeschlos­senen Behörden vorsprechen, ist es un­möglich, die laufenden Arbeiten ord­nungsmäßig zu erledigen. Es sind daher ab sofort die sämtlichen Kanzleien des Landratsamtes, der Kreispflege und der Kreissparkasse nur noch vormit­tags für den Publikums ver kehr geöffnet. Der Land rat.

Personenverkehr mit Kraftfahrzeugen

Im Auftrag der Militärregierung gebe ich bekannt:

Reisende, die mit Kraftfahrzeugen, ins­besondere auf Lastkraftwagen mitgenom­men werden wollen, fahren auf eigene Gefahr. Sie haben bei einem Unfall im Zusammenhang mit einer solchen Fahrt keinerlei Ersatzanspruch gegen den Kraftfahrzeughalter. Der Landrat.

Kreisstadt Calw

Verlust von Lebensmittelkarten

Die Fälle mehren sich, daß Lebensmit­telkarten als verloren gemeldet werden. Die angestellten Nachforschungen haben den Verdacht ergeben, daß die Lebens­mittelkarten beim Ansteheu vor den Le­bensmittelgeschäften gestohlen wurden. Da verloren gegangene Lebensmittelkar­ten nicht ersetzt werden, kommen die Be­stohlenen in eine sehr unangenehme Lage. Trotzdem ist es nicht möglich, Er­satz zu leisten. Wer die nötige Vorsicht bei der Verwahrung und Verwaltung der Lebensmittelkarten außer Acht läßt, hat die Folgen seiner Nachlässigkeit selbst zu tragen.

Ich mache die Bevölkerung hierauf auf­merksam und fordere sie zur gewissen­haften Verwahrung und Verwaltung ihrer Lebensmittelkarten auf.

Der Bürgermeister.

Xaubensperre

Zum Schutze der Herbstsaat vor Tau­benfraß sind die Tauben ab sofort bis 15. November 1945 so zu halten, daß sie die bestellten Felder und Gärten nicht auf­suchen können. Zuwiderhandlung wird bestraft. Diese Anordnung findet auf Brieftauben keine Anwendung.

Der Bürgermeister.