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Nr. 55

Dienstag, den 7. März 1933

Jahrgang 105

Reichseingriff in Hessen, Bremen und Lübeck

tlebernahme der Polizeihoheit auf das Reich durch Einsetzung von Reichskommissaren

TU. Breme«, 7. März. Da die wegen Nichtrücktritt mar­xistischer Senatoren in der Bevölkerung Bremens her- »orgerusene Erregung den Ausbruch von Unruhen befürch­ten läßt, hat der Rcichsminister des Innern auf Grund de- j 3 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat für die Reichsregierung die Befugnisse der Landesbehörden über­nommen, soweit dies zur Ansrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Mit der Wahrneh­mung der Geschäfte des Polizeisenators hat er den stellver­tretenden Direktor des Arbeitsamtes Bremen, Dr. Mar­tert, bis auf weiteres beauftragt.

Infolge Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit, die den Ausbruch von Unruhen befürchten läßt, hat Her Reichsminister des Innern für die ReiHsregierung gemäß j 2 zum Schutze von Volk und Staat die Befugnisse der obersten Landesbehörden in Hessen übernommen, soweit es für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung erfor­derlich ist. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte dieser Be­fugnisse wird bis auf weiteres Negierungsrat Müller vbm Finanzamt Alsfeld (Oberhessen) beauftragt.

Auf Anordnung des Reichsinnenministers Dr. Krick Hai der Gauinspekteur der NSDAP. Schröder die Lei­tung der ganzen Polizei im Staate Lübeck Stadt und Land übernommen. Die gesamte SA. und SS., der Stahlhelm »nd z-wei Bereitschaften der Polizei marschierten vor dem Lübecker Rathaus auf. Rach einer Begrüßungsansprache des neuen Polizeiherrn wurde die schwarzweihrote, di« Haken­kreuz- und die Lübecker Flagge gehißt.

InBremen und Lübeck sind sämtliche Senatoren zu­rückgetreten. Die hessische Regierung hatte vor dem Eingrei­fen des Reichsinnenministers Landtagsairflösung und Neu­wahlen angeordnet.

NSDAP, fordert de« sofortigen Rücktritt der badische« Regierung

Der nationalsozialistische Gauleiter Walter Köhler hat an das badische Staatsministerium folgenden Brief gerichtet: Angesichts der politischen Situation erwarte ich den sofor­tigen Rücktritt der badischen Staatsregierung und die Bil­dung einer neuen badischen Regierung unter nationalsozia- Kstischer Führung, entsprechend dem Ausgang der Reichs- tagswahl. Dieser Rücktrittssoröernng an die badische Regie­rung wurde bisher nicht entsprochen. Es soll aber Neigung »«stehen, in Vechaudlungen über eine Erweiterung der Regierung mit der NSDAP, einzutreten. Wie wir hören, hält jedoch die ZtSDAP. an ihrer vor wenigen Wochen schon geäußerten Forderung nach beschleunigter Landtags- Wahl, die erst im Oktober 1036 fällig wäre, fest.

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Slraßenkämpse in Hamburg

In Hamburg kam es gestern abend zu schweren Schieße­reien zwischen Polizei und Nationalsozialisten einerseits und Kommunisten andererseits im Gebiet der Großen Freiheit. Die Kommunisten beschossen planmäßig marschierende Poli­zei- und SA.-Kolonnen. Die Polizei glaubte anfangs durch »tnfache Absperrung der Straßen und erhöhte Mannschafts­einsetzung die Kampfherde eindämmen zu können, jedoch er­wies sich, daß sie einem sehr gut ausgerüsteten Gegner ge- genübcrstand. Man mußte daher Panzerwagen mit Maschi- «engewehren und Handgranaten verwenden. Ferner wurde die gesamte verfügbare Polizei Hamburgs an der Stadt- -renze zusammengezogen und mit Stahlhelmen ausgerüstet. Außerdem wurde die gesamte SA. sowohl auf Hamburger wie auf Altonaer Gebiet alarmiert.

Nachdem um 28 Uhr die schweren Schießereien im Gebiet der Stadtgrenze zu Emde zu sein schienen, obwohl noch immer vereinzelt Schüsse von den Dächern und aus den Häusern sielen, konnten die Sanitätsmannschasten daran gehen, die bis dahin unter schwerem Feuer liegenden Straßen abznsuchen. Man barg insgesamt 2 Tote und lO Schwerverletzte. Die beiden Toten sind Passanten, während von den Schlverver- letzten 8 gleichfalls Passanten, darunter eine Frau, sowie Polizeibeamte sind. Es muß angenommen werden, baß sich im Bereich der unter Feuer liegenden Straßen noch weitere Verletzte und vielleicht sogar Todesopfer befinden. In den frühen Morgenstunden ist im Hamburg-Altonaer Grenz­gebiet wieder völlige Ruhe eingetreten. Die Haussuchungen werden mit allem Nachdruck fortgesetzt. Nach wie vor ist das Unruheoiertel abgcfpcrrt.

