lieber die Zweckmäßigkeit des neuen Klappkragens sind die Ansichten wohl noch geteilt. Der Hals des Soldaten dürfte bei schlechtem Wetter eines genügenden Schutzes entbehren, da die Halsbinde, entsprechend dem Umlegkragen des Waffenrockes, vorn tiefer ausgeschweift ist. Sehr gut hat sich bis jetzt das nach einem gesetzlich geschützten Verfahren aus hellgrauer Baumwolle hergestellte neue Trikothemd bewährt. An dem Hemd befindet sich eine stehkragenähnliche Halspreise mit drei zur Befestigung der Halsbinde dienenden Knöpfen. Die Einführung dieser Trikothemden bedeutet auch einen finanziellen Vorteil, da die Trikothemden billiger als die bisher gebräuchlichen sind. Das neue Gepäck geht von dem bisherigen „Balanciersystem" vollständig ab, entbehrt der Hinteren, so sehr lästigen und schweren Patronentasche und ist nach dem Grundsätze eingerichtet, der auch für das im Jahre 1870 getragene Gepäck maßgebend war, die Patronen vorn am Leibriemen zu tragen und unabhängig davon den Rücken des Mannes mit dem Tornister zu belasten, der wie seither in zwei Teile geteilt werden kann. Bei dem 6. Armeekorps ist das erste Bataillon des Grenadierregiments Nr. 10 in Breslau mit der Erprobung des neuen Gepäcks und der neuen Ausrüstung beauftragt, und es werden, da die Mannschaften dieses Bataillons wie der anderen hiermit betrauten Bataillone das diesjährige Herbstmanöver feldmarschmäßig mitmacheu, nach demselben genügende Erfahrungen gesammelt worden sein, um über die end- giltige Einführung der geplanten Neuerungen entscheiden zu können. Bisher geht die überwiegende Ansicht der beteiligten Kreise dahin, daß die Aen- derungen im allgemeinen einen Fortschritt bedeuten, wenn auch in Einzelheiten noch Verbesserungen möglich sein dürften.
Luckau, 28. August. Bei der Fahnenweihe des hiesigen Kriegervereins hielt kürzlich Herr Freiherr v. Manteuffel-Crossen eine Ansprache an die versammelten Kameraden, in der die folgende beherzigenswerte Mahnung aussprach:
„Als wir am 18. Januar 1871 endlich die Träume unserer Jugend erfüllt, als wir die deutsche Kaiserkrone auf dem Haupte des Königs von Preußen sahen, da erbebte unser Herz in der vollen Zuversicht, daß das, wir errungen, auch festgehalten werden würde für alle Zeiten. Tiefe Zuversicht lebendig zu erhalten, das ist die heilige Pflicht der Kriegervcreine und an dieser heiligen Pflicht darf sich kein Kriegerverein jemals irre machen lassen. Teshalb gehören solche Männer nicht hinein, die unsere heilige Pflicht nicht teilen können, was uns beseelt: nämlich das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit unter dem deutschen Kaiser, der unser geliebter König von Preußen ist. Daß dieses Bewußtsein niemals ersterben möge, dies ist mein sehnlichster Wunsch, den ich zum Ausdrucke bringen muß; denn daß das Bewußtsein sterben wird, sofern man sich Kameraden in Kriegervereinen gefallen läßt, die solch Bewußtsein nicht teilen können, das ist meine feste Zuversicht. Solche Kameraden gehören darum nicht in den Verein! Aber daß diese königs- und kaisertreue Gesinnung, diese Gottesfurcht der festen deutschen Herzen stets in den Krieaerververeinen mächtig wallten möge, darauf bringe ich ein Hoch aus."
