NACHRICHTENBLATT

DER MILITÄR-REGIERUNG FÜR DEN KREIS CALW

AVIS DU GOUVERNEMENT MILITAIRE, DU LANDRAT ET DE TOUTES LES AUTORITES DE LARRONDISSEMENT DE CALW

CALW 30. August 1945 , Nr. 14

Die Beschlüsse der Dreimächte-Konf erenz in Potsdam

Die vom 11. Juli bis 2. August in Pots­dam abgehaltene Konferenz der drei Groß­mächte, an der die Vereinigten Staaten von Präsident Truman, die Sowjet-Union von Generalissimus Stalin und Großbritannien zuerst von Ministerpräsident Churchill und später von Ministerpräsident Attlee vertreten waren, hat zu einer vollen Eini­gung über alle Fragen, die das Schicksal des deutschen Volkes betreffen, geführt. Auch über die Grundlagen der neuen Frie­densordnung in Europa ist volle Überein­stimmung erzielt worden.

Die wichtigsten Beschlüsse der Konferenz werden wie folgt zusammengefaßt:

Friedensverträge

Erstens: Zur Vorbereitung von Frie­densverträgen in Europa wird ein perma­nenter Rat der Außenminister der fünf Groß­mächte der Vereinigten Staaten, Groß-- britanruens, der Sowjetunion, Frankreichs und Chinas eingesetzt. Der Rat wird in London tagen und seine erste Zusammen­kunft vor dem 1. September abhalten. Die fünf Außenminister sollen Vorschläge für einen künftigen Friedensvertrag mit Deutsch­land ausarbeiten, der zur gegebenen Zeit einer deutschen Regierung zur Unterschrift vorgelegt werden wird. Dies wird ge­schehen, gobald eine zur Unterschrift be­fähigte deutsche Regierung gebildet werden kann. Als erste Aufgabe obliegt dem Rat der fünf Außenminister die Ausarbeitung eines Friedensvertrages mit Italien, Albanien, Bulgarien, Ungarn und Finnland. Diese Ver­träge sollen den Vereinten Nationen zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Außen­minister spllen Vorschläge zur Regelung von Gebietsfragen, die sich aus der Be­endigung der Feindseligkeiten in Europa ergeben, ausarbeiten.

Verwaltung Deutschlands

Zweitens: Über die politische und' wirtschaftliche Behandlung Deutschlands wurde gleichfalls Einigkeit erzielt. Es wurden über die Wiedergutmachungsleistungen, die Deutschland auferlegt werden, sowie über vorläufige Bestimmungen über die deutschen Ostgebiete Beschlüsse gefaßt Im einzelnen wird bestimmt:

A. Allgemeine Grundsätze über die Be­handlung Deutsthlands. Die Alliierten haben nicht die Absicht, das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven. Das deutsche Volk soll Gelegenheit erhalten, für den Wie­deraufbau seines Lebens auf demokratischer und friedlicher Grundlage zu arbeiten.

B. Politische Grundsätze. Die oberste Ge­walt in Deutschland wird von den Ober­befehlshabern der amerikanischen, briti­schen, russischen und französischen Be­satzungstruppen nach Weisungen ihrer Regierungen und ihren eigenen Satzungen, und in Fragen, die ganz Deutschland an- gehen, gemeinsam in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Kontrollrates ausgearbeitet werden. Soweit möglich, soll die deutsche Bevölkerung in ganz Deutschland gleich­mäßig behandelt werden.

C. Grundlegende Richtlinien für die Be­setzung Deutschlands sind: die völlige Ent­waffnung und Entmilitarisierung Deutsch­lands. Dazu gehört die völlige und endgültige Auflösung und Beseitigung aller deutschen Land-, See- und Luftstreitkräfte, der SS, der Gestapo sowie aller militärischen und verwandten Organisationen und Einrich­tungen.

o.D. Dem deutschen Volk muß klar und deutlich zum Bewußtsein gebracht werden, daß es eine totale militärische Niederlage erlitten hat und sich nicht der Verantwor­tung entziehen kann für sein Schicksal, das es selbst über sich gebracht hat. Die rück­sichtslose deutsche Kriegführung und der fanatische Widerstand des nationalsoziali­stischen Regimes haben das deutsche Wirt­schaftsleben zerstört und Chaos und Leiden unvermeidlich gemacht

E. Völlige Austilgung der Nationalsozia-

Verbände und Organisationen, Aufhebung aller nationalsozialistischen Gesetze über die Unterdrückung bestimmer Rassen, Glau­bensbekenntnisse und politischerMeinungen.

