Paul Rathgeber, CalwJohann Georg Dörtenbach und Calw als Gewerbe- undHandelsstadt in der 2. Hälfte des 19.JahrhundertsAllgemein bekannt ist die wirtschaftliche Bedeutung Calwsdurch die Zeughandels-Compagnie nach dem 30jährigenKrieg. Mit ihrer Auflösung 1797kann auch das Nachlassen derwirtschaftlichen Größe Calwsgesehen werden. Doch dieeinzelnen ehemaligen Compagnie-Verwandten blieben deshalbnicht untätig, und so ist auch dieEntwicklung von Gewerbe undHandel in der 2. Hälfte des19.Jahrhunderts vor allem miteinem Mitglied einer solchenFamilie verbunden, dessenTodestag sich am 8.Septemberdiesen Jahres(1990) zum 120.Male jährte: CommerzienratJohann Georg Dörtenbach.1862 sieht sich Johann GeorgDörtenbach veranlaßt, in den„Mitteilungen über Gewerbe undHandel in seiner Vaterstadt Calw“zu berichten. Diese Schrift ist inAuszügen zu der Grundlage desArtikels über Gewerbe und Handel in der Beschreibung desOberamtes Calw geworden.Bevor aufgrund dieser Schriftversucht werden soll, die gewerbliche und handelsmäßigeSituation der Stadt Calw vor 130Jahren zu skizzieren, soll einigesüber das Leben und Wirken desCommerzienrats Johann GeorgDörtenbach gesagt werden.Er wurde am 8.Juni 1795 in Calwgeboren als zweitjüngstes Kindvon Christoph Martin Dörtenbach,dem Nachkommen eines schonseit 300 Jahren mit der Wirtschaftsgeschichte Calws verknüpften Geschlechts. AmBeginn des 17.Jahrhunderts(um1610) kamen die Dörtenbach vonDornstetten nach Calw. Siegehörten zu den Gründern desFärberstifts(1620) und zu denbedeutendsten Teilhabern derCalwer Zeughandels-Compagnie(1650), meist in führenderStellung und mit deren Leitungbetraut. Seine erste Bildung erhieltDörtenbach in seiner Vaterstadt.Die früh geweckte Liebe zuGeschichte, Literatur und klassischem Humanismus begleiteten ihn durch sein ganzes Leben.In seiner reichhaltigen Bibliothekstand sein lateinischer Lieblingsdichter Horaz gleichwertig nebenden Geschäftsbüchern der altenFamilienfirma. Viele Reisen ins Inund Ausland und die Verwandtschaft zu Dr.med. Johann GeorgZahn und dessen Bruder Dr. jur.Christian Jakob Zahn verschafften ihm eine umfassende allgemeine Bildung. Als weitblickenderIndustrieller nutzte Dörtenbachdie Zeichen der Zeit. Er standeiner Vielzahl von Industriebetrieben vor, die er selbst mitGleichgesinnten aus der Taufegehoben hatte. Mit vierzehnJahren verließ er das väterlicheHaus, um sich in Stuttgart imGeschäft von Zahn& Compagnieals Volontär die ersten kaufmännischen Kenntnisse anzueignen. Schon 1810 konnte er indas Indigo- und Farbwarengeschäft von Seybold und Compagnie in Stuttgart eintreten unddieses Geschäft in Frankfurtvertreten. Ende 1813 Anfang1814 unternahm er eine Bildungsreise an den Rhein durch Belgienund durch einen großen Teil vonFrankreich und trat nach seiner33