1. Verlautbarung nach dem Krieg von Landrat Dr. Hägelevom 18.Juni 1945aus dem Stadtarchiv NagoldAn die Bevölkerung des Kreises CalwMit Zustimmung des Herrn KommandantBoulanger in Calw führe ich mein Amt weiter.Ich habe zunächst auch die Aufgaben desErnährungsamts, Abteilung A(bisher Kreisbauernschaft) in die Verwaltung des Kreisesübernommen.3)Der völlige Zusammenbruch Deutschlands alsFolge der 12-jährigen Herrschaft des„Nazismus“ droht uns alle ins Chaos zu führen,wenn nicht alle Kräfte jetzt bis zum äußerstenangespannt werden. Folgende große undschwierige Aufgaben stehen im Vordergrund:Die Wiederherstellung und die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung als Voraussetzung für alle Wiederaufbauarbeit, diebestmögliche Sicherung der Ernährung, dieBekämpfung der Arbeitslosigkeit und derWiederaufbau der Wirtschaft, die Überwachungdes Preisgefüges und die Unterbindung desSchleichhandels und des Schwarzen Marktes.Zur Erfüllung dieser Aufgaben muß folgendesgefordert werden:4)1) Den Gesetzen, Verordnungen undBefehlen der Militärregierung istunbedingt Folge zu leisten.Zuwiderhandlungen werden strengbestraft, sie gefährden nicht nur deneinzelnen, sondern auch den ganzen Kreis.2) Das deutsche Recht ist nach wie vor inGültigkeit, soweit es von der Militärregierung nicht aufgehoben oder fürunanwendbar erklärt worden ist.(vgl.Gesetz Nr. 1). In den letzten Wochen und5)Monaten haben sich viele fremdes Gut zuUnrecht angeeignet. Alle, die solches Gutim Besitz haben, werden aufgefordert, essofort beim Bürgermeisteramt abzuliefern.Wer dieser Aufforderung nichtnachkommt, hat strenge strafrechtlicheVerfolgung zu erwarten.Der Kreis Calw hat seineHaupterwerbsquelle in der Forst- undHolzwirtschaft und ist von jeherlandwirtschaftliches Zuschußgebietgewesen. Es wird nicht nur schwierig sein,den Anschluß an die neue Ernte zu finden;vielleicht muß damit gerechnet werden,daß auch später die Ernährungslageäußerst angespannt ist und bleibt. Deshalbist äußerste Sparsamkeit im Verbrauch dervorhandenen Nahrungsmittel unerläßlich.Da mit wesentlichen Zufuhren vonauswärts nicht gerechnet werden kann,muß die Ernährung innerhalb des Kreiseszwischen Stadt und Land ausgeglichenwerden. Dazu ist die Heranziehung derletzten Vorräte aus der Ernte 1944notwendig. Es läßt sich auch nichtvermeiden, daß die Selbstversorgerrationen herabgesetzt werden.In landwirtschaftlichen Betrieben werdendie Fremdarbeiter zum größten Teilausfallen. Dagegen ist noch nichtabzusehen, wann die Männer aus derKriegsgefangenschaft zurückkehren.Deshalb müssen in den Landgemeindenalle verfügbaren Kräfte, insbesondereauch die arbeitslos gewordenenIndustriearbeiter für die Landarbeitherangezogen werden. Wer dieseverweigert, hat keinen Anspruch aufZuteilung von Lebensmitteln.Arbeitskräfte aus der Stadt vermittelt dasArbeitsamt.Wo die Voraussetzungen für dieWiederaufnahme der Arbeit in dengewerblichen und industriellen Betriebenvorliegen, ist sie mit allen Mittelnanzustreben. Rüstungsbetriebe planen dieUmstellung auf die Erzeugung von10