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Nr. 300

Verlag der Schwarzwald-Wacht E. m. d. H. Calw. Ber-uiiwottllche S-vrifNeiiung: Friedrich Han« Sedeelr, für den Anzeige»»»: Georg Wurster. Krelsletrer. GesLäsrsstell» lkalw (Alte« Postamt«. Sernfprerder ÄI. Schluß »er Anzeigenannahme 0 Uhr vormittag«. Druck: A. OelichlLger'sche Buchdrnckeret Calw.

Samstag, 23. Dezember 1933

Bezugspreis: Monatlich RM. I.5tt durch Träger. Bei Postdezug zuzüg­lich Zustellgebühr. Anzeigeupret«: Di« kleinspalttge mm-Zeile d Pfa.. Retlamezcilr Lv Pfg. Bcl Wiederholung Nachlaß. Erfüllungsort für beide Teile Calw. Für richtig« Wiedergabe von durch Hernspruch »ufgenommeneo Anzeigen wird «eine Gewähr übernommen.

1. Jahrgang

Englisch-französischer Meinungsaustausch

Das Ergebnis der Pariser Besprechungen Simons: Autorität des Völker­bunds wird ausrecht erhallen Frankreich will keine Verständigung

Paris, 23. Dez. Der englische Außenminister Sir John Simon begab sich gestern vormittag zum Quai d'Orsay, wo sofort eine Aussprache mit dem französischen Außenmi­nister Paul-Boncour begann. An dieser Aussprache hat sich im späteren Verlauf auch Ministerpräsident Chau­te mp s beteiligt. Zu Mittag hat Außenminister Paul-Bon- cour zu Ehren des englischen Außenministers Sir John Simon ein Essen veranstaltet, an dem u. a. der englische Botschafter in Paris, Lord Tyrrell, der Generalsekretär des Völkerbundes, Avenol, Ministerpräsident Chautemps, Ma- rtneminlster Sarraut und Luftsahrtminister Cot teilnahmen.

Ueber den französisch-englischen Meinungsaustausch ist folgendes offizielles Kommunique veröffentlicht worden: Sir John Simon, der nach Capri reist, um dort die Weihnachts­tage zu verbringen, hat seinen Aufenthalt in Paris dazu benutzt, dem Ministerpräsidenten und dem Außenminister einen Besuch abzustatten, mit denen er in Gesellschaft ver­schiedener Mitglieder des französischen Kabinetts gefrüh- stückt hat. Die englischen und französischen Minister haben einen eingehenden freundschaftlichen Meinungs­austausch Wer die aktuellen internationalen Fragen ge­pflogen. Sie haben insbesondere die Verständigungsaussich­ten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Arbeiten der Abrüstungskonferenz geprüft und anerkannt, daß es von Wichtigkeit wäre, die Autorität des Völkerbundes intakt zu halfen."

Ueber die Besprechungen zwischen Sir John Simon mit den französischen Ministern verlautet in gut unterrichteten Kreisen, daß der Meinungsaustausch am Vormittag nur all­gemeinen Charakter trug und sich dann im Lause des Nach­mittags um drei festumrisfene Punkte gedreht hat:

1. Die deutschen Nüstungssorderungen.

2. Das deutsche Angebot auf Abschluß eines.Nichtangriffs­paktes.

8. Die Reform des Völkerbundes.

Man betont, daß die Saarfrage vorläufig beiseite gelassen wurde. Die englisch-französische Aussprache scheint noch keine Klärung der Fronten gebracht zu haben. In französischen politischen Kreisen bemüht man sich, den Hin­

weis des amtlichen Kommuniques über die Autorität des Völkerbundes dahin auszulcgen, daß die endgültige Entscheidung über die durch die zweiseitigen Verhand­lungen vorbereitete Lösung in Genf getroffen werden müßte. Außerdem verstärkt sich in politischen Kreisen die Abneigung gegen den Abschluß eines französisch-deutschen Nichtangriffspaktes.