F. Strenge Verfolgung aller Kriegsver­brecher und Entfernung aller Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei, die mehr als nominelle Teilnehmer in der Partei tätig gewesen sind, aus Stellungen im öffentlichen Leben und wichtigen Posten in privaten Unternehmungen.

G. Reorganisierung des Gerichtswesens nach demokratischen Gesichtspunkten und auf der Grundlage der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung.

H. Eine zentrale deutsche Regierung wird vorderhand nicht eingesetzt werden. Es sollen mehrere lokale Verwaltungen unter der Leitung von Staatssekretären für ganz Deutschland eingerichtet werden, vor allem für Finanzen, Transport, Verkehrswesen, Wissenschaft und Industrie. Diese V^rwal- tungsabteilungen werden ihre Tätigkeit nach Weisungen des Obersten Kontrollrats aus­üben.

I. Erzeugung von Kriegsmaterial sowie

j/on Flugzeugen und Schiften für die Hoch­seeschiffahrt wird verboten- und verhindert werden. 7

J. Während der Zeit der Besetzung wird Deutschland als ein einheitliches wirtschaft­liches Ganzes behandelt. Dies gilt besonders für den Bergbau, die Industrieproduktion, die Landwirtschaft, die Lohn- und Preis­politik und die Lebensmittelzuteilung, Ein­fuhr und Ausfuhr, sowie für das Bankwesen, Steuern, Zölle, Wiedergutmachungsleistun­gen, Transport- und Verkehrswesen.

K. Die Überwachung des deutschenWirt- schaftslebens durch die Alliierten wird sich im Rahmen des unbedingt Notwendigen halten.

L. Dem deutschen Volk muß vor Augen geführt werden, daß es selbst die Verant-

und für einen etwaigen Zusammenbruch dieser Verwaltung verantwortlich ist.

Wiedergutmadiungsleistungen

Drittens: Die Wiedergutmachungs­leistungen.

A. Zur Befriedigung der russischen Wie­dergutmachungsforderungen werden Indu­strie- und Wirtschaftsanlagen in der russi­schen Besatzungszone herangezogen, die abmontiert und nach Rußland gebracht werden.

B. Die Ansprüche Polens werden aus dem russischen Anteil gedeckt. Außerdem erhält Rußland aus den westlichen Be­satzungszonen einen Prozentsatz von Indu­strieanlagen, die nicht für den Lebens­unterhalt des deutschen Volkes unbedingt notwendig sind.

C. Die Vereinigten Staaten, Großbritan­nien und andere Länder, die Ansprüche auf deutsche Wiedergutmachungsleistungen ha­ben, werden aus Aktiven der westlichen Besatzungszonen und aus deutschen Aus­landsguthaben gedeckt.

Bestimmungen über Gebietsfragen

Viertens: Die Bestimmungen über Ge­bietsfragen. Die endgültige Festlegung der deutschen Grenzen bleibt der Friedenskon­ferenz Vorbehalten. Aber die Dreimächte- Konferenz hat volle Einigung erzielt über die Vorschläge, die über die Abtretung deut­scher Ostgebiete vorgelegt werden sollen.

A. Ein russischer Vorschlag, daß Königs­berg und angrenzende Gebiete an die Sowjetunion abgetreten werden sollen, hat die grundsätzliche Zustimmung des ameri­kanischen Präsidenten und des britischen Premierministers erhalten, die diesen Vor­schlag. auf der Friedenskonferenz unter­stützen werden.

B. Auch die Festlegung der polnischen Westgrenzen wird erst auf der Friedenskon­ferenz endgültig geregelt werden. Bis zu die­ser Regelung übernimmt Polen selbständig die Verwaltung der früheren deutschen Ge-

wortung für seine eigene Verwaltung trägt

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Der Gouverneur sprach zu den Industriellen *

Auf Anregung von Commandaitf Fr6not ein Industrieausschuß für den Kreis Calw gebildet

jlistischen Partei und ihrer angegliederten i len geprüft werden.

