Als die D-Mark kam Klaus Pichler, Zav elstein Nein, den 21. Juni 1948 werde ich nie ver­gessen. Es war ein Montagmorgen im Früh­sommer, das Wetter noch unsicher, welche Wen­dung es nehmen solle, weder heiter noch richtig regnerisch, fast ein Symbol für die Situation der Deutschen in dieser Zeit. In der Frühe schlen-. derte ich, damals noch keine acht Jahre alt, mit meinem Schulranzen auf dem Buckel, durch die Olgastraße in Richtung Olgaschule. Der Schul­weg in meiner Heimatstadt Heidenheim an der Brenz dauerte nur sieben Minuten, doch ging ich immer einige Minuten früher von zu Hause weg. Der Grund war das Spielwarengeschäft Steudtle, an dem der Weg vorbei führte und in dessen zwei Schaufenstern es für einen Buben, in des­sen Kinderleben eigentlich alles, besonders aber das Spielzeug recht knapp war, immer viel zu gucken gab. An diesem Montagmorgen jedoch war etwas völlig Unglaubliches passiert. Schon von weitem sah man eine ungewöhnlich große Gruppe von Schulkindern und dazwischen sogar einige Erwachsene, die sich um die Schaufenster des Steudtle'schen Spielwarengeschäfts dräng­ten. Noch neugieriger als sonst drängelte ich mich durch die kleine Menschenansammlung nach vorn und staunte mit aufgerissenen Augen in ein Spielzeugparadies: Über Nacht waren die zwar auch schönen und begehrenswerten, aber doch etwas langweiligen Holzbauklötzle, schlichten Holzpferdchen, mit Holzwolle ausge­stopften Stoffbälle und ,,Doggen" (Puppen für die Mädchen) verschwunden. Heute fuhr im Schaufenster eine Märklin-Eisenbahn mit Front­scheinwerfern im Kreis herum, jz, es war eine richtige Landschaft mit Bahnhöfle, Tunnel, Bergen, Bäumen, Häuschen, Schranken und Signalen aufgebaut! Dazu waren Steiff-Teddys, Steiff-Schiros (Roller), Käthe-Kruse-Puppen, Tretautos, Gummibälle, Schuco-Aufziehautos und viel andere unglaublich tolle Dinge ausge­stellt, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte! Und wie ich weiter staunend in den näch­sten Tagen feststellte, gab es plötzlich neben der entrahmten Magermilch wieder Vollmilch, Butter, Wurst und aus weißem, nicht nur die aus dunklem Mehl gebackene Brezeln zu kau­fen, allerdings zu 5 Pfennigen das Stück im Vergleich zu 4 Pfennigen für die dunklen, also so teuer, daß wir uns diesen Luxus kaum leisten konnten. Mama und Oma, auf dieses Wunder ange­sprochen, seufzten etwas und versuchten mir zu erklären, daß dies davon komme, weil eine Währungsreform stattgefunden habe und wir jetzt ein neues Geld, die D-Mark bekommen hätten. Ohne Zweifel: Wer diesen 21. Juni 1948 selbst erlebt hat, dem kommen eine Fülle ähn­licher Erinnerungen. Bei uns Kindern dauerte es lange, bis wir all­mählich die Zusammenhänge begriffen: Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 kam die während der Nazizeit durch Preis­und Lohn­stopp mühsam zurückgehaltene Inflation, also eine enorme Papiergeldvermehrung ohne Wertdeckung zlur Finanzierung der gigantischen Kriegsmaschinerie, zur Explosion. Die Reichs­mark blieb zwar noch für drei Jahre Währungs­einheit, spielte de facto als Zahlungsmittel jedoch keine Rolle mehr. Geld hatte man genug, nur kaufen konnte man dafür nichts! Die wirt­schaftliche Situation war gekennzeichnet durch eine strenge Bewirtschaftung durch Lebens­mittelkarten und Warenbezugs scheine, die allei­ne Kaufkraft repräsentierten. Die Kontrolle dar­über wurde in der Nachkriegsphase von den Besatzungsmächten ausgeübt. Daneben ent­wickelte sich ein lebhafter, illegaler Schwarz­markt mit Naturalien­und Hamstergeschäften, wobei als,,Währungseinheit" häufig Zigarctten, aber auch Bettwäsche, Perserteppiche, Pelz­mäntel usw. verwendet wurden. Nachdem die Sowjets am 19. März 1948 ihre Mitarbeit im Alliierten-Kontrollrat eingestellt hatten, war klar, daß eine gesamtdeutsche Lösung des Währungsproblems nicht mehr möglich war. Der erste wichtige Schritt zur Neuordnung des Geldwesens in den westlichen drei Besatzungszonen erfolgte im Frühjahr 1948 mit