Der Reichsaußenminister über die Ent­wicklung der Abrüstungskonferenz

ReichSmintster des Aeußeren Freiherr von Neurath hat gegenüber einem Vertreter der Pariser Zeitung »Infor­mation* u. a. geäußert: Die Entwicklung, die in den letzten Wochen die Verhandlungen auf der Abrüstungskonferenz genommen haben, müssen mich mit der schwersten Sorge er­füllen. Um materiell die dem deutschen Volk geschuldete Ab­rüstung zu Hintertreiben, hat man stets das Wesentliche durch das Unwesentliche in den Hintergrund zu schieben getrachtet und immer wieder Bedingungen formuliert, deren Verwirk- lichung häufig nur im Reiche der Phantasie möglich sein ntzirde. Das deutsche Volk hat diese Taktik wohl durchschaut, ist aber keineswegs gesonnen, sich mit nega­tiven Beschlüssen abspeisen zu lassen. Wenn Frankreich trotz seiner gegenwärtigen Rüstungen seine Lage nicht als genügend gesichert empfindet, so muß man erst recht begreifen, daß -er gegenwärtige Status für bas waffenlose deutsche Volk ein Uebermaß von Unsicherheit bedeutet, und gerade die junge nationale Bewegung, die heute Deutsch­land durchzittert, ist zum großen Teil das Produkt dieser Unsicherheit, deren materielle Verewigung von mancher Seite offenbar gewünscht wird.

Jede Vertagung der Konferenz, jeder Vorschlag von- stuugsfeierjahren, jeder Versuch einer gehaltlosen Notlösung, all dies wäre alles andere als geeignet, Beruhigung zu schaf­fen. Das deutsche Volk beansprucht keineswegs Son­derrechte für sich: aber auf Grund seiner Geschichte und seiner Selbstachtung ist das deutsche Volk auch nicht willens, weiterhin Bevormundungen über sich ergehen zu lassen, die jeder andere, seiner Würde bewußte Staat zurückweisen würde. Dafür ist aber Deutschland stets bereit, im Interesse des Friedens und der allgemeinen Sicherheit all die Pflich­te n u n d E i n s ch r ä n k u n g e n auf sich zu nehmen, die auch die übrige Welt in gleicher Weise mit ihm zu teilen bereit ist. Dabei ist es, wie schon immer von deutscher Seite betont wurde, eine Selbstverständlichkeit, daß diese Friedensstcherung und dieser Verzicht auf Gewaltanwendung in keiner Weise unser auch nach den Verträgen bestehendes Recht auf Revi­sion der Verträge beeinträchtigen kann, deren Bestimmungen den bei Kriegsende von allen Mächten feierlich anerkannten Grundsätzen der Neuordnung Europas strikt widersprechen.

An Deutschland wird es nicht fehlen, wenn es gilt, einen ehrlichen Ausgleich mit allen Völkern zu suchen, die aufrichtig gewillt sind, seine Ansprüche auf Gleichberechtigung nnd gleiche Sicherheit zu erfüllen.

Reichsregierung und Arbeitsbeschaffung

TU. Berlin, 17. März. Zu der Mitteilung über die Kabi- uettsfitzuna vom Mittwoch wird von zuständiger Stelle dar­auf hingswiesen, daß es sich bei dem Ausschuß des Reichs- babinetts, der über die Vorschläge zur Arbeitsbeschaffung be­raten soll, nicht um einen neuen Ausschuß handelt, sondern «m den Ausschuß, der in der Notverordnung des Reichs­präsidenten über Maßnahmen zur Förderung der Arbeits­beschaffung vom 18. Dezember 1932 eingesetzt morden ist und der sich laufend mit den Arbeitsbeschasfungsmaßnahmen zu befassen hat. Der Ausschuß wird voraussichtlich noch in dieser Woche zu einer Sitzung zusammentreten.

Wie weiter mitgeteilt wird, erreichen die bisher bewillig­ten An trägeausdemSofortprogramm in dieser Woche voraussichtlich noch den Betrag von 3 9 0 Millio­nen Mark. Man versteht nicht recht, wie in der Oefsent- ltchkeit trotzdem noch gewisse kritische Äußerungen auftreten können, daß die Sache mit dem Sofortprogramm nicht schnell genug vor sich gehe. Die Fachpresse ist ganz anderer Ansicht » staunt über die rasche Abwicklung, die in der Tat nur durch eine ganz erstaunliche Arbeitsleistung seitens der Kre­ditinstitute möglich war, da es sich um viele Hunderte von Einzelanträgen ganz verschiedener Größenordnung handelt.