Auf einer vom Landrat nach Calw ein- berufenen Tagung der Industriellen des Kreises nahm der Gouverneur der fran­zösischen Militärregierung, Commandant Frenot, Einblick in die Zusammensetzung und Beschäftigung der Industriebetriebe und ließ sich die einer befriedigenden. Wieder­ingangsetzung entgegenstehenden Nöte wie die Möglichkeiten zu deren Behebung vor­tragen. In einer Ansprache sagte der Gou­verneur den Betriebsinhabern und -leitern sein Wohlwollen wie seine volle Unter­stützung in allen der Förderung des Wirt­schaftslebens dienenden Fragen zu, forderte sie auf, in sozialer Hinsicht in gleicher Weise wie seither weiterzuarbeiten und für die Beschäftigung der Arbeitnehmer zu sor-' gen. Für Industriefragen hat die französische Militärregierung eine eigene Sektion in Baden-Baden eingerichtet; der Verkehr mit dieser läuft über das Militärgouverrfement Calw,' das auch politische Ueberwachungs- behörde der Wirtschaft bzw. ihrer Männer ist. Eine kurze Aussprache ergab, daß in der Hauptsache der Mangel an Kohle, Ver­arbeitungsmaterialien und Transportmitteln die Wiederaufnahme der Arbeit hemmt. Der Gouverneur konnte u. a. die erfreuliche Mit­teilung machen, daß zurzeit mit Unterstüt­zung der französischen Militärregierung die Kriegsschäden an der Nagoldbahn beseitigt würden und ab Dezember mit einer regel­mäßigen Anlieferung von Saarkohle gerech­net werden dürfe, die allerdings in erster Linie die Gaswerke und andere lebens­wichtige Betriebe erhalten müßten. Wert­volle Aufschlüsse wurden ferner über die Zulässigkeit von Kompensationsgeschäften, das Transportproblem, die Verrechnung von Forderungen aus Lieferungen an die Be­satzungsarmee u. a. m. gegeben. Vorliegende Pläne zur Einführung neuer Spezialindu­strien (Holzwohnbau und Spielwaren) sol-

Anschließend wurde auf Anregung' des Herrn Gouverneurs in einer Besprechung des Landrats mit. den Industriellen ein die meisten Fachgruppen der Industrie um­fassender Ausschuss gebildet, der in enger Zusammenarbeit mit Landrat Dr. Haegele dem Gouverneur regelmäßig die Ange­legenheiten der Industrie unterbreiten wird. Dem Ausschuß gehören an als Vertreter der Holzindustrie: die Herren Metzger in Fa. Krauth & Co., Höfen, Wilhelm Theurer, Nagold; Wackenhut, Altensteig; der Tex­tilindustrie: die Herren E. Wagner, Calw und Gauß in Fa. Schwarzwälder Tuch­fabrik, Rohrdorf; der Metallindustrie: die Herren Rentschler in Fa. Gauthier, Calm­bach ; H. Perrot, Calw und Hummel, Engels­brand; der Lederindustrie: Gerbereibes. Gackle, Neuenbürg und der chemischen Industrie: Seifenfabrikant Harr, Nagold.

Bis zur Aufnahme der Arbeit der Handels­kammern und Berufsgruppenvertretungen wurde eine kreismäßige Zusammenfassung der Industrie und die Uebernahme treu­händerischer Aufgaben durch den-Landrat als zweckmäßig anerkannt. Kohle- und Holz- bedarfsmeldungen, T ransportfragen, Kriegs­schädenersatz, Forderungen an das Reich und andere aktuelle Fragen standen hn Mittelpunkt einer weiteren anregenden Aus­sprache des Landrates mit den Industriellen.

Baden-Baden Hauptquartier der fran­zösischen Besatzungsbehörden

Zum Hauptquartier der französischen- Be­satzungbehörden in Deutschland ist Baden-Baden bestimmt worden. Den Oberbefehl über alle fran­zösischen Besatzungstruppen übernimmt General Joseph König. Seine Stellvertreter sind General Koeltz, der Frankreich bei derViermächte-Kom- mandantur in Berlin vertreten wird, und General de Montsabert, dem die unmittelbare Befehls­gewalt über die französischen Besatzungstruppen in Deutschland übertragen worden ist.

biete ostwärts einer Demarkationslinie, die folgendermaßen verläuft: Von der Ostsee- küste unmittelbar westlich Swinemünde ent­lang der Oder bis zur Mündung der west­lichen Neiße und dann entlang der west­lichen Neiße bis zur tschechoslowakischen Grenze, einschließlich des Teils von Ost­preußen, der nicht unfer sowjetische Ver­waltung gestellt wird und einschließlich des Gebiets der früheren Freien Stadt Danzig.