Drei interessante Fragen

Journal des Debats" will über Einzelheiten des Ge­dankenaustausches zwischen Berlin und Paris besonders gut unterrichtet sein. Wie der Berliner Korrespondent des Blattes erfahren haben will, soll im Laufe dieser Fühlung­nahme an Frankreich eine Reihe von Fragen gerichtet wor­den sein, die feststellen sollen, wie es sich mit den Abrüstungs- absichten auf französischer Seite verhält. Der Korrespondent zählt folgende drei Fragen auf:

1. Z« welchem Zeitpunkt gedenkt Frankreich mit seiner

Abrüstung zu beginnen?

2. Aus welche bestimmte Punkte wird sich diese Abrüstung

erstrecke«?

3. Wie wird sich diese Abrüstung ziffernmäßig ausdrücken?

Gleichgültig, ob die Informationen des Journal des

Debats" authentisch sind oder nicht, aus alle Fälle ist das Thema, das damit angeschnitten wird, an sich interessant. Der Abrüstung könnte gewiß nichts förderlicher sein, als wenn Frankreich sich entschließen würde, auf diese drei Fragen, die nun einmal in die politische Diskussion der Weltöffentlichkeit geivorfen worden sind, eine Antwort zu erteilen. Nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt wird eine derartige Antwort gewiß mit dem brennendsten Interesse vernehmen. Die Abrüstungskonferenz ist sa schließ­lich mit dem Ziel begannen worden, die Abrüstung d^r-, icnigen Staaten hcrbeizuführen, die am meisten in Waffen starren. Gciviß wäre cs interessant, aus einem Land wie Frankreich, bas man zu den hochgerüsteten Staaten rechnen darf, ohne ihm damit Unrecht zu tun, zu hören, welche prak­tischen Abrttstungsmaßnahmen es nun eigentlich durchzufüh­ren bereit ist.

Tages-Spiegel

In Paris fand gestern ein Meinungsaustausch -wische« dem englischen und dem sranzösische« Außenminister statt. Man einigte sich, die Autorität -cs Völkerbundes aujrecht zu e» halte«.

Der Stellvertreter des Führers der NSDAP, Neichsminister Rudolf Heß, spricht morgen 21 Uhr über alle deutsche« Sen­der zu den Ausländsdeutschen.

Zwischen dem preußischen Ministerpräsidenten Goering und dem Neichsminister Dr. Goebbels fand eine mehrstündige Besprechung über Fragen der deutschen Kulturpolitik statt.

Dr. Goebbels bezeichnet die Behauptung ausländischer Blät­ter, das Urteil im Reichstagsbrandstisterprozeß habe dem Reichskanzler, Ministerpräsident Goering und ihm selbst bereits zur Stellungnahme Vorgelegen, als eine schmutzige Lüge.

Der infolge des Wahlkampfes verschobene erste Reichs- baucrntag findet, wie vcn zuständiger Stelle mitgeteilt wird, nunmehr endgültig vom IS. bis 21. Januar 1934 in Weimar statt.

Der deutsche Generalkonsul in Danzig ist zum Sachwalter der deutschen Regierung bei dem deutsch-pvlnisch-Dauzi- ger Schiedsgericht für den Durchgangsverkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland bestellt worden.

Wegen gemeinschaftlichen Totschlags werden sich demnächst der jüdische Maler Sally Epstein und der Schisser Stoll, die au der feige» Ermordung Horst WesselS beteiligt waren, zu verantworten haken.

Die belgische Kammer genehmigte mit 88 gegen SV Stim­men bei 6 Enthaltungen die Kredite für die Grenzver­teidigung in Höhe von 739 Millionen Franken.

Der schlesische Sejm hat die Verschiebung der ostoberschle- fischen Gemeiudewahlen um zwei Jahre genehmigt.

Präsident Roosevelt hat das Londoner Silberabkommen rati­fiziert. Damit geht Amerika teilweise zur Silberwährnng über, um eine Festigung der Währung, eine Steigerung der Preise und einen Schutz für de« Außenhandel zu er­ziele«.