Es ist bekannt, daß die Sozialdemokraten keine Gelegenheit vorübergehen lassen, ohne über die Jnvaliditäts- und Altersversicherung zu spötteln und die Bedeutung dieses Instituts tu den Augen der Arbeiter nach Möglichkeit herabzusetzen. Dem gegenüber sind folgende Mitteilungen von Interesse, die zur Abwehr dieser unlauteren Bestrebungen von zuständiger Stelle gemacht werden: Es kommen gegenwärtig bereits rund 80000 Jnvaliditätsrenten auf 225000 Altersrentner. Weit mehr als ein Viertel aller auf Grund des Gesetzes vom 22. Juni 1889 bewilligten Renten entfallen also bereits aus die Jnvaliditätssicherung. Dazu kommt, daß der Zeitpunkt, an dem die Wartezeit für die Invalidenrente abgelausen ist, nicht mehr fern ist. Die Wartezeit ist auf 5 Beitragsjahre festgesetzt. Da ein Beitragsjahr sich aus 47 Beitragswochen zusammensetzt, die fünfjährige Wartezeit demnach aus 235 Kalenderwochen besteht, so würde nicht mehr ein Jahr verfließen müssen, damit die Uebergangsbe- stimmungen über den Bezug der Invalidenrente den dauernd gütigen Vorschriften weichen. Von der Mitte des nächsten Jahres ab aber wird sich die Zahl der Invalidenrenten stark vermehren, da dann die Forderung der Beibringung von Zeugnissen über die Beschäftigung vor dem 1. Januar 1891, dem Inkraftsetzungstermin des Gesetzes, wegfällt. Die Zahl der größeren Invalidenrenten könnte also bald die der kleinen Altersrenten übersteigen.
Französische Spion in. Ueber die Verhaftung
einer Französin wird unterm 28. August geschrieben: „Frau Jsmert aus Pagny wurde am Samstag abend von dem Polizeikommissar Szagger in Noveant aufgefordert, aus dem Zuge zu steigen und ihm in sein Amtszimmer zu folgen. - Hier wurde sie verhört und dann von einer Frau, die mit der Untersuchung der Damen auf zollpflichtige Gegenstände beauftragt ist, einer Visitation unterzogen; diese führte zur Entdeckung von zwei Schriftstücken, die Frau Jsmert unter den Strümpfen verborgen hielt. Nunmehr wurde ihre Verhaftung verfügt. Als ihr der Kommissar hiervon Mitteilung machte, schien sie zuerst sehr niedergeschlagen, überwand jedoch bald diese Schwäche. Außer den kompromittierenden Schriftstücken wurde ein Zünder (Modell 0 1888) gefunden, den die Jsmert in einem Regenschirm versteckt hatte.
O e st e r r e i ch - U n g a rn.
Wien, 31. Aug. Auf der Felixdorfer Haide nahe bei Wien rieß ein Fesselballon loß, worin der Oberlieutenant Dworzak saß. Der Ballon ohne Ballast verschwand in den Wolken.
Der alljährlich im August zuWien stattfindende Saatenmarkt wäre Heuer um ein Jahr verkracht und war auch verhältnismäßig sehr schwach besucht. Die Antisemiten in Oesterreich hatten gegen die Teilnehmer des Wiener Saatenmarktes die schwersten Vorwürfe erhoben, namentlich auch behauptet, daß die dort erscheinenden Getreidehändler die Bauern und Grundbesitzer in Oesterreich-Ungarn durch falsche Berichte über Ernte-Ergebnisse rc. bisher schwer benachteiligt hätten. Infolge dessen blieben zahlreiche sonstige Besucher des Wiener Saatenmarktes diesem fern, weil sie derartige Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen wollen.
