«uch auf den Landorten. Man sollte es kaum für möglich halten, daß jahrelang solch: Unterschlagungen fortgesetzt werden konnten trotz öfterer Kontrolle des Jahres und jährlicher Revision durch Fachmänner. Vom heutigen Tage an wird der Geschäftsbetrieb der Bank eingestellt. Nach Beendigung des Rechnungsgeschäfts wird eine Plenarversammlung der Genossenschaftsmitglieder erfolgen. — Kassier Klaiber war auch Agent einer größeren Lebensverstcherungs- gesellschaft und s'Ibst ziemlich hoch versichert. Anfangs wollte man den Verstorbenen ausgraben lassen, um zu konstatieren, ob er als Selbstmörder gestorben sei. Es wird jedoch davon abgesehen. Anhaltspunkte, wo das viele Geld hinkam, hat man keine, da der Verstorbene seine sämtlichen j christlichen Sachen vernichtet hat. Man vermutet, er habe große Sunrmen in auswärtigem Spiel verloren. Für sich und feine allerdings zahlreiche Familie hätte er solch großen Betrag nicht verbrauchen können, das wäre in einer kleineren Stadt, wie Herrenberg ist, ausgefallen.
Stuttgart, 8. Juli. Zu der gemachten Mitteilung, wonach Geh. Kommerzienrat Siegle für die Verunglückten des Eyachgebietes 20 000 Mark gespendet habe, ist berichtigend zu bemerken, daß hiemit die Summe gemeint ist, die Herr Adolf Kutroff (Firma Pickhardt und Kutroff), New-Uork, unter den dortigen Deutschen gesammelt und durch Vermittlung der Firma G. Siegle und Co. dem Ministerium des Innern überwiesen hat.
Göppingen, 7. Juli. Bei dem Festmahle, das die Teilnehmer an der Hohenstaufenfahrt der deutschen Partei gestern im Apostelsaale abhielten, wurde beschlossen, ein Telegramm an den Fürsten Bismarck abzusendcn, das folgenden Inhalt hatte: „Dem Fürsten Bismarck, Friedrichsruh. Heute auf dem schwäbischen Kaiserberge Hohenstaufen versammelt zur Gedächtnisfeier an die Errungenschaften des großen Krieges, sendet die deutsche Partei Württembergs dem Begründer der deutschen Einheit und dem getreuen Eckart des deutschen Volkes innigen Dank und Gruß. Dr. Schall, Stuttgart."
Hamburg, 6. Juli. Der „Hamb. Korr." meldet aus Friedrichsruh: Fürst Bismarck machte gestern morgen allein einen größeren Spaziergang. Als eine Anzahl Fremder vor dem Landhause sich angesammelt hatte, trat der Fürst hervor und unterhielt sich längere Zeit mit denselben. Sein Befinden ist offenbar ein recht gutes.
Eine Rede hielt Oberpräsident Graf Wilhelm Bismarck, welcher gegenwärtig sich auf einer Inspektionsreise durch Ostpreußen befindet. Der Schluß derselben sei hier mitgeteilt: „Eins möchte ich nur bitten, ich möchte nicht gern Vergleiche zwischen meinem Vuler und mir gezogen sehen; denn dabei fahre ich doch zu schlecht. Das deutsche Volk hat seinen Bismarck gehabt und hat daran für lange Zeit genug. Ich möchte in meinen Leistungen für mich allein beurteilt werden, und es wird mein fortwährendes Streben sein, die Interessen der mir anvertrauten Provinz nach meinen besten Kräften zu fördern."
Schweiz.
Neben dem Gotthardttunnel wird es in absehbarer Zeit nun noch eine zweite Verbindungsstraße zwischen Italien und Deutschland geben; die diplomatischen Verhandlungen über den Bau und Betrieb der projektierten Bahn durch den Simplon sind neuerdings mit lobenswertem Eifer ausgenommen worden.
Oesterreich-Ungarn.
Laibach, 8. Juli. Heute nachmittag 3 Uhr 20 Min. erfolgte ein mittelstarker wellenförmiger Erdstoß mit vorangehendem und nachfolgendem Vibrieren des Bodens und mit Getöse. Der Erdstoß dauerte 3 Sekunden und verursachte starkes Fensterklirren, sowie Beschädigungen an den Häusern.
Frankreich.
Paris, 8. Juli. Großes Aufsehen erregt in politischen Kreisen die Thatsache, daß die französischen Diener bei der hiesigen englischen Botschaft entlassen worden sind. Als Grund wird angegeben, daß einer derselben vom Privatsekrekär des Botschafters ertappt wurde, als er ein offizielles Telegramm aus den offenen Briefkasten stehlen wollte. (Was werden dazu die französischen Spionenriecher sagen?)