Aus Bären stein (Erzgebirge) wird berichtet: Beim Versuch, die Grenze zu überschreiten, geriet in der Nacht »um Sonntag eine Anzahl sächsischer und böhmischer Kom­munisten in der Nähe der Blechhammer-Schenke bei Weipert (Tschechoslowakei) in ein Keuergefecht mit Gendarmen. Ein Kommunist ans Bärenstein erhielt einen Unterarmschuß. Er wurde festgenomme», ebenso acht andere Kommunisten.

DerVölkische Beobachter", dessen Herausgeber bekanntlich Adolf Hitler ist, schrieb am Montag in einer Be­trachtung zum Wahlergebnis u. a.:Dem Zuge der schwarz­roten Länberfronde gegen die Reichsregierung fei endgültig der Garaus gemacht. Auf die Folgerungen, die daraus in Bayern, Württemberg und Baben gezogen werden mühten, würden sich das sei die feste Hoffnung diese Länder rechtzeitig sel k'st besinnen, um damit die Frage von Staatskommissaren für Süddeutschland radikal und im ge­samtdeutschen Interesse am zuträglichsten zu lösen."

Der Reichskanzler bei Hindenburg

TU. Berlin, 7. März. Reichskanzler Adolf Hitler wurde am Montag mittag vom Reichspräsidenten von Hinden­burg empfangen. Heute nachmittag findet zunächst eine Mi­nisterbesprechung statt, an die sich ein Kabinettsrat an- schließt. Ob ein Ausruf der Reichsregierung zum Ergebnis der Reichstagswahl zu erwarten ist, steht noch nicht fest. Was die Aenderung der Reichsfarben angeht, so ist hierzu bis jetzt von der Reichsregierung noch nichts vorgesehen. Es ist möglich, daß sich bas Reichskabinett heute auch schon mit einem Ermächtigungsgesetz beschäftigt. Ob es sich da­bei um ein solches mit einfacher oder mit qualifizierter Mehrheit handelt, hängt naturgemäß von den Absichten der Regierung ab. Vielleicht wirb sich die Regierung heute auch mit außenpolitischen Fragen und mit der Lage in Genf beschäftigen, obwohl dieser Punkt nicht auf der Tages­ordnung steht. In diesem Falle dürfte auch entschieden wer­den, ob sich Mitglieder der Reichsregierung nach Genf be­geben.

Reichspräsident von Hindenburg empfing gestern auch den Reichsminister des Auswärtigen, Freiherrn von Neurath, zum Vortrag über die außenpolitische Lage.

Hakenkreuzfahne ans dem RejchstagSgebäude gehißt

Aus dem Nord-Ost-Turm des Rctchstagsgebäudes wurde am Montagnachmittag ein« HakewkreuzfaHne gehißt. Die Fahne ist, nachdem die Reichstagsverwaltnng durch Anruf von dieser Tatsache unterrichtet worden war, auf Veranlas­sung der Hausinfpektion nach einiger Zeit wieder entfernt worden.

Reichsminister Goering hat als Reichskommissar für baS preuß. Ministerium des Innern an die Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten in Preußen bas Ersuchen gerichtet, dem Hissen von Hakenkreuzfahnen und schwarz-weitz-roten Fahnen auf den öffentlichen Gebäuden in diesen Tagen kei­nen Widerstand entgegenzusetzen.

Beim Anhöre« »o« Wahlergebnisse« erschösse«

In Trier kam es in der Krahnenstraße zu einem blu­tigen Zwischenfall. In einer vor einem Lautsprecher versam- melten Gruppe, die sich Wahlergebnisse anhürte, wurde plötz­lich ein Schuß abgegeben, der einen jungen Mann tödlich traf. Die näheren Umstände der Tat werden zur Zeit von der Polizei noch geprüft. Zehn Personen wurden zur Unter­suchung des Dachverhalts festgenommen.

Der Eierzoll heraufgesetzt

Im Reichsanzeiger vom Montag erscheint eine am 11. März in Kraft tretende Verordnung des Reichsfinanzmini, sters und Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Hugenberg, durch die der autonome Zoll für Eier von 30 auf 70 ^ je Doppelzentner erhöht wirb. Gleichzeitig wird der Reichsmintster der Finanzen ermächtigt, die Ein­fuhr von SO Ost» Dz. Hartkäse zum Zollsatz von SO eT.ü auch noch nach der allgemeinen Käsezollerhühung zuzulaffen.

Polnischer Borfloß gegen Danzig

TN. Danzig, 7. März. Im Sa«fe des Montag t»af an» Gdingen der polnische DampferWilja" im T-auziger Hafen ein und landete im Munitionsbecken anf der Wefternplatte etwa IVO Polizeiheamte. Damit hat Pole» allen Verträgen zum Hohn e»n«Action directe" gegenüber Danzig began­gen, wie sie schwerer kaum gedacht werbe« kann.

