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Aus Talws Geschichte
meister, zwölfhundert Zeugmacher und etliche tausend Spinnerinnen beschäftigt. Weithin zogen die Kaufleute, den Namen der Stadt Calw mit ihrem Gewerbe in der Welt bekannt zu machen; noch heute gibt es in Italien und den Niederlanden Städte, die aus dem Mittelalter her ihre „Calwer Straße" haben.
Doch auch vor Not, Elend und Jammer blieb die Stadt nicht verschont. Einer Zweimaligen Zerstörung (10. Septbr. 1634 durch die Reiter Johann von Werth's und 19. September 1692 durch Melacs Horden) fiel die blühende Stadt zum Opfer. 1692 blieben nur vier Privathäuser innerhalb der Mauern erhalten. Aber auch diesen Schlag vermochte die betriebsame Handelsstadt zu überwinden: in der Folge gründeten einige Calwer Handelsherren die Zeughandlungscompagnie, die Calw zu großer wirtschaftlicher Blüte führte.
Auch in der jetzigen Zeit herrscht ein reger Handels- und Gewerbebetrieb, und die Industrie verleiht der Stadt pulsierendes Leben. Die Erzeugnisse der Vereinigten Deckenfabriken A.-G. und der Strickwarenfabrik Christ. Ludw. Wagner sind weithin begehrte Artikel, die Baumannsche Kratzenfabrik ist eine der leistungsfähigsten im Reich, und landauf und -ab trifft man die Marke „Handarbeit" der Zigarrenfabrik von Huttens Nchf. (gegr. 1849) oder hört den Klang der vielen Turmuhren, welche die vor 70 Jahren gegründete Perrotsche Turmuhrenfabrik für Kirchen und Schulen baute. Eine besondere Note gibt dem Straßenleben unserer Stadt die Anwesenheit so vieler Handelsschüler aus dem Inland und allen Teilen des Auslandes und aus Uebersee.
Die besondere Lage der Stadt ist durch landschaftliche Schönheiten ausgezeichnet; eng zusammenHedrängt liegt die Oberamtsstadt zwischen den Bergen eingebettet und an die Hänge angeschmiegt; allmählich wird der Stadt ihr Rock zu eng und überall streben Häuser an den Hängen aufwärts.
Einst hieß es: Calw wird keine Kuh,
Es sei zu eng der Stall dazu.
Nun aber sieht ein jedes ein:
Die Stadt wird groß und bleibt nicht klein.
Von den Gebäuden aus ganz alter Zeit ist wenig mehr erhalten, nur Grundmauern sind noch stehen geblieben. Das reizvolle Brückenkapellchen auf der Niko- lausbrüae blieb uns aber als Wahrzeichen von Calw erhalten. Im übrigen darf aber auch auf die schöne Gestaltung des Marktplatzes mit dem Rathaus und der evang. Stadtkirche hingewiesen werden, auf manche Patrizierhäuser und schöne Fachwerkbauten.
Bedeutende Männer, die hier geboren oder gewirkt haben und die wir darum auch als Calwer ansprechen dürfen, mögen noch erwähnt werden, so vor allem Joh. Val. Andreä, der, „eine große Leuchte der Württ. Kirche überhaupt", 1620—39 hier Dekan war; die Calwer Zeughandlung ist nachher unter der Firma kckaxsr, Lebill s OompnKnis cki Oslvsehr berühmt geworden, während in späterer Zeit die Namen Dörtenbach, Notier, Stälin, Bischer, Wagner, Zahn im Vordergrund standen. — Dr. Barth gründete 1827 das Calwer Missionsblatt und leitete den „Verlagsverein", ein Unternehmen, das weit über die Grenzen Deutschlands bekannt wurde. Von Barths Schriften fanden die größte Verbreitung seine „2 mal 52 biblische Geschichten", denn sie wurden in annähernd hundert fremde Sprachen übersetzt. Generalkonsul Emil v. Georgii-Georgenau, Fr. Stälin, Direktor der Landesbibliothek, C. I. Zahn. Komponist des Reiterliedes „Wohlauf Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd" erblickten hier das Licht der Welt; aus älterer Zeit wären noch zu nennen Jodokus Eichmann, tz 1489, ein f. Zt. angesehener Professor der Theologie; Konrad Widmann, bekannt durch seine i. I. 1488 für das Kloster Alpirsbach geschnitzten Chorstühle, welche jetzt die Kirche in Freudenstadt zieren; Hans Summenhard, aus einer in Calw angesehenen, nach dem benachbarten Orte Sommenhardt genannten Familie. 1476—87 Richter in Calw und von seinen Zeitgenossen ein „Monarch unier den Theologen", ein „Phönix unter den Doktoren" genannt. — Aus der Zeit der Befreiungskriege ist zu nennen Gustav v. Bischer, geb. 1797 als Sohn des Chefs der Calwer Floß- Handels-Compagnie; „von wegen seines bei verschiedenen Affairen bewiesenen tapferen und mannhaften Benehmens" wurde er in den erblichen Adelstand erhoben. Er starb 1837; sein schöner Grabstein bildet noch heute eine Zierde des Friedhofs. Die Schwester Emilie des Rittmeisters Gustav v. Bischer war die geistig ebenbürtige Gattin Ludwig Uhlands. — Auch Auguste Supper, die feinsinnige Schriftstellerin, dürfen wir als Calwerin, die ihre Jugend hier verbrachte, erwähnen. Manches Motiv ihrer weitverbreiteten Dichtungen schöpfte sie aus Calws Umgebung. Daß unter den neueren Schriftstellern Hermann Hesse ein geborener Calwer ist, wird hinlänglich bekannt sein.