Paris, 9. Juli. Das „Petit Journal" meldet aus St. Petersburg, in Moskau wurde ein großes Komplott gegen das Leben des Zaren entdeckt. Der Chef der Moskauer Geheimpolizei überwachte seit längerer Zeit die Angelegenheit. Eine Anzahl Verhaftungen wurde vorgenommen. 8 Personen sind direkt am Komplott beteiligt, darunter 6 erst neuestens begnadigte Nihilisten. Der Zar ließ den Polizisten als Belohnung 10 000 Rubel überweisen.
Der „Figaro" über Elsaß-Lothringen. Der „Figaro" hatte es bereits einmal erzählt, daß Frankreichs Bündnis mit Rußland nur ein defen
sives sei, Rußland also zur Hilfe bereit wäre, wenn Frankreich angegriffen würde. Andrerseits aber meint der „Figaro": Dies ist zweifellos, am Tage, wo Deutschland rnit auswärtigen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte, welche es seiner Bewegungsfähigkeit Frankreich gegenüber beraubten, würde die Franzosen keine menschliche oder göttliche Kraft an einer Einmischung zum Zweck des Zerreißens des Frankfurter Friedens hindern. Frankreich wartet also auf irgend eine kriegerische Verwicklung Deutschlands, um gegen dieses behufs Wiedergewinnung Elsaß-Lothringens vorzugeheu.
Italien.
Rom, 7. Juli. Heute nachmittag fand unter dem üblichen Zeremoniell die standesamtliche Trauung des Herzogs von Aosta mit der Prinzessin Helene von Orleans statt.
Schweden-Norwegen.
Stockholm, 8. Juli. Nach der gestrigen Tafel in Drottningholm schenkte der König dem deutschen Kaiser eine genaue Kopie des von Nürnberger Bürgern im Jahr 1632 dem König Gustav Adolf geschenkten Pokals, welcher ein Meisterstück der deutschen Renaissance ist. Er stellt den Erdball auf den Schultern des Atlas dar.
Stockholm, 9. Juli. Der Dampfer „Tessin" mit dem deutschen Kaiser und dem König von Schweden an Bord traf um 12 Uhr 25 Min. gestern in Sko- kloster ein, wo nach dem Frühstück die Sammlungen besichtigt wurden. Bei der Landungsbrücke vor dem Schlosse waren Ehrenpforten errichtet. Weißgekleidete Mädchen streuten Blumen. Bei der Abreise spielte sine Abteilung des Musikkorps der Flotte verschiedene Musikstücke. Um 2 Uhr 5 Min. verließ der „Tessin" Skokloster und wird um 5 ft? Uhr in Stockholm erwartet, wo sich König Oskar an Bord der „Hohen- zollern" begiebt, um sich von Kaiser Wilhelm zu verabschieden.
Amerika.
New-Aork, 9. Juli. Ein fürchterlicher Wirbelsturm, begleitet von Wolkenbrüchen, verheerte gestern 200 englische Meilen weit die Staaten Missouri und Kansas und das angrenzende Jndianergebiet. Der Verlust von Ernte und festem Eigentum beträgt mehrere Millionen Dollars. 40 Menschen fanden ihren Tod dabei. Die Stadt Canton wurde vom Erdboden weggetragen. Das ganze Gebiet ist völlig verheert. Der große Sturm hat in Chicago viele Häuser abgedeckt. Der Blitz schlug an 35 Stellen ein. Auf dem Michigansee sind mehrere Schiffe gescheitert, wobei 14 Personen ertranken.
Kleinere Mitteiln«ge«.
Freudenstadt, 7. Juli. Durch Scheuwerden des Pferdes verunglückten gestern nachmittag auf der Schönberger Straße alt Schultheiß Kilgus und dessen Schwiegersohn Ziegler von Schömberg. Der Arzt, welcher auf den Steinwald gerufen wurde, konstatierte bei Kilgus 2 Rippenbrüche. Schultheiß Ziegler hatte eine tiefe, jedoch nicht lebensgefährliche Kopfwunde, welche zugenäht werden mußte. Der Zustand der Verunglückten ist bis jetzt nicht besorgniserregend.
