Pfarrer Robert Stratmann, Ulm-Jungingen Der einstigen DDR-Patengemeinde verbunden Wie wir wissen, hatte zur Zeit der deutschen Teilung jede evangelische Landeskirche in Westdeutschland die Patenschaft für eine Landeskirche im Osten Deutschlands übernommen. Die Verbindung hielt auch noch, als die gesamtdeutsche Klammer der EKD 1968 unter dem Druck der SED zerbrach. Im Württemberg fragten wir uns anfänglich, mittels welchen Würfelspiels wir mit der Thüringer Landeskirche zusammen gekommen waren. Denn historisch gab es keine Verbindung zwischen unseren Ländern wie etwa zwischen Thüringen und Kurhessen. Was also verbindet uns? Außer, dass die Thüringer seit 1782 unserem Friedrich Schiller in Meiningen, Jena und Weimar Asyl gewährt hatten aufgrund seines Konfliktes mit Herzog Karl Eugen II. Offenbar brauchten wir diesesWürfelspiel, um zu erfahren, dass eine vertrauensvolle, tiefgründende Partnerschaft über die Grenze des Eisernen Vorhangs hinweg möglich ist. Jetzt haben wir diese gemeinsame Geschichte, die wir zuvor vermissten. Seit Mitte der 80er Jahre sprachen wir von Partnerschaft anstatt von Patenschaft. Das taten wir deswegen, weil wir uns auf gleicher Ebene begegnen wollten. 1986 reiste ich zum ersten Mal in unsere Partnerge­meinde Weida/Kreis Gera. Ich fand herzlichste und freundlichste Aufnahme in den Häusern und Familien der Freunde dort, besonders bei meinem Kollegen Pfr. Gott­fried Elsässer und seiner Familie. Ich gehörte dazu wie der erwachsene Sohn. Diese Freundschaft hat bis zum heutigen Tag gehalten. Es ging uns kurz gesagt darum, unser persönliches Verhältnis wie auch die Beziehung zwischen unseren Gemeinden auf Augenhöhe zu gestalten wie in einer Partnerschaft und mit der Verbindlichkeit einer Paten­schaft. Was wir die Heumadener Kirchengemeinderäte und die Weidaer Gemeindekirchenräte nicht vergessen werden, solange unsere Erinnerung funktioniert: unser Besuch in Weida im Oktober 1989. Während der heißen Phase der Revolution wagten wir diesen Besuch. Die polizeiliche Genehmigung hatten wir zu meinem Erstaunen erhalten. Mulmig wars uns schon! Wir konnten nicht einmal die Ereignisse der drei folgenden Tage vorausberechnen. Würden wir überhaupt zurückkommen? In Weida bemerkten wir nichts von einem Ausnahme­zustand. Der Tag nach unserer Ankunft, ein Samstag, endete mit einer gemeinsamen KGR-Sitzung, anschlie­ßend Abendessen und gemütliches Beisammen-sitzen im Gemeinderaum. Um Mitternacht versammelten wir uns, Heumadener und Weidaer, im Chor der Franzis­kanerkirche, schlossen den Kreis, beteten um Gottes Segen für eine gewaltlose und friedliche Revolution und sangen: Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten! Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du, unser Gott, alleine. Das wars, was in diesem Moment wir tun konnten. Und es ist bestimmt nicht zu viel gesagt: es war unsere Wiedervereinigung im Kleinen. Am folgenden Tag saßen 80 Leute im Gottesdienst, wo es sonst 8 waren. Für meine Einreisegenehmigung hatte ich einen Preis bezahlt, der mir aber erst bei der Anmeldung auf der Polizei genannt wurde: Ich hatte öffentliches Redeverbot. Auf Drängen der Weidaer Freunde predigte ich dann doch. Wir kamen wieder heim. Erstaunlicherweise wurden wir an der Grenze fast durchgewunken anders als bei der Einreise zwei Tage zuvor. Drei Wochen später trauten wir vor den Fernsehern unseren Augen und Ohren nicht: Die Mauer war endlich gefallen! 29