Gegenüber der Forderung einer Herabsetzung der Zinsen bei einer Erweiterung des Programms wird schließlich darauf hingewiesen, daß di« Darlehen aus dem Sofortprogramm überhaupt nicht verzinst iverden, soweit es sich um werbende Anlagen handelt, sondern daß in den 9 v. H. die Tilgnngsrente enthalten ist zuzüglich ganz geringer Ber- ivaltnngsbeiträge.

Die Gewerkschaften zur Mitarbeit bereit

Der Gcwerkverein Christlicher Bergarbeiter Deutschlands hielt in diesen Tagen in Königswinter seine 21. Haupt­versammlung ab. Der Vorsitzende -es Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften, Otto, führte u. a. folgendes aus: In der gegenwärtigen Revolution kommt nicht allein die Unzufriedenheit mit den staatspolitischen Verhältnissen zum Ausdruck, sondern auch der Wille von Millionen, zu einer besseren Wirtschafts- und Sozialorbnung zu kommen. Daß bei der Zukunftsgestaltung gerade die Gewerk­schaftsbewegung maßgebenden Anteil haben wird nnd muß, ist klar. Wir wollen auch in Zukunft Mitarbeiten an der Neugestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Unser Ziel bleibt: zu arbeiten an der wirtschaftlichen, geistigen und sittlichen Hebung des Arbeiter st andes, aber auch dem Volksganzen und unserem Vaterland zu dienen.

Der Gewerkschaftsführer vom Deutschen Gewerkschafts­bund, Eudenbach, erinnerte an die außerordentlichen Leistungen und Opfer der Bergarbeiter wäh­rend und nach dem Kriege, vor allem an die Abwehr der bolschewistischen, separatistischen und der Gefahr durch die polnischen Aufständischen. Beim Einbruch in das Rnhrgebiet seien es doch in erster Linie die Bergarbeiter gewesen, die beim passiven Widerstand wahre Heldentaten für die deutsche Heimat, für das deutsche Volk vollbracht hätten. Die natio­nale Sammlung werde erst dann Früchte tragen zum Segen des ganzen Volkes, wenn Arbeiter und Arbeitgeber zu ge - «einsamer aufbauender Arbeit zusammenträten.

Die Bedeutung des engl. Abrüstungsvorschlags

Der von Macüonald der'Abrüstungskonferenz über­reichte Entwurf eines allgemeinen Abrüstungsabkommens umfaßt folgende 8 Hauptgesichtspunkte:

1. ES wirb ein Abrüstungsabkommen für die Dauer von 8 Jahren abgeschlossen.

3. Das Abkommen enthält im wesentlichen auf der Grund­lage des Hooverplanes eine Herabsetzung und Be­grenzung der Rüstungen mit ziffernmäßiger Festsetzung der Heere und Flotten der einzelnen Länder, einschließlich Deutschland.

3. Schaffung einer internationalen Kontrolle der Rüstungen.

4. Ein ständiger Abrüstungsausschuß, der die weitere Herabsetzung der Rüstungen prüfen und Lösungen fiir die bisher ungelösten Schwierigkeiten Vorschlägen soll.

8. Auf dem Gebiet der Sicherheit eine politische Zu- sammenarbeitderRegieruugeu und Einberufung einer Konferenz der Mächte im Falle des Bruches oder des drohenden Bruches des Kelloggpaktes.

Der Entwurf sieht für Deutschland eine Gesamtarmee von 290 900 Mann, für Frankreich 400 000 Mann, Polen 200 000, Italien 250 000, Sowjetrußlanb 500 000, Belgien 75 000, Tschechoslowakei 100 000 Mann vor. Für die Artillerie wird eine Höchstgrenze des Kalibers von 105 Millimeter fest­gesetzt, für Tanks 10 Tonnen. Auf dem F l o t te n gebiet wird die Aufhebung der Klausel der Entwaffnungsbestim­mungen des Versailler Vertrages festgestellt, jedoch eine Auf­rechterhaltung der bisherigen deutschen Flotte bis Ende 1936, dem Zusammentritt der neuen Flottenkonferenz, gefordert. Das Luftbombardement wirb vollständig ver­boten. Die Zahl der Militärflugzeuge wirb für jedes einzelne Land ausdrücklich angegeben. Für die Groß­mächte Frankreich, Italien, Sowjetrußland, England und Japan mit 500, für die übrigen Länder, somit für Deutsch­land, soll der bisherige Zustand aufrecht erhal­ten bleiben. Der Bau neuer Luftschiffe ist ver­boten. Der gesamte chemische und bakteriologi­sche Krieg wird auf der Grundlage der bisherigen Kon­ferenzbeschlüsse verboten. Das neue Abrüstungsabkom­men ersetzt die bisherigen Entwaffnungsbcstimmuugen der Frieöensvertrage für Deutschland, Oesterreich, Bulgarien nnd Ungarn.

