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Rr. 208
Montag, den 7. September 1935.
Lezugepreler
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SS. Jahrgang
Bor -er AutzenministerLonferenz.
Abschluß der Iuristerrkorrfererrz.
Abfaffung eines Schlußprotokolls.
Paris, 7. Sept. Die juristischen Sachverständige« in London haben am Samstag vormittag noch eine Schlußsitzung abgehalten und sind nachmittags aus London abgereist, Dr. Gauß nach Berlin, der Belgier Rollin nach Genf, und Fromageot nach Paris. In der Samstagsitzung wmde ein Schlußprotokoll aufgesetzt.
In Erwartung der Sachverständigenbcrichtc.
Nach einer Genfer Havasmeldung erwarten die alliierten Außenminister, daß die Berichte der juristischen Sachverständigen am Montag oder Dienstag in Genf eintreffen werden. Lord Cecil Hurst will selbst nach Genf kommen, möglicherweise auch der französische Delegierte Fromageot. Gestern abend konferierten auch Briand, Vandervelde und der italienische Vertreter Scialoja darüber, was nunmehr nach dem Abschluß der Juristenbesprechung von London geschehen soll. Man hält es für das Beste, daß eine eigentliche Konferenz einberufen werden soll, die die Vorschläge der in London versammelt gewesenen Juristen überprüfen soll. Zu dieser Konferenz soll Dr. Stresemann eingeladen werden. Man glaubt, daß die Konferenz bereits demnächst wird stattfinden können. Allerdings könne, wie verlautet, ein Zeitpunkt hiefür nicht festgelegt werden. Genf komme als Konferenzort keinesfalls in Frage.
Die Einladung an Stresemann beschlossen?
TU. Genf, 6. Sept. Wie die schweizerische Depeschenagentur meldet, wurde gestern abend in der Konferenz, an der Pain- leve, Briand, Chamberlain und Vandervelde teilnahmen, grundsätzlich beschlossen, mi tdcm deutschen Außenminister Stresemann eine persönliche Besprechung abzuhalten. Zeitpunkt und Ort der Zusammenkunft sind noch nicht bestimmt.
Unzufriedenheit in Paris.
Paris, . Sept. Obwohl über den Verlauf und das Ergebnis der Londoner Ministerbcsprechungen keine offiziellen Mitteilungen vorlie- gcn und solche der Oeffentlichkeit auch nicht bekannt gegeben werden dürfen, glaubt man in Paris besonders unzufrieden sein zu müssen, weil man den Eindruck hat, daß England von den Zugeständnissen, die Chamberlain Briand gemacht hatte, abgegangen wäre und vor allem deshalb,
weil sich der belgische und italienische Vertreter in wichtigen Punkten den Anschauungen des deutschen Delegierten Dr. Gaus angeschloffen
hätte».
Der „Temps" fordert Aufklärung über die Situation, damit die Mißverständnisse, vor Lenen man zu stehen scheine, zerstreut würden und die Oeffentlichkeit genau wisse, welche Meinung die verschiedenen Regierungen in der Paktfrage einnähmen. Dabei beschuldigt der „Temps" die deutsche Regierung, daß sie die Meinungsverschiedenheiten zwischen Paris und London ausbeuten wolle. Cs sei besonders unzulässig (?), den Völkerbund zur Entscheidung über alle wichtigen Fragen zu bewegen, schon deshalb, weil der Völkerbund nicht rasch genug arbeite und kein Milfel in der Hand Hab«, um seine Beschlüsse zur Durchführung zu bringen. Der „Temps" erklärt, daß keine Rede davon sein könne, daß Frankreich von jeder selbstständigen Aktion in der entmilitarisierten Rheinlandzone und von der Garantie der SchiedSgerichtSverträg« zwischen Deutschland, Polen und der Tschechoslowakei abgehalten «erd«. Vollkommen unverständlich wäre «S aber, wenn Belgien bei einer Verletzung der Rheinlandzone den Völkerbund anrufen lassen wollte, denn dadurch würde jede wirksame Hilfe, die Be.gien bei einem Angriff auf dieses selbst gebracht würde, verzögert werden. Auch Italiens Haltung sei unerklärlich, daß es von den anderen Mächten fordere, daß diese sich ständig den Entscheidungen des Völkerbundes unterwerfen sollen. Endlich erklärt der „Temps", daß man in Berlin (?) zur Zeit wenig Eile bekunde, die Konferenz der Außenminister zusammenlreten zu lassen, obwohl Deutschland früher dringend eine Konferenz gefordert habe, um mit den Alliierten wegen des Paktes zu verhandeln.