Nach der Schätzung der „N. Fr. Pr." erzielt die österr.-Ungar. Monarchie im Jahr 1894 ein Erträgnis von 158 Mill. Meterztr. Getreide gegen 141 Mill. im Jahr 1893, also 17 Mill. mehr. Cisleithanien ist bei diesem Mehr mit 25 Mill. beteiligt, Ungarn hat Heuer 8 Mill. weniger geerntet. Jene 158 Mill. verteilen sich nach Getreide- Arten wie folgt: Weizen 54, Roggen 41, Gerste 27 und Haber 36 Mill. Meterzentner. Nach den heutigen Marktpreisen, also nahezu bei dem tiefsten Stande für Weizen und Roggen, beziffert sich der Geldwert der Ernte Oesterreichs und Ungarns mit 1010 Millionen Gulden. Auf Grund der gegebenen Konsumtionsverhältnisse vermag die Monarchie als Ueberschuß zu exportieren: Etwa 3 Mill. Meterzentner Weizen im Werte von 21 Mill. Gulden, 1 Million Meterzentner Roggen im Werte von 5',L Mill. Gulden, endlich o'/e Mill. Meterzentner Gerste und Malz im Werte von 52 Mill. Gulden. Im ganzen wäre es hienach möglich, einen Getreide- Export im Werte von etwa 80 Millionen Gulden zu erzielen.
Frankreich.
Paris, 1. Sept. Aus Hanoi wird gemeldet: In der Nacht zum 27. August ermordeten Chinesen den Zollkontrolleur von Moncay, namens Chaillet; seine Frau und seine sechsjährige Tochter wurden weggeschleppt. Die französischen Truppen konnten die Chinesen nicht einholen. Der französische Gesandte in Peking wird die Angelegenheit weiter verfolgen.
Italien.
Der Arzt des Papstes versichert, daß sich der Papst wohl befinde. Obgleich er sich durch die ungewöhnliche Hitze abgespannt fühle, gewähre er Audienzen und mache täglich Spaziergänge im Garten des Vatikans.
England.
Glasgow, 30. Aug. Eine heute stattgehabte Versammlung ausständiger schottischer Bergarbeiter beschloß mit 25 417 gegen 20 942 Stimmen, die Arbeit bei einer Lohn-Herabsetzung von 6 Pence wieder aufzunehmen.
Asien.
Vom ostasiatischen Kriegsschauplatz lauten die letzten Nachrichten sehr entschieden zu Gunsten der Chinesen, und die einfache Zusammenstellung der Orte, bei denen Zusammenstöße zwischen den feindlichen Armeen stattgefunden haben, beweist, daß, mögen jene Gefechte von großer oder geringer Bedeutung gewesen sein, die Chinesen fortdauernd im Vorrücken, die Japaner im Zurückweichen begriffen sind. Der Ausgang des bevorstehenden ernsteren Treffens ist bei der größeren militärischen Tüchtigkeit der Japaner noch ungewiß, aber unverkennbar haben die Chinesen bis jeßt zu Lande nicht nur
mit großer Schnelligkeit, sondern auch mit bemerkenswertem strategischem und taktischem Geschick operiert. was man von den Japanern nicht sagen kann.
Kleinere Mitteilungen.
Neuenbürg, 29. Aug. Gestern abend wurde Ge- meindewaldhüter Hörtter von Dennach, ein braver Familienvater, von dein ebenfalls dort wohnenden Holzhänd- ler Pfeiffer, mit dem er kurz zuvor einen heftigen Wortwechsel hatte, auf dem Heimweg von Schwann absichtlich überfahren und schwer verwundet an der Straße liegen gelassen. Der Unglückliche konnte sich mit Hilfe seines Schwagers noch bis in die Nähe von Dennach schleppen; dort verließen ihn die Kräfte, und nach kurzer Zeit starb er in den Armen seiner herbeigeeiltcn Frau. Das Gericht begab sich heute früh an Ort und Stelle.
Göppingen, 30. August. Der Walfischwirt Henzler ließ im Laufe des Frühjahrs in der Nähe seiner Brauerei einen Brunnen graben und stieß in einer Tiefe von ca. 9 Meter auf einen sehr starken Quell, der den 3 Mtr. langen und 2,5 Mtr. breiten Schacht in kurzer Zeit über die Hälfte mit Wasser füllte, weshalb die Arbeiten eingestellt werden mußten. Dieser Tage nun wurden die Arbeiten wieder ausgenommen und bei der Aufstellung eines Pumpwerks traf man aus ein Sauerwasser mit bedeutendem Kohlensäuregehalt. Da die Quelle viel stärker zu sein scheint, als die in der Landerer'schen Heilanstalt, von welcher aus das bekannte Göppinger Wasser weithin versandt wird, läßt sich ermessen, welch bedeutsamer Fund gemacht worden ist. Bemerkenswert ist, daß sich die neue Quelle rechrs von der Fils befindet, während die historische Göppinger,vasser- Quelle links von derselben liegt.