Freudenstadt, 8. Juli. Aus schauerliche Weise mußte ein hier beschäftigter, von Baiersbronn gebürtiger, lediger Nagelschmiedgeselle sein Leben lassen. Derselbe befand sich gestern abend bis in später Stunde in einer hiesigen Wirtschaft und wurde von dem Wirte, da er stark angetrunken war, verschiedenemale aufgefordert, sich nach Haufe zu begeben, welcher Aufforderung er auch endlich Folge leistete. Der Wirt glaubte selbstverständlich, daß der Betreffende sich zu Hause befinde, oder doch wenigstens sein Haus verlassen habe und begab sich zur Ruhe. Am andern Morgen fand die Frau des Hauses, welche im Keller etwas holen wollte, zu ihrem großen Schrecken unten an der Kellertreppe den Nagelschmiedgesellen tot vor. Der Verunglückte hatte in seinem angetrunkenen Zustand jedenfalls die Kellerthüre mit der übrigens ganz abseits liegenden Hausthüre verwechselt und durch den Sturz in den Keller sein Leben eingebüßt.
Reutlingen, 8. Juli. Vom hiesigen Brieftaubenklub wurden gestern vormittag 9 Uhr in Münsingen 23 Stück Tauben abgelaffen; als erste trafen nach Verlauf von IS Minuten die Tauben der HH. Geckeler und Schäftmacher Benz hier ein; 2. Minuten später folgten die Tauben der HH. Schuhmacher Eisenlohr und Wagner. Verflogen hat sich lt. „G.-Anz." keines der 23 Tiere, so daß der junge Verein, dem ein gutes Gedeihen zu wünschen ist, mit seinen bisherigen Erfolgen wohl zufrieden sein kann.
Stuttgart, 6. Juli. Seit einigen Tagen verkehrt auf der Strecke Stuttgart-Nördlingen probeweise ein Bahnpostwagen, welcher elektrische Beleuchtung hat; dieselbe wird bewerkstelligt durch in den Boden des Wagens eingelassene Akkumulatorenkästen, welche nach Belieben gewechselt werden können. Es werden durch dieselben 7—6 Lichtflammen erzeugt. Lichtstärke und Leuchtdauer haben sich als vorzüglich erwiesen. Mittelst der Umschalter kann jede einzelne Flamme beliebig in oder außer Thätigkeit gesetzt werden. Sehr zweckmäßig ist auch die Einrichtung, daß
eine transportable Flamme in Laternenform im Wagen angebracht ist. An verschiedenen Punkten des Wagens befinden sich logenannte Steckdosen, in welcher die Stöpsel, am Leitungsdraht eingesteckt werden, worauf die „Laterne" brennt. Mit derselben kann man, ohne daß der Leitungsdraht die Passage im Wagen stört, in jedes einzelne Fach hineinleuchten. Diese elektrische Beleuchtung hat den mehrfachen Vorzug, der geringen Wärmeentwickelung des ruhigeren und helleren Lichtes und der Gefahrlosigkeit bei etwaigen Eisenbahnunfällen.
Stuttgart, 8. Juli. Der Raubmörder Vöster wurde des Raubs und des Mords schuldig gesprochen und zur Todesstrafe. Ehrverlust zeitlebens und sämtlichen Kosten verurteilt.
Stuttgart, 8. Juli. An den Präsidenten des Schwurgerichts ist eine Visitenkarte gelangt, in der gedroht wird, daß der Justizpalast in die Luft gesprengt wird, wenn Vöster nicht sreigesprochen wird.
Be in st ein b. Waiblingen, 8. Juli. Gestern abend,, als die Mitglieder des älteren Radfahrervereins Stuttgart von Grunbach her vor Beinstein kamen, wurden sie mit Steinwürfen derart überschüttet, daß mehrere verwundet wurden. Zwei Radfahrer wurden von der „reiferen" Jugend Beinsteins sogar mit Messerstichen traktiert. Die Verwundeten wurden nach Waiblingen verbracht, wo auch sofort von dem Vorfälle Anzeige erstattet wurde. Schon seit langer Zeit werden die Radfahrer beim Passieren des Orts mit Steinwürfen re. begrüßt.
Ulm, 7. Juli. Ueber das gestern früh beim Exerzieren der S. Batterie des Feldart.-Regts. König Karl (1, württ.) Nr. 13 vorgekommene Unglück verlautet Näheres: Es entstand dadurch, daß das frühere Geschütz der Batterie, welche vom oberen Eselsberg auf das untere Werk fuhr, beim Ausfahren einer Kurve an einen Randstein stieß, wodurch das Geschütz umfiel und die Bedienungsmanns chaft weggeschleudert wurde. Einem der letzteren wurde von dem auf ihn fallenden Geschützrohr der Kopf buchstäblich zerquetscht. Der Getötete heißt Rösch. Zwei weitere Mann der Batterie sind schwer, einer leicht verletzt.