Polnische Rüstungen.
Keine Herabsetzung des polnischen Militärbudget.
TU. Warschau, 7. Sept. Zu der Nachricht über eine Herabsetzung der militärischen Ausgaben wirb halbamtlich mitgeteilt: Nach eingehender Prüfung dieser Frage und nach Beratung mit dem Präsidenten der Republik mutzte das Krisgsminift--- rium feststellen, datz eine Herabsetzung aus politischen Gründen unmöglich ist, hauptsächlich wegen des Verhältnisses zu Deutschland. Die Bestellungen im Auslande sind sehr unbedeutend und belasten daher das Budget nicht sehr stark.
Polnische Luftrüstungen.
TU. Warschau, 7. Sept. Heute beginnt in ganz Polen die Woche der Kriegslustverteidigung. Es find bereits große Beträge gezeichnet worden. Die Presse veröffentlicht große Aufrufe an die Bevölkerung, in denen auf die Kriegsrüstungen Rußlands hingewiesen wird.
Preissenkung
Ein Interview
mit dem Reichsfinanzminister.
(TU.) Berlin, 7. Sept. In einem Interview, das der RrichS- finanzminister v. Schrieben einem Vertreter der „Schlesischen Zeitung" in Breslau gewährte, äußerte er sich zu der Frage, ob der gegenwärtige hohe Preisstand in Deutschland nicht auf die Gestaltung der Steuern zurückzuführcn sei, unter anderem wie folgt: „Die ReichS- regicrung ist diesen Behauptungen schon zu wiederholten Malen mit Nachdruck entgegengetreten. Bei der Einkommensteuer sind die Sähe erheblich ermäßigt. Bei der Lohnsteuer ist der monatlich steuerfrei bleibende Betrag von 60 auf 80 Rentenmark erhöht worden. Außerdem find für die kinderreichen Familien weitgehende Erleichterungen vorgesehen. Die Körperschaftssteuer beträgt jetzt einheitlich 20 Prozent, während bisher vom auSgejchütteten Gewinn noch eine Zusatzstruer von 15 Prozent erhoben wurde. Die KapitalcrtragSstcuer ist aufgehoben wer- den. Die Vermögenssteuer beträgt für die nächste Zeit allgemein 5. v. Tausend und die VermögenSzuwachSsteuer ist bis zum Zl. Dezember 1927 außer Krast gesetzt. Schließlich weise ich auf die bedeutende Senkung der Umsatzsteuer hin, die vom l. Oktober 1925 ab nur noch l Prozent betragen wird. Die Luxussteuer wird vom l. Oktober ab nur noch 7,5 Prozent betragen. Wie unter solchen Umständen von einer Erhöhung der Steuer aus Vermögen und Einkommen oder gar von neuen Steuern gesprochen werden kann, ist mir unerklärlich. Auch die Behauptung, daß alle diese Steuern sich jetzt noch garnicht auSwirk- ten und zu spät kämen, und daß der Wirtschaft im Rahmen von Vor- »urzahlungen Beträge entnommen würden, die sie endgültig garnicht zu zahlen hätte, wurde von dem Minister als unzutreffend bezeichnet.
Im Zusammenhang mit der vielfach besprochenen Tatsache, daß die Reichssteuern in den ersten vier Monaten des Jahres 1925 erheblich höhere Einnahmen gebracht hätten, als urspürnglich angenommen, teilte der Minister folgendes mit: „Es ist richtig, daß die Einkommensteuer in den vergangenen 4 Monaten des Rechnungsjahres 1925 mehr erbracht hat als sie nach den Eiatsätzcn, auf das Jahr umgerechnet, erbringen sollte. Diese tatsächlichen Eingänge beruhe» aber bis zum Juni größtenteils auf den früheren Vorschiftcn, insbesondere auf der 2. Steuernotverordnung. Diese Ziffern find aber heute nicht mehr maßgebend, denn seit dem Juni sind bei der Einkommensteuer ausschließlich die neuen Vorschriften maßgebend. Eine gewisse Wirkung läßt sich sogar
UN- Steuern.
schon bei den Julieinnahmen ersehen. Die KörperschastSsteuer hat bisher monatlich je zwischen 26 und 28 Millionen erbracht. Im Juli waren von den Einnahmen hoher Monate (Mai und Juni) Vorauszahlungen zu leisten, weil die Vorauszahlung für den 10. Juni schon fortgefallen war und doch hat die KörperschastSsteuer für den Juli, also für 2 Monate, nur Z0 Millionen erbracht. Sie sehen also schon einrn erheblichen Rückgang. Das richtig« Bild wird sich aber erst vom I. Ok« «ober ab zeige«. Bei der Umsatzsteuer tritt bi« Ermäßigung erst vom l. Oktober in Kraft, und zwar, wie bekannt, um einen halben Prozent.