Ein belgisches Verkehrsflugzeug Sberschlug sich bei der Lan­dung auf dem Dortmunder Flugplatz. Der belgische Füh­rer des Flugzeugs wnrde getötet, der belgische Bordfunker schwer verletzt.

Der deutsche Frauenarbeitsdienst

Saar-Denkschrift an den Völkerbund

Beschwerden über den Präsidenten der Saar-Regierung

Saarbrücken, 23. Dez. Die 19 Abgeordneten des saar­ländischen Landesrats, die in der Deutschen Front zusam­mengeschlossen sind, haben an den Völterbundsrat eine Denkschrift über den unerträglichen Terror der Regierungskommisston und deren Präsidenten ge­richtet, die ein eindrucksvolles Bild der Not der deutschen Saarbevölkerung enthüllt.

Ausgehend davon, daß der Vierteljahresbcricht der Re­gierungskommission die politischen Verhältnisse unrichtig darstcllt, schildert die Denkschrift die Maßnahmen der Nc- gicrungskommission gegen jene Bevölkerungsteile, die sich zur Neichsregierung bekennen und die Begünstigung der Gegner. Die ständige Aufreizung und Herausforderung der überwältigenden Mehrheit der Saarbcvölkcrung durch die marxistische Presse wird von der Ncgicrungskommission ge­flissentlich übergangen. Der Präsident verbietet jede natio­nalsozialistische Kundgebung und macht damit dem weit­aus größten Teil der Saarbcvölkcrung jede politische Mei­nungsäußerung unmöglich, während die Sozialdemo­kraten ungehemmte Redefreiheit haben. Die Emigranten können unter Duldung öeS Präsidenten ihr Asylrccht in jeder Weise mißbrauchen dazu stellt sie der Präsident noch in seinen politischen Ncberwachnngs- und Geheimdienst ein. Französischen Einflüssen ist der Präsi­dent in einer Weise gefügig, daß man bereits von schweren Verletzungen seiner Amtspflichten sprechen kann.

Weiter wird in der Denkschrift gegen die vom 8. bis 28. November d. I. ergangenen sieben Verordnungen des Prä­sidenten Knox in aller Form Einspruch erhoben. Abschließend betont sie die Beunruhigung, die durch diese Handhabung der Berwaltungsgeschäste seitens des Präsidenten in die Be­völkerung getragen wird, insbesondere aber durch Aenße- rungen des Präsidenten über die Frage der Hereinrusung militärischer Kräfte in das Saargebict. Es ist ein unmög­licher Gedanke, daß eine Völkerbundsregierung auch nur er­wägen könnte, die Volksabstimmung unter den Bajonetten einer interessierten Macht stattfindcn zu lassen.

Auch die saarländische Handelskammer nimmt in einer an den Völkerbund gerichteten Denkschrift gegen die bekannte Handelskammerverordnung der Regierungskom^ wisflon Stellung, die den Bestimmungen des Versailler Ver­

trages widerspricht und deren Aufhebung als juristisch und sachlich unbegründet gefordert wird.

Lügen um das Leipziger Arteil

Eine scharfe Erklärung Reichsminister Dr. Goebbels

Berlin, 23. Dez. Das Bevorstehen der Urteilsver­kündigung im Prozeß gegen die Reichstagsbrandstifter wird in einer gewissen ausländischen Presse zu einer schamlosen Lügenhetzc zum Anlaß genommen. Um den Bcrufslügnern das Maul zu stopfen, hat Reichspropagandaminister Dr. Goebbels folgende Erklärung veröffentlicht:

In der englischen und dänischen Presse wird die Nach­richt veröffentlicht, das Reichsgericht habe bereits das Ur­teil im Brandstifter-Prozeß gefällt und dieses Urteil dem Reichskanzler, dem Ministerpräsidenten Göring und dem Neichsminister Dr. Goebbels vorher zur Stellungnahme übermittelt. Diese Nachricht ist eine schmutzige Lüge, die sich in den Augen aller anständig gesinnten Menschen von selbst richtet."

