Die Erlaubnis zur Auswanderung war an verschiedene Bedingungen geknüpft, unter denen die Genehmigung damals gewährt wurde, so der Verzicht auf Bürger- und Untertanenrechte, das Verbot der Rückkehr in die Heimat und die Einbehaltung des Vermögens der Minderjährigen bis zur Großjährigkeit. (Die Auswanderer aus Deutschland wurden staatenlos und waren demnach in der neuen Heimat rechtlos, was nur allzu viele bitterböse erfahren mußten. Der Engländer blieb in der ganzen Welt Engländer und stand un­ter dem Schutz seines Heimatlandes!)

Weniger Bemittelte und Arme begaben sich nicht selten sorg­los und ahnungslos in die Hände der sogenannten "Seelenverkäufer" Auswanderungsagenten lieferten diesen ihre "Ware" ab. Die Aus­wanderer mußten sich verpflichten, die ihnen gestundete Überfahrt durch jahrelange Dienstbarkeit in Amerika abzuverdienen. Insbesondere war Rotterdam ein berüchtigter Ausfuhrhafen.

Ein in Haag ansässiger Stuttgarter Bürger hat in einem Schrei­ben an den Herzog das Los der armen Auswanderer geschildert.

Darin heißt es, daß diese "vor vieles Geld nach dem neuen En­gelland und andere Pläz verkaufft werden als Sclaven. Was dann mit dem Leben davon komt, das wird dann ausgetheilt zu der Ar­beit, worzu es taugt. Wann sie von Rotterdam abfahren, so wissen

sie nicht, wo sie hinkommen.- Ich habe diesen Sommer mit der

größten Verwunderung angesehen, wie sich welche aus Unserem Land haben resolvirt, wider zuruk zu gehen und all ihre Sachen auf dem Schiff zu lassen, allein man hat sie verfolgt und wider zuruk gebracht. So hat man sie gebunden in das Schiff gelegt und keines mehr aus dem Schiff gelassen über vier Wochen, bis das Schiff abgegangen ist."

Um die Auswanderung nach Rußland w.ar es nicht viel besser gestellt. Es ist kein Ruhmesblatt unseres Landes, daß Württem­berg neben Baden, Hessen und der Pfalz weitaus am meisten Lan­deskinder an den Osten verloren hat. Die Regierung sah dieser Entwicklung tatenlos zu, wenn sie nicht gar noch begünstigt wurde. So soll der russische Kaiser beim Wiener Kongreß 1815 mit dem König von Württemberg die Verabredung getroffen haben, daß dieser seinen Untertanen sechs Jahre lang freie Ausfahrt nach Rußland gestatten solle. In diesem Zusammenhang muß er­wähnt werden, daß zwischen dem württembergischen Regenthaus und dem Zaren Alexander I. verwandtschaftliche Beziehungen be­standen und neben anderen die Schwester Alexander I. Katharina den König Wilhelm I. von Württemberg heiratete. In diese Zeit fällt die Auswanderung der vierköpfigen Familie des Johann Gottfried Stanger von hier in den Kaukasus (1817).

Die wichtigsten Bestimmungen, welche Rußland für die Ein­wanderer herausgegeben hatte, waren: '

1. freie Religionsausübung,

2. Befreiung von Steuern auf 10 bis 30 Jahre auf dem Land und auf 10 Jahre in den Städten,

3. zinslose Darlehen für alle Anschaffungen,

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