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Echtesten in Not.
TU. BreSlau, 7. September. Auf eine Einladung des OLer- präsidenten der Provinz Niederschlesien hatten sich heute vormittag Vertreter der interessierten Kreise zusammengefunden zu einer Aussprache über die wirtschaftlichen und kulturellen Nöte, unter denen die Provinz Niederschlesien infolge des Friedens von Versailles und der mit ihm zusammenhängenden Gediets- abtrennungen ganz besonders zu leiden hat. An der Sitzung nahmen Mitglieder des Staatsrates, ferner die Regierungsprissidenten eine große Anzahl von Landräten, l^r Präsident der Breslauer Handelskammer usw. teil. Die mehrstündige Aussprache ergab ein außerordentlich trübes Kild, namentlich auf den Gebieten des Handels und der Industrie, des Verkehrswesens und des Wohnungswesens, unter dessen Mängeln ganz besonders die zahlreichen Flüchtlinge aus Polen und Oberschlesien, neuerdings auch die Optantenfamilien zu leiden haben. Angeregt wurde einen interfraktionellen Ausschuß zu bilden, der die niederschlesischen Wünsche entgegennehmen soll.
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Reichsschulgesetz und Länder.
Gegen die Durchpettschung des Gesetzes. .
TU. Karlsruhe» 7. Sept. Die „Voss. Ztg." meldet: Die llnterrichtsverwaltungen Hessen. Baden, Hamburg und Olden- kmrg haben bei dem Reichsministerium des Innern entschieden Widerspruch dagegen erhoben, daß der Reichsschulgesetzentwurf, der jetzt den Ländern zugegangen ist, nach der Absicht des Reichsministeriums des Innern bereits am 12. September in einer Konferenz der Länderregierungen behairdelt werden soll. Die Genannten wünschen dringend, daß die Konferenz nicht vor Mitte Oktober stattfindc, da der Entwurf bei seiner unabsehbaren Tragweite für die Schulverhältnisse der betreffenden Länder einer genauen Prüfung durch die Unterrichtsverwaltungen der Länder bedürfe.
Tages-Spiege'.
Die Alliierten planen die Einberufung einer Außenminister konferenz unter deutscher Teilnahme zur Ueberprüfung des Paktentwurfs der Juristenkouferenz.
Präsident Coolidge erklärte, er hoffe noch immer eine Abrüstungskonferenz einberufen zu können. Lediglich die Verzögerung im Zustandekommen des europäischen Sicherheitspaktes habe die Einberufung der Konferenz für diesen Herbst verhindert.
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Die Manöver der englischen Rheinarmee finden vom 20, September bis 1 .Oktober in der Gegend von Blatzheim-Düren- Eschweiler statt. ^
Die Meldungen der ostdeutschen Presse, nach denen durch polnisches Militär deutsche Grenzverletzungen fiattgefunde« haben sollen, werden durch die amtliche polnische Telegraphen- Agentur dementiert. ^
Das polnisch« Außenministerium gibt bekannt» "aß die poln'sch- litauischen Verhandlungen in^ Kopenhagen günstig verlaufen.
Aus Shreveport (Lusitania) wird gemeldet, haß durch esiie heftige Feoersbrunst 25V Häuser dieser Stadt zerstört wurden. Ueber 1VÜV Personen sind obdachlos geworden. Der Schade- beläuft sich ans 5 Millionen Dollar.
In Bietigheim wurde gestern unter überaus starker Beteiligung aus dem ganzen Land die Sommertagung der Deutschen "emo kratischen Partei Württembergs abgehalten.
Der Untergang der „Shenandoah-.