Die französische Auslegung

Der Plan enthält nach französischen Feststellungen bi« Auflösung der Reichswehr und Ersetzung durch ein Volks- Heer von 200 000 Mann, Aufrechterhaltung des bisherigen technischen Bewaffnungszustanües Deutschlands während weiterer 5 Jahre durch das völlige Verbot der Militärluft, fahrt und Verbot des Ausbaues der Flotte, ferner die fran­zösische Forderung eines gemeinsamen Vorgehens der Mächte bei drohender Kriegsgefahr und lasse die Möglichkeit regio­naler HilsSpakte zu. Damit seien die wesentlichen französi­schen Forderungen erfüllt. Demgegenüber wird von deut­scher Seite ausdrücklich von neuem betont, daß die beut-

sche grundsätzliche Forderung auf gleiche« Rüstungsstanb mit den übrigen Mächten auf dem Gebiet des Kriegsmaterials »nein ge- schränkt aufrecht erhalten bleibt. In Deutschland vermißt man in Macdonalds Kompromiß zwar die praktische Gleichberechtigung, aber man sieht darin doch einen ernste« Vorstoßzur Abrüstung.

Das Ergebnis von Rom bleibt ahMn-arten

In französischen Kreisen herrscht offene Mißstimmung über die amtlichen englisthen Mitteilungen, nach denen Mac» öonald nnd Mussolini beabsichtigen, gemeinsam denKern des Friedens" zu bilden und einenKlub" der europäische» Machte zu schaffen, vor dem die Regierungen ihre Sorgen und Schmierigkeiten Vorbringen können. Man sieht darin den Versuch eines gegen Frankreich gerichte- ten englisch-italienischen Bündnisses. I» Widerspruch hierzu steten allerdings Pariser Prcssemeldnn. gen, welche davon wissen wollen. Saß die Aussprache Mac- üoualdS mit Mussolini in der Hauptsache der französisch, italienischen Flotten Verständigung, der Vertragsrevision und einer deutsch-italienischen Entfremdung die- neu soll. Ministerpräsident Da lädier wahrte der Presse gegenüber auffällige Zurückhaltung nnd betonte, die fran- zösischc Negierung lege Wert darauf, ihre Handlungsfreiheit zu bewahren und sich nicht zu binden, ehe sie das Ergebnis der Unterredung zwischen Macdonald und Mussolini kenne. Voraussichtlich wird Ministerpräsident Daladier in der näch­steil Woche nach London fahren.

Gleichberechtigung und Revision

Aus der Rede M«cdoaaldS

Aus der großen Rede Macdonalds müssen folgende Hin­weise zur deutschen Gleichberechtigung und zu den deutschen Revisionsforderungen nachgetragen werden. Macdonald stellte in seiner Rede ausdrücklich fest, daß die Fünfmächte- konferenz im Dezember ihren Beitrag zur Abrüstungssrag« durch Anerkennung der Gleichberechtigung Deutschlands und der damit erreichten Rückkehr Deutschlands in die Abrüstungskonferenz geleistet habe. Tie fünf Mächte hätten sich jedoch darüber hinaus zu einer Zu­sammenarbeit mit allen denjenigen Nationen bereit erklärt, die gewillt seien, in Zukunft bei einem politischen Konflikt auf jede Gewalt zu verzichten. Ans diese Weise sei gleich­zeitig der Grundsatz der Gleichberechtigung und der Sicherheit uneingeschränkt aner­kannt worden. Macdonald betonte ausdrücklich, daß di« Gewaltverztchtserklärung der fünf Großmächte, der sich di« Konferenz angeschlossen habe, eine entscheidende Ga- rantte der Sicherheit bilde. In offener Anspielung auf Deutschland erklärte Macdonald sodann, daß dieR e - Vision" selbstverständlich sei. Aber wicht eine Re­vision auf der Spitze der Bajonette, sondern eine von Ver­nunft getragen« und am Verhandlungstisch beratene RevisionT'

Zum Wechsel in der Reichsbankleittmg

DerAngriff", die Zeitung von Reichsmiinstar Goebbels, schreibt zum Rücktritt Dr. Luthers: Jetzt wird der Weg frei für eine Wirtschaftspolitik, deren Ziel die Eingliederung der zehn Millionen Arbeitslosen in die Wirtschaft ist. Der Abgang des Reichsbankpräsidenten Dr. Luther ist eine Tat­sache von ungeheurer wirtschaftlicher Tragweite,' denn mit der Besetzung dieses für die Wirtschaft so ausschlaggebenden Postens mit einer Person aus den Reihen -er nationalen Erhebung wird gleichzeitig ein neuer Geist durch di« deutsche Wirtschaft wehen. Wenn auch der großzügige AuSbau des Arbeitsbeschafsungsplans den äußeren Anlaß zum Rücktritt gegeben haben dürfte, so wird doch tm glei­chen Augenblick damit das gesamte Kreditwesen sd. h. die Banken) hiervon betroffen. So wie der politische Liberalis­mus in Deutschland vor wenigen Tagen beseitigt worden ist, so ist nunmehr auch der erste entscheidende Schritt zur Ausrottung des wirtschaftlichen Liberalis­mus getan worden