Der Danziger Senat teilt dazu amtlich mit: Nachdem heute früh die polnische Regierung die Wachmannschaft auf der Westernplatte, deren Stärke vertraglich festgesetzt ist, über die festgesetzte Zahl hinaus verstärkt Hai, hat die Danziger Regierung bei dem Koinmisiar des Völkerbundes in Dcurzig unverzüglich gegen den Vertragsbruch Ein­spruch eingelegt und den Kommiffar ersucht, all« Schritte zu unternehmen, um dou Bertragszustand wieder herzNstek-

Tages-Spiegel

Die Reichsregierung hat in Hesse«, Bremen n«d Msteck Neichskommiffare für dj« Polizei eingesetzt.

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Reichspräsident v. Hindenburg empfing gefter« Reichskanzler und Außenminister z« Vorträge« über die Lage.

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An Hautbnrg ist es zu schweren Unruhen gekommen. Kom» mnniste» lieferten der Polizei, die gemeiusa« mit der VA. oorging, btntige Straßengefechte.

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General von Stülpnagel, -er Leiter des Reichsknrat»Mu»S für Jngendertüchtignng, ist gestorben.

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Der autonome Eierzoll wurde -nrch de« Reichsernährnngs» minister von SO ans 7V pro 108 Kg erhöht.

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Pole» hat durch Entsendnng von Polizeitruppen die Recht« Danzigs erneut in herausfordernder Weise verletzt.

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An Württemberg ist es in Wnrmlingeu «nd Geislingen an der Steige z« politische« Krawallen gekommen. In Geis, Hingen wurden vier Reichsbannerlente verletzt.

len. Die Danziger Regierung hat dabei festgestellt, daß der Kommissar des Völkerbundes über das Vorgehen der pol­nischen Regierung bereits unterrichtet war, und daß er auch von sich aus Schritte unternommen hatte.

Einer inWarschau ausgegebenen amtlichen Mitteilung zufolge sollen der polnischen Regierung Nachrichten zugekom­men sein, wonach Danziger umstürzlerische Elemente einen Anschlag auf das polnische Munitions- und Kriegsgerätelaser anf der Wefternplatte planen. Die polnische Regierung habe sich daraufhin gezwungen gesehen, mit dem heutigen Tage die dortige polnische Militärwache zeitweilig zu verstärken, um das anf der Wefternplatte befind- liehe polnische Kriegsmaterial zu sichern. Die polnische Re- gierung habe durch ihren Danziger diplomatischen Vertreter den Böl-kerbundskommifsar von dieser Maßnahme ver, ständigt.

Amerika vor einer Inflation

TU. Reuyork, 7. März. Der Sprecher des Repräsentan­tenhauses, Ratney, erklärte, der neue Kongreß werde Roofe- velt alle verlangten Vollmachten geben. Er fügte hinzu, daß die Inflation in irgendeiner Form unumgänglich sei.

Roosevelt erließ über alle Rundfunksender der Ver­einigten Staaten einen Aufruf, in dem eralle Frontsolda­ten und guten Bürger der Vereinigten Staaten" zum Kampf gegen die WtrtschaftSbepresston auf­ruft. Dieser Kampf erfordere Opfer und Dienstbereitschaft.

Argentinische Währnng auf Kraukengruudlage

Wie aus Buenos Aires gemeldet wirb, hat die argentini­sche Regierung infolge der amerikanischen Bankenkrtse di« Verbindung der argentinischen Währung mit dem französi­schen Franken beschlossen.

Riesioe Waffenlieferungen

der fvanzösischen und tschechoslowakische« Waffenfabrik««

TU. London, 7. März. Ein Sonderdericht -esDaily Etz- pveß" meldet ans L« Lrenzot von riesigen Waffenliefe­rungen der französischen Rüstungsfirma Schneider wach Japan und anderen Staaten. Di« französischen Rüstungs- firmen, so meldet der Berichterstatter, arbeiten Tag und Nacht für di« größte Mnnitionserzeugung fett dem Welt­krieg«. Die Hotchkiß-Werke senden Kanonen nach China, Japan, Rußland und Argentinien. Bon Boulogue und Rouen gehen Maschinengewehre nach Bolivien und Paraguay. In Le Troque sind alle Werkstätten, die gewöhn­lich Traktorenräder, Lokomotivräder, Schienen usw. Herstel­len, auf Mnnitionsherftellung umgestellt worben.

Eine» ähnlichen Bericht erhält dieDaily Expreß" aus Prag über die Tätigkeit der S k o da - W e r k e, wo ebenfalls Tag und Nacht Munition und Waffen hergestellt würden. Gegenwärtig seien über 7000 Mann dort beschäftigt gegen­über 4000 Mann vor einigen Monaten. Die Tschechosloivakvt habe während der letzten Monat« nicht nur gewisse euro­päische Staaten mit Waffen beliefert, sondern auch groß« Mengen nach den füdamerikanifchen Staaten Bolivien, Peru, Seuador, Brasilien, Uruguay und nach dem Fernen Osten gesandt. Di« Waffenausfuhr nach den einzelnen Ländern würde nicht i« den amtliche« Statistiken vermerkt, sondern liefe unter dem allgemein«« Titel Etf»« »«st ««der» M etallware«.