Die Zepprlinwerke zur „Sheuandoah"-Katastrophe> wp. Der ehemalige Zeppelinsührer Anton Keinen, der beim amerikanischen Marineluftschiffamt als beratender Ingenieur tätig ist, hat, wie gemeldet wurde, das Unglück der Syenandoah aus die Tatsache zurückgefiihrt, daß man das Luftschiff bei schlechtem Wetter habe auslaufen lassen und datz man von den 18 Sicherheitsventilen in den Gasballons, um Helium zu sparen, 8 entfernt habe. Dadurch sei die Fähigkeit des Manöverierens sehr stark eingeschränkt worden. Die ,frankfurter Zeitung" hat diese Meinung Heinens den Zeppelinwerken unterbreitet und sie um ihre Ansicht darüber befragt. Die Zeppelinwerke halten den Erklärungsversuch Heinens für sehr wohl möglich und geben dazu folgende Erläuterung: Das Schiss fuhr immer sehr prall. Das wußte die Besatzung aus eigener Erfahrung, um Heliumgas zu sparen. Die Ueberdruckoentile sind aber auf das spezifisch leichtere Wasserstoffgas abgemessen also an sich zu klein, um das beim Steigen des Schiffes durch Ueberdruck sich ausdehnende Heliumgas herauszulassen. Wenn 'von den 18 Sicherheitsventilen 8 weggenommen wurden, dann ist es erklärlich, daß das Schiff nicht mehr richtig manöverier fähig war. Wahrscheinlich ist das Schiff von einer Böe in die Höhe gerissen worden. Dann konnten schon durch den Ueberdruck der inneren Gaszellen die Träger gebrochen sein. De Schiff hat sich in drei Teile zerlegt und die überprallen Zellen sind geplatzt, sodaß zwei der Teile abstürzten, während der dritte noch leidlich zur Landung gebracht werden konnte.
Der Krieg in Marokko.
Der französische Kolonialminister über die Lage in Marokko.
TU. Paris, 7. Sept. Der Kolonialminister hielt auf einem Bankett eine große Rede über Marokko, in der er erklärte, die Stunde des Handels sei gekommen. Die Regierung sei sich ihrer Verantwortung voll bewußt. Die Situation sei dem Volke mit aller Offenheit geschildert worden. Große Truppeniranspotte und ungeheure Mengen an Munition seren nach Marokko ab gegangen. Die große Kraftentfaltung habe eine gewiss« Unruhe im Volle ausgelöst. „Wir haben jedoch alle Maßnahmen ergriffen, sodaß der Feind gezivuvngen sein wird, sich entweder zu unterwerfen oder sich in die Schlupfwinkel der Berge zurückzuziehen. Wenn wir Marokko nach so vielen Opfern an Blut und Geld geräumt hätten, so würden wir nicht nur unsere bisherige Kolonialpolitik verlassen, sondern auch unseren gesamten Besitz in Nordafrika gefährden und vielleicht unserer Stellung als Großmacht einen rötlichen Stoß versetzt haben." Im übrigen liegen aus Marokko Meldungen vor, die deutln besagen, datz die grohe Offensive unmittelbar beoorsteht. Abel Krim hat seinerseits zum Gegenstoß an der ganzen Fron ausgeholt, um die Zusammenziehung der französischen Reserve zu verhindern. Er hat nach einer amtlichen französischen Mitteilung im gesamten Riffgebiet Waffenaushebung angeordnel.
Die Kämpfe an der spanischen Front.
TU. Madrid, 7. Sept. Vom marokkanischen Kriegsschauplatz werden deftige Kämpfe an der spanischen Westfront gemcide. wo die Riffkabylen einen starken Druck ausüben. Das von Ab: el Krim aufgestellte Heer soll 6V 000 Mann stark sein und eine Artillerieausrüstung von 100 Kanonen besitzen.
Primo de Rivera zur bevorstehenden Offensive.
TU. Zaris, 5. September. Nach Madrider Meldungen Hai Primo de Rivera dem Madrider Blatt „LVO" eine Erklärung abgegeben, datz die bevorstehende Offensive gegen Abd el Krim große Anstrengungen der Ration erheische. Man müsse große Opfer bringen, da sonst die Uebergrifse Llbd el Krims zunehmen würden. Primo de Rivera wies auf die technische Ausrüstung der Rifleute hin und sagte: Sie verfügen über 100 Kanonen und 60 000 Gewehre und haben ein straffes Oberkommando. Die geringste Schwäche im gegenwärtigen Augenblick könnte Spanien schweren Schaden zusügen.