Minderheiten

Fünftens: Minderheiten, Rückführung der Minderheiten aus Polen, der Tschecho­slowakei und Ungarn: Die Konferenz hat be­schlossen, daß die deutschen Minderheiten in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn wenigstens zum Teil nach Deutschland zu­rückgeführt werden müssen und daß jeder Bevölkerungsschub dieser Art in geordneter und menschlicher Weise vor sich gehen soll. Der alliierte Kontrollrat für Deutschland wird vorerst zu untersuchen haben, unter welchen Umständen eine solche Rückführung erfol­gen kann.

Sechstens: In der österreichischen Frage hat die Konferenz einen russischen Vor­schlag überprüft, die Zuständigkeit der pro­visorischen österreichischen Regierung, in der russischen Zone auf das ganze Land auszudehnen. Die drei Regierungen haben sich bereit erklärt, diese Frage nach dem Einmarsch der amerikanischen und briti­schen Besatzungskontingente in Wien zu überprüfen.

Weitere Beschlüsse der Dreimächte-Kon- ferenz regelten im einzelnen die Vorberei­tung der Friedensverträge mit Italien, Finn­land, Ungarn, Rumänien und Bulgarien und die Aufnahme.der Mitglieder in den Friedens­bund der Vereinten Nationen. Die drei Re­gierungschefs haben sich gegen eine Zulas­sung der gegenwärtigen spanischen Regie­rung ausgesprochen.

Ungültige Passierscheinformulare

Auf Weisung des Militär-Gouvernement Calw gebe ich bekannt:

Die alten Passierscheinformulare ohne dreifarbigen Streifen (blau-weiß-rot)' sind ab 10. September 1945 ungültig. Alte Formulare, deren Gültigkeitsdauer über den 10. September hinaus läutt, sind daher umzutauschen. Diese Anordnung bezieht sich nur #uf die vom Gouvernement Militaire Calw aua- gestellten Passierscheine und nicht auf die vom Gouvernement Militaire Regional oder anderen Gouvernements Militaires ausgestellten Ausweise.

Der Landrat.

Beförderung von Dienstbriefen innerhalb der Kreise

Die Postämter nehmen ab sofort Dienstbriefe zur Beförderung innerhalb der Kreise an, die Sendungen zugelassen sind unverschlossene Briefe vqri Behörden an Behörden (nicht an private Empfänger!) dürfen das Höchstgewicht von 250 g nicht überschritten und sind am Postschalter gegen sofortige Entrichtung der Beförderungsge­bühr aufzuliefern. Die Briefe müssen mit dem Dienststempel der absendenden Behörde versehen sein; Anschrift und Absender sind mit der Schreib­maschine oder in lateinischen Buchstaben (Block- schrif.) zu schreiben.

Das Postamt Calw nimmt Dienstag und Donnerstag von 1718 Uhr und Samstag »von 11.3012.30 Uhr Sendungen von Behör­den an. Montag, Mittwodi und Freitag sind Beförderungstage; an ihnen bleiben die Briefannahmesmalter geschlossen.

Zollamt Calw

Bekanntmachung über die Anmeldung und Versteuerung von Kleinpllanzentabak

1. Wer höchstens 25 Tabakpflanzen für den eigenen Hausbedarf anbaut, hat steuer-

' lieh keine Verpflichtungen. Er braucht die Pflan­zen weder anzumelden noch zu versteuern.

2. Wer 26 bis höchstens 200 Tabakpflanzen für den eigenen Hausbedarf anbaut, hat dies spätestens bis zum 15. September 1945 schriftlich beim. Zollamt anzumelden.

Diese Anmeldung kann auch bei dem zu- ständigenBürgermeisteramt zwecks Weiterleitung an das Zollamt abgegeben werden.

Die Tabaksteuer beträgt für 26100 Pflanzen 4 RM.

. 101200 . 8 , Die Steuer ist mit Abgabe der Anmeldung zu zahlt n, entweder in bar bei der Zollkasse Calw oder auf das Konto-406 bei der Kreissparkasse Calw.

Zollamt Calw.