Das Arieil

Leipzig» 23. Dez. sEigener Drahtbericht) Im Neichs- tagsbrandsiisterprozcß verkündete Reichsgerichtspräsident Dr. Bünger »m 9.19 Uhr das Urteil:

Der Angeklagte Torgler und die Bulgaren Dimitross» Poposs und Taness werden freigesprochcn.

Der Angeklagte van -er^nbbe wird wegen Hochverrats in Tateinheit mit verbrecherischer Vraudstistung zum Tode unter dauernder Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

S Jahre Zuchthaus sür den Zeugen Sönke wegen Meineides

Das Berliner Schwurgericht hat Freitag gegen den Fei­lenhauer Rudolf Sönke, der als Zeuge im Prozeß gegen die Reichstagsbrandstifter upter Eid falsch ausgesagt hatte, - er kein Kommunist gewesen sei, daß er Taneff in Ru­mänien kennengelernt hätte und daß er den Koffer Taneffs nicht vom Bahnhof abgeholt hätte, auf drei Jahre Zucht­haus, 19 Jahre Ehrverlust und dauernde Eidcsunfähigkeit erkannt. Der Angeklagte hatte sich damit verantwortet, daß er furchtbar aufgeregt gewesen sei.

von der Reichsanstalt für Arbeitsloscnvermittlnng übernommen

TU. Berlin, 23. Dez. Nach einem Erlaß des Neichs- arbeitsministcrs, der im Einvernehmen mit dem Reichs« sinanzminister und dem Neichsminister des Innern ergan­gen ist, übernimmt die Reichs anstatt für Arbeitsloscn- vermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 1. Januar 1934 ab die Finanzierung und Verwaltung des deutschen Frauenarbcitsdienstcs. Die Aufgaben des Tienstträgers im deutschen Frauenarbeitsdienst verbleiben dem Neichsver- band deutscher Arbeitsdicnstvereine e. V. Zur technischen Durchführung hat der Präsident der Rcichsanstalt ln diesen Tagen bereits besondere Richtlinien für den Uebergang des deutschen Frauenarbeitsdicnstes aus die Rcichsanstalt erlassen. Ebenso hat die Reichslcitung des Arbeitsdienstes Grundsätze für den Aufbau des Frauenarbeitsdicnstes be- kanntgcgeben.

8VVVVV neue Hitlerjungen

Reibungslose Eingliederung des evang. Jugendwerkes

Berlin, 23. Dez. In der evang. Jugend hat die Ein­gliederung in die Hitlerjugend große Begeisterung ausgelöst. Die organisatorische Durchführung der Eingliederung ist be­reits reibungslos im Gange und dürfte in etwa zwei Mo­naten erledigt sein. Man rechnet, daß etwa 7899 990 Mit­glieder des evang. Jugendwerkes der Hitlerjugend zugesührt werden können.

Nochmals Horst Wessel-Mörder vor Gericht

Berlin, 23. Dez. Der Prozeß wegen der hinterlistigen Ermordung des nationalsozialistischen Vorkämpfers Horst Wessel wird in nächster Zeit teilweise noch einmal vor dem Landgericht Berlin aufgcrollt werden. Bekanntlich wurden seinerzeit gegen die Haupttäter außerordentlich niedrige Zuchthausstrafen bzw. Gefängnisstrafen verhängt. Durch die unermüdliche Ermittlungsarbeit der Strafvollstreckungsbe­hörden ist cs nunmehr gelungen, den 26jährigen jüdischen Maler Sally Epstein und den 31 Jahre alten Schisser Peter Stoll zu verhaften. Nach Abschluß der zurzeit noch schwebenden Vorverhandlung wird die Staatsanwaltschaft gegen beide Anklage wegen gemeinschaftlichen Totschlages erheben.

Stoll und Epstein hatten die Aufgabe, den fünf kommu­nistischen Verbrechern» die Horst Wessel in seinem möblierte« Zimmer übersielen, den Fluchtweg freizuhalten.