Vom Lande, 8. Juli. Ein Landwirt im Unterland hat seinen Töchtern auf ganz eigene Art zu einem stattlichen Heiratsgut verholfen. Er hat zwei Töchter, denen er seit dem zehnten Jahr die Aufsicht über die Hühner und über das Milcherträgnis übergeben hatte. Er überließ ihnen die Einnahmen von Eiern, Butter und Milch, doch mußten sie den Erlös alle Montage auf die Sparkasse tragen. Kürzlich verheiratete sich die älteste und hatte 4200 Mk. in 16 Jahren zusammengebracht, die jüngere hatte 3600 Mk. in der Kaffe. Und dabei ist die Haushaltung auch wie andere geführt worden und nur das Ueberflüssige kam zum Verkauf. Dabei lernten die Mädchen Hausen und sparen.
Bern, 8. Juli. Der Bundesrat Schenk, in mehreren Perioden Bundespräsident, ist heute von einem zwei- spännigen Wagen umgeworfen und am Kops stark verletzt worden. Sein Zustand ist sehr bedenklich. Die Aerzte zweifeln daran, den Bundesrat Schenk retten zu können. Er ist vollständig bewußtlos und erkannte bisher Niemanden. Wahrscheinlich sind im Gehirn Blutungen eingetreten.
Eigenartige Sparbüchsen. In den Glasschränken des Kriminalmuseums im Berliner Polizeipräsidium sind dieser Tage zwei eigenartige „Sparbüchsen" untergebracht worden, die di? Polizei bei einem Mitglied der Verbrecherbande S eibt u. Gen. gefunden hat. Das von der Bande erbeutete Geld wurde in jenen von einem früheren Drechsler gearbeiteten „Sparbüchsen" aufbewahrt. Die eine der Büchsen besteht aus einem Holzkubus, dessen Seite etwa 40 cm mißt, also einem ansehnlichen Klotze, dessen Jnnen- raum bedeutende Summen aufzunehmen vermag. Dieses Schatzkästlein ist mit einem schweren Deckel versehen, der unauffällig an Scharnieren befestigt ist. Noch eigenartiger ist die zweite Kasette; sie besteht aus einem natürlichen Baumstamme von >/z m Länge und etwa 30 om Durchmesser. Ein durch einen Holzstöpsel verschlossenes Astloch bildet hier das Schloß des Geldbehälters. In ihrer Berechnung, daß die Polizeibeamten in diesen frei am Boden liegenden Holzklötzen nichts weniger als Geld vermuten würden, haben die Erbrecher sich freilich getäuscht.
Landwirtschaft, Handel L Berkehr.
Rottenburg, 8. Juli. Die Zufuhr zum heutigen Viehmarkt war nur mittelmäßig; denn bei den großen Futtervorräten setzen die Landwirte nur wenig Vieh ab, und mancher würde, wenn die Preise nicht so hoch geschraubt wären, eines oder mehrere Stücke ankaufen, um seinen reduzierten Viehstand vom Notjahr her zu ergänzen. Wirk, lich hohe Preise wurden verlangt und bezahlt für trächtige Kalbinnen und schönes Nutzvieh von ^ 380—503. Jungvieh, in welchem der Handel recht lebhaft war, brachte von ^ IM—250 auf. In Ochsen war der Handel sehr unbedeutend. Milchschweine mußten im Preise nachgeben; es wurde bezahlt per Paar von ^ 18—20, Läufer von
25—45 per Stück. Hierin war der Handel flau, weil fette Schweine im Preise sehr gesunken sind. Zugeführt wurden: 14 Farren, 39 Ochsen, 199 Kühe, 53 Rinder, 1 Gais, 15 Läuferschweme, 153 Milchschweine. Zus. 474 Stück. (R. Z.)
Stuttgart, 8. Juli. (Landesproduktenbörse.) Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen bayr. 16.—, Nicolajeff 16.52, Azima 16.—, Kernen Oberl. la. 17.25, Haber Alb 12.60, Donaumais 13.85.
Stuttgart. 8. Juli. (Mehlpreise). Wir notieren per IM Kilogr. incl. Sack bei Wagenladung: Suppengries ^ 29.-. Mehl Nr. 0:28.-29.—, Nr. 1:26.-27.-, Nr. 2: 24.20—25.50, Nr. 3: 22.50—23.50, Nr. 4: 20.50—21.50, Kleie mit Sack 6.—.
Stuttgart, 9. Juni. Kartoffelmarkt am Leonhardsplatz. Zufuhr 400 Ztr. Preis per Zentner 5—6 ^
Hiezu Schwäbischer L andwirt Nr. 4
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiserffchen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.