Fritz Kalmbach, Dettingen/ Erms- Altensteig„Von Osten scheint die Sonne, Da ist der Zufluchtsort.“Ein bisher unbekanntesGedicht zur Auswanderungaus Württemberg 1817/1818 nach Georgien.Im Jahr 1988 kehrte derrußlanddeutsche AussiedlerErwin Mayer nach Deutschland zurück. Er war damals79 Jahre alt. Seine letztenLebensjahre bis zu seinemTode 1995 verbrachte er beiseiner Enkelin in BadTeinach-Emberg. Sein UrUrgroßvater Georg AdamMayer war 1817 ausDettingen/ Erms zusammen mit anderen württembergischen Landsleutennach Katharinenfeld inGeorgien im südlichen Kaukasus, unweit von Tiflis ausgewandert.Auch aus dem Kreis Calwsind damals zahlreiche Familien ausgewandert, ausNagold zum Beispiel warenes zwischen 1804 und 184116 Familien, aus dem ganzen Kreis Calw im gleichenZeitraum etwa 750 Personen. Der Höhepunkt derAuswanderungswelle nachRußland waren die Jahre1816-1818. Damalsherrschte in Württemberginfolge Mißernten großewirtschaftliche Not. Bei denmeisten Auswanderern ausunserer Gegend war dasVerlassen der Heimat jedoch vor allem religiös motiviert, wie aus der 9.Strophedes folgenden Gedichts hervorgeht.Die damalige Amtskirche inWürttemberg war stark vonder Aufklärung erfaßt undhuldigte einem rationalenVerständnis von Bibel undGlauben. Demgegenübervertraten die Anhänger desPietismus eine strenge undsehr persönliche Frömmigkeit, die im Extremfall, wiebei den Sparatisten, bis zurTrennung von der Amtskirche führte. Der Kern ihresGlaubens war, wie aus demGedicht hervorgeht, ein unerschütterliches Gottvertrauen.Im Gebiet des südlichenKaukasus entstanden, nachunendlichen Schwierigkeiten zu Anfang, eine Anzahlschwäbischer Siedlungen.Insgesamt waren es siebenmit den Namen Alexanderdorf, Annenfeld, Elisabethtal, Helenendorf,Katharinenfeld, Petersdorfund Neu-Tiflis, alle 1817/1818 gegründet. In demGedicht werden diese enormen Schwierigkeiten derAnfangsjahre deutlich.Eine besondere Katastrophe war der Überfall vonKatharinenfeld durch Perser, Türken und anderemuslimische Soldaten am14.August 1826, bei demvon den 421 Einwohnern 13männliche und 2 weiblichegetötet und 32 beziehungsweise 99 in die Sklavereiverschleppt wurden. Ein Teilvon ihnen konnte später freigekauft oder von russischem Militär befreit werden, so auch die in demGedicht erwähnte BarbaraManz.Im Lauf der späteren Jahreund Jahrzehnte bessertesich die Situation ganz erheblich und bis 1914 warenaus den sieben Schwabendörfern blühende Gemeinwesen geworden, die weit inihre Umgebung ausstrahlten. Eine entscheidendeRolle dabei spielte die Basler Mission, die mehrereMissionare in die Gemeinden entsandte. Der bedeutendste unter ihnen war Johann Bernhard Saltet. DieGemeinden erhielten eineKirchenordnung; Schulenund Kirchen wurden gebaut,so daß schließlich eine eigene, kleine evangelisch-lutherische Kirche im Südkaukasus entstand, die esermöglichte, daß die Bewohner der dortigen Kolonistendörfer ihre schwäbisch-deutsche Identitätrund 120 Jahre lang erhalten konnten.Die Katastrophe für sie kam1941 mit dem Einmarschdeutscher Truppen in dieSowjetunion. Sie wurdenhinter den Ural nach Sibirien verschleppt, wobei vielevon ihnen ums Leben kamen. Auch nach dem2.Weltkrieg durften sie nichtwieder in ihre alten Heimatorte zurückkehren, die heu19