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Luther

Schacht

DerVölkische Beobachter* begrüßt in Dr. Schacht den Vertrauensmann der irationalen Regierung: Es geht um das Schicksal der deutschen Volkswirtschaft, bi« heute mehr als je darauf angewiesen ist, - ihr eine Reichsbankpolitik zur Seite steht, von der sie alle überhaupt mögliche Unter- stütznng und Hilfe erfahren und beanspruchen kann. Di« nationale Regierung, di« erst seit wenigen Wochen amtiert, in dieser Zeit aber schon ein großes Maß von wirtschafts- polttischer Aufbauarbeit geleistet hat, wird in der Lag« sein, in organischer Zusammenarbeit mit dem neuen Reichsbank» Präsidenten, der das Vertrauen deS Reichskanzlers genießt, diese begonnene Aufbauarbeit mit immer zunehmendem Er­folg fortzufetzen.

5tSaälLer Inserieren drinst 6e»!nn!

Das Siedlungswelk im Reich

Di« Siedlungsfläche i-n Deutschland, die seit 1919 bebaut wurde, ist so groß wie Oberschlesien. Seit Bestehe» des Reichssiedlungsgesetzes vom Jahre 1919 wurden insg«. samt rund 930 000 Hektar zu Siedlungszivecken erworben oder bereitgestellt. Dies« Fläche entspricht annähernd zivet Dritteln des Freistaates Sachsen. Im Jahr« 1932 sind rund SO000 Hektar bereitgestellt worden. Die Zahl bleibt aber um 29 v. H. hinter der des Vorjahres und um 87 v. H. hinter der des JahreS 1930 zurück. Seit Bestehen des Reichssted» lungsgesetzes wurden rund 57 000 Neusiedlerstellen mit einer Gesamtfläche von etwa 600 000 Hektar errichtet. Di« Gesamt­fläche -er Pfalz ist vergleichsweise nur 580 000 Hektar groß.

Landesverrat in Baden

Karlsruhe, 17. März. Bei der Feier der nationale« Erhebung in der badischen Landeshauptstadt hielt der Reichs» beauftragte Robert Wagner eine Ansprache, die über de» Süddeutschen und Süd-westdeutschen Rundfunk verbreitet wurde. Er teilte gleichzeitig mit, daß die neu« Regierun­weiteren beispiellosen Dingen auf die Spur gekommen sei. Man habe landesverräterische Pläne gefunden, nach denen die Sozialdeinokraten mit Unterstützung französischer Kräst« gegen die neue nationale Regierung hätte» arbeiten lvollen. So sei ein Plan gefunden worden, nach dem ein Anschlag auf das französisch« Konsulat in Karlsruhe vor­bereitet worden sei. Die nationale Regierung habe bereits zwei Landesverräter ausfindig gemacht, die an diese« sauberen Plan beteiligt seien und deren öffentlich« Hinrichtung auf Sem Schloßplatz in Karls­ruhe vorgenommen werden solle, sobald das Verfahren ab­geschlossen sei.

Der komnrifsarisch« Finanznnnister Köhler hat durch eine Verordnung die Pensionen des früheren Ministers Dr. h. c. Remmele, des Ministers Dr. Trunk und des frühere» Staatspräsidenten Geiß gestrichen.

Beurlaubungen im Berliner Magistrat

TU. Berlin, 17. März. Auf Veranlassung des Staatskom- missars Dr. Lippert wurden bereits am Tage seines Amtsantritts Veränderungen in Bezug auf Personalange­legenheiten in der Berliner Hauptverwaltung durchgeführt. In den nächsten Tagen wirb, wie das Nachrichtenamt mit- teilt, die marxistische Beeinflussung des Personalwesens t» der Hauptverwaltung restlos beseitigt sein.

Auf Veranlassung des kommissarischen Bürgermeister» Maretzky ist in den Aussichtsräten der städtischen und von der Stadt Berlin beherrschten Gesellschaften die Abberufung der sozialdemokratischen und der kommunistischen MitgUeer angeordnet worden. Wegen der Neubesetzung der AusMrs- «»tspoften wird demnächst «tne weiter« Anordnung ergehe».