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48. Oer Kirchhof in tlaln).

D schöner Dct, ven loten auserkoren, zur Ruhestätte für Sie müden Glieder, hier singt der Frühling Auferstchungsiieder vom treuen Sonnenblilk zurückbeschworen!

Nik. Lenau.

Der Tag ging regenschwer und sturmbewegt.

Ich war an manch vergeff'nem Grab gewesen, verwittert Stein und Kreuz,

die Kränze alt, die Namen überwachsen, kaum zu lesen.»

Diese stimmungsvollen Verse sind uns schon oft lebendig geworden, wenn wir auf dem schönen Calwer Kirchhof verweilten. Die wenigsten Wanderer, die auf der verkehrsreichen Straße Calw-Hirsau am Kirchhof Vorbeigehen, haben eine Ahnung, welche Feinheiten von Natur und Kultur hinter der bis jetzt noch un­schönen Kirchhofmauer verborgen sind. Schon der Eingang ist eindrucksvoll, ein schöner Eingang auch für den, der das letztem«! die Schwelle überschreitet; alte große Nußbäume senken tief herab ihre Aste, trauernd und tröstend. Mehrere Stufen gliedern den sanft am Berghang gelegenen Kirchhof in überaus glücklicher Weise, als könnte die ganze Anlage anders gar nicht sein. Lange Mauern, von oben bis unten bewachsen mit rasch spinnendem Efeu, dazwischen wieder ein ver­witterter Stein aus vergangenen Tagen, eine schmucklose, schwarze Gußplatte, ein­gelassen in die Mauer mit einfach geschmackvoller Schrift, ein von Rost halb zer­fressenes Kreuz und hier ruhen sie in des Todes Reihen, die vielen, vielen Ge­schlechter, die vor uns waren. Da sind Familiengräber, mit frommer, anhänglicher Liebe gepflegt und mit brennend farbigen Blumen bepflanzt; hier hat einer das ganze Grab vom Efeu überranken lassen, da hat es einem gefallen, einen selber aufgegangenen Baum aufschießen zu lassen, der nun als Ruhepunkt die lange Reihe unterbricht. Dort liegt ein Grab, dessen Mauern schon alle voll waren mit Platten und Namen; der Hinterbliebene hat daher vor die Mauer das Kreuz gestellt. Überall herrscht reiche Abwechslung, eine Fülle von Formen und Farben.

Seit ZOO Jahren begraben nunmehr die Calwer hier ihre Toten. Bis zum Jahr 1500 war wie einst fast überall der Begräbnisplatz rings um die Kirche, etwa IOO Jahre darauf wurde er zu derKapelle" verlegt, an die Stelle, wo heute die Turnhalle steht. Im Jahr 1618 schenkte Katharine Hapd, die ein Alter von IOO Jahren erreicht hat, der Stadt ihren Acker beimPrüel" (Brühl), der damals als Hexentanzplatz verschrieen war. Der Stiftung entsprechend wurde der Acker als neuer Kirchhof angelegt und seither mehrmals erweitert hoffentlich bleibt der schöne Platz noch recht lang unser Kirchhof! Während heute darüber hin die Eisen­bahn dröhnt und unten auf dem Hirsauer Weg die Automobile sausen, ist hier ein Ort des Friedens und stiller Versonnenheit. Die ganze Geschichte der Stadt aus den letzten Jahrhunderten läßt sich hier studieren, die Blüte der Handlungskom­pagnie, die zugleich die Blüte der Stadt bedeutet, dann aber auch der Zerfall einzel­ner Geschlechteruns hebt die Welle, verschlingt die Welle". Wieviel Namen stehen draußen zu lesen auf den alten verwachsenen Steinen, die einst groß und be-