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VI. Die Blumen des Moorwaldes und der Waldwiesen.
Auf feuchten Wiesen blühen im Mai zu Tausenden die prächtigen Trollblumen, deren hellgelbe Blüten sich zu einem Kruge zusammenfchließen. Die Trollblume ist eine Verwandte der Sumpfdotterblume, die mit ihren Gold- kränzen verschwenderisch die Wassergräben umsäumt. Auf Waldwiesen und Waldmissen liegtS im Mai da und dort wie ein weißer Linnen. Das hat das schöne Wollgras auf den grünen Plan gewoben. Das interessanteste Moorpflänzchen jedoch ist der Sonnentau, der zu den fleischfressenden Pflanzen gehört. Diese Täuschblume besitzt Drüsenköpfchen, die wie Tau- oder Honigtropfen leuchten. Wehe dem durstigen Mücklein oder Käferlein, das den vermeintlichen süßen Saft schlürfen will! Hundert fleischgierige Fangarme umgarnen das arme Tierchen und öffnen sich erst wieder, wenn sie es ausgesaugt haben. Einen prächtigen Schmuck des Moorwaldes bildet auch das zierliche Preiselbeersträuchlei». Der Naturfreund erfreut sich im Mai an den reinweißen Blütenglöckchen, im Sommer an den glühendroten, zu einem Träubchen vereinigten Beeren, welche die Mahlzeit würzen, Brustleiden mildern und Halskatarrhe heilen, und im Winter an den immergrünen Blättchen.
55. vie Heiäelbeerernle.
Gleich einem lichtgrünen Teppich breiten sich die zierlichen Heidelbeer- sträuchlein über dem Waldesboden aus und verleihen dem düsteren Nadelwald ein freundliches Aussehen. Lieblich prangen im Frühjahr die rötlich grünen Blütenglöckchen; nicht minder anmutig erscheinen die bescheidenen Sträuch- lein, wenn sie im Sommer ihre blauschwarzen Beeren alt und jung als Gabe darbieten. Die Heidelbeere trifft man am häufigsten in den lichten Tannenwäldern des Buntsandsteingebiets; die Missenwälder (versumpfte Forchenwälder) überläßt sie der genügsamen Preiselbeere und dem schmucken Heidekraut. Ende Juni beginnen die ersten Heidelbeeren zu reifen. Kinder und Frauen benützen die Gelegenheit, sich durch das Sammeln der Beeren einen lohnenden Nebenerwerb zu verschaffen. Von erwachsenen Personen, die eine besondere Fertigkeit haben, können in ertragsreichen Jahren mit einem „Reff" (Holzkamm) täglich bis 80 Pfund, von Kindern 20 — 40 Pfund geerntet werden. Die Händler bezahlen pro Pfund 10-20Pfg. Nach genauen Schätzungen wurden im Jahre 1910, das eine sehr reiche Beerenernte zu verzeichnen hatte, von der Bevölkerung des Calwer Waldes (der 25 Ortschaften mit etwa 9000 Einwohnern umfaßt) etwa 5000 Doppelzentner geerntet. Eine ähnliche Mastenernte war auch im Jahre 1924. Als Hauptausfuhrort für Heidelbeeren gelten Altburg und Rötenbach. Vor Erbauung der Bahn wurden die Heidelbeeren vielfach getrocknet und von Weinhändlern aufgekauft. Sie wurden weithin, selbst nach Amerika versandt. Die meisten wurden zu dem magenstärkenden Heidel- beergeist gebrannt; jetzt werden sie hauptsächlich eingedünstet, in obstarmen Jahren zur Mostbereitung benützt.