Möttlingen vor 100 Jahren
Ein seltenes,vielleicht einziges Bild von Möttlingen aus der Zeit vor hundert Jahren ist uns in einer Bleistiftzeichnung erhalten geblieben.Die Lage und Ansicht des Dörfchens sind unverkennbar.Rechts und links der Kirche,die fast im Mittelpunkt steht,ziehen sich die Häuserreihen hin. Im Vordergründe nähert sich die baumbestandene Strasse in einem Bogen der rechten (nördlichen) Dorfseite. Es'ist die Weilderstädter Strasse.
Eine einspännige sogenannte Chaise und verschiedene Fussgänger nähern sich der Heimat.Sie kommen wohl aus der Stadt,vielleicht war Markttag dort.Es ist ein Werktag,anfangs August. Zwei Personen sind mit dem Binden der Garben beschäftigt.Rechts und links davon ist noch je ein Feld sichtbar,das auf die Sichel wartet. Der Bauer ganz rechts im Vordergrund ist aber schon dabei,mit zwei Kühen am Pflug seinen Acker zu stürzen.Den Sonnenstrahlen zufolge,die aus dem Gewölk hervorschiessen,muss es Spätnachmittag sein. Mit viel Liebe und beachtlichem Können hat sich der Zeichner den Bäumen, sowie den Gestalten auf dem Bilde angenommen.In der Haltung sind insbesondere die Arbeitenden,wie auch die Tiere recht gut getroffen. Die Darstellung der Landschaft ist weniger gut. Hier hat der Zeichner nicht so pünktlich gearbeitet und sich manche Freiheiten erlaubt. Der Abhang des "köpfle" z.B. ist in das Bild hineingeschoben worden.Der Zeichner sasa am Köpfle ungefähr dort,wo heute das Haus Niethammer steht und hatte es also im Rücken. Interessant ist die Bewaldung dort.Oben ist Jungwald mit noch einigen Schirmtannen aus der früheren Bewaldung.
Aus den dargestellten Gebäulichkeiten ist es immerhin möglich den ungefähren Zeitpunkt der Entstehung des Bildes zu bestimmen. Die Kirche hat auf der Westseite einen Turm mit einem achteckigen Stockwerk.Zweifellos ist es der 1746 erstellte Kirchenbau. Der Chor hat noch ein einfaches Pultdach. Der östliche Abschluss mit einem teilweisen Zeltdach erfolgte später.Am Nordrande des Chors ist noch das 5.Spitzbogenfenster sichtbar,das später zugemauert wurde.Das Pfarrhaus,etwas verdeckt durch zwei Bäume erkennt man an dem Krüppelwalm.Das niedere Gebäude links davon dürfte das 1710 erstellte Waschhaus sein.Das Gebäude rechts davon mit der grossen Fensterreihe ist das Schulhaus;es fehlen aber im'Untergeschoss die Fenster des erst um 1900 eingerichteten Lokals der Unterklasse.Der Raum diente dem landwirtschaftlichen Nebenerwerb des Schulmeisters.Zwischen Pfarrhaus und Schulhaus steht die 1853 gebaute neue Pfarrscheuer.Die alte,grosse Pfarr- Zehntscheuer,die im Pfarrgarten stand,war 1851 abgebrochen wor- den;sie ist auf dem Bilde demnach nicht mehr zu sehen.Weiter zurück steht quer zum Schulhause das Haus Fricker und dahinter,in der Richtung aber verdreht,das grosse Metzger Stanger'sche Haus, der frühere Ochsen.Es wurde kurz vor 1720 erbaut und war nach dem Meierhofgebäude das am höchsten eingeschätzte Hausjsehenswert ist heute noch die Giebelseite mit dem geschnitzten Balkenwerk, Der Kirchhof ist mit einer Mauer umgeben.Ungefähr in der Mitte zwischen Pfarrhaus und Kirche ist ein Tor in der Mauer,auf wel- ) ches das Kirchwegle direkt hinführt. Der Beschauer von heute fragt unwillkürlich: Bestand dieses Tor in Wirklichkeit und hat der Zeichner genau gearbeitet,oder war es eine freiheitliche Gestaltung in Bezug auf die Bildwirkung?
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