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auch die Stätten frühester Besiedlung. Die Veweidung durch die Her­den und später der Ackerbau haben in diesen Gegenden dann ein wei­teres Vordringen des Waldes verhindert, trotz kühler und feuchter werdendem Klima. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß infolgedessen weite Flächen der alten Steppengebiete unseres Landes seit jener Zeit nie mehr Wald getragen haben. Ohne diese Einwirkung des Menschen aber wäre unser Land heute so gut wie ganz mit Wald bedeckt.

Wir haben noch einige andere Pflanzen in unserem Bezirk bezw. dessen näherer Umgebung, die Ueberbleibsel aus früheren Klimaperio­den darstellen: den graublättrigen Alpendost und die Bergkiefer, die zu den Gebirgspflanzen gehören. Sie haben ihre eigentliche Heimat im Krummholzgebiet der Alpen, dort, wo in etwa 15002000 Meter

Bild 111: Schlüsselblume, Aronstab, Stechpalme.

Meereshöhe der Baumwuchs aufhört und nur noch Gebüsch den Boden bedeckt. Sie sind erst nach der oben besprochenen Steppenzeit zu uns gekommen, als eine Zeit lang ein feuchtkaltes Klima bei uns aufkam, so dass sich der Krummholzgürtel von den Alpen weit ins Vorland derselben herabsenkte und auch von einem großen Teil des Schwarz­walds Besitz ergriff. Mit dem Wärmerwerden des Klimas kehrte der Wald wieder zurück, aber da und dort hielten sich doch auch Reste der Flora dieser Zeit bis auf unsere Tage. Sie verlangen aber feuchtes Klima und humusreichen Boden. So geben nicht nur die Steine, son­dern auch die Pflanzen Zeugnis von den früheren Schicksalen unserer Erde.

Wir haben gesehen, es ist eine reichhaltige Gesellschaft, die den Plan­zenflor unserer Heimat bildet, und gerade die Gegensätze in der Flora des östlichen und westlichen Teils des Bezirkes bieten so viel des Interessanten. Leider ist manche seltene Art in den letzten Jahren für immer verschwunden. So fand man einst am Schlotzberg in Na­gold die Orchis Spitzelt, deren nächste Standorte weit weg in den Ti­roler und Salzburger Alpen liegen, und noch eine andere schöne Or­chidee, der Frauenschuh, war bei uns früher nicht selten anzutreffen. Vorbei! Blinde Sammelwut und Unverstand haben sie zum Ausster­ben gebracht. Vergessen wir doch nicht, daß jede Blume, die wir brechen, keinen Samen tragen und sich damit vielfach auch nicht fort­pflanzen kann; das aber mutz, wenn es häufig geschieht, bei seltenen Arten mit Sicherheit zum Aussterben führen. Ist es nicht genug an dem, was aus wirtschaftlichen Gründen dem Untergang anheim fallen