In Empfingen wurde ein 16jähriges Mädchen vom Hitzschlag getroffen und war in kurzer Zeit eine Leiche. Auch in Deltensee ist ein Mädchen am Hitzschlag gestorben.
Eine ausgezeichnete Honigernte soll in diesem Jahr bevorstehen. Wie aus der Lüneburger Heide geschrieben wird, hat die Heide ungemein reich geblüht, und da auch die Linden und der Buchweizen vorzüglich „gehonigt" haben, so gibt es ein vortreffliches Honigjahr.
Langenargen, 29. Aug. Ein trauriger Fall hat sich am letzten Sonntag Morgen zugetragen. Als die Leute in die Frühmesse gingen, sahen sie in der Nähe des Hafens den Leichnam eines Mannes, der nach dem Ausspruch des Arztes etwa 6 Stunden im See gelegen hatte. Man erkannte sofort, daß der Tote den Samstag nachmittag hier umherging, nach Arbeit fragte und da er keine bekam, ein Messer verkaufen wollte um sich Nahrung zu verschaffen. In seiner Geldtasche fand sich kein Pfennig vor und so ist die Annahme ziemlich sicher, daß die äußerste Not den armen Menschen zum schrecklichen Selbstmord veranlaßt hat, den er wohl schon am Samstag geplant hat, da er längere Zeit auf einer Bank mit stets auf den See gerichtetem Buck gesehen wurde. Der arme Mensch war ein Knecht aus dem Oberamt Nürtingen.
Baden-Baden, 29. Aug. In einem hiesigen Hotel wurde einer fremden Dame, während sie bei dem Rennen war, die Summe von 16000 ^ entwendet. Die Polizei ist eifrig auf der Suche nach dem Thäter.
Als Retter in der Not erwies sich ein 12jähriger Knabe einem Soldaten. Am Samstag Vormittag hatte ein Soldat des Augusta-Regiments in Spandau sich auf der Eisenbahnbrücke zu weit übers Geländer gebeugt, wobei ihm der Helm vom Kopfe und in die dort gerade sehr tiefe und reißende Hasel gefallen war. Nun stand er jammerd da und wußte sich nicht zu helfen. „Aber Männecken, können Se denn nich schwimmen?" Mit diesen Worten pflauzte sich der Kleine vor dem strammen Gardemann auf. Der Soldat wollte den Knirps anfangs kaum einer Antwort würdigen, meinte dann aber doch wehleidig, daß er das nicht verstände. „Det is doch sehr einfach. Wat kriej' ick, wenn ick den Deckel wiederbringen dhu?" Der Soldat versprach ihm 1 Ehe man sich dessen versah, hatte der Junge sich seiner Kleider entledigt und schwamm kühn auf die bezeichnet? Stelle zu. Das erstemal kam er mit leeren Händen wieder aus der Tiefe hervor, aber als er das zweite mal wieder emportauchte, da schwang er mit freudigem Winken den Helm in seiner Linken. Die Belohnung hatte er sich ehrlich verdient. __
Handel L Verkehr.
Stuttgart, 1. Sept. (Kartoffelmarkt.) Zufuhr: 600 Ztr. Kartoffeln, Preis Iri 2.80—3.20 per 100 St. (Filder- krautmarkt.) Zufuhr 2500 St. Filderkraut, Preis 15 bis 20 per 100 St.
Tettnang, 29. Aug. Seit Beginn dieser Woche wechselten viele Hopfen den Eigner hier und zwar^ zum Preise von 70 , E für Hochprima, zu 65, 64, 63, 60, 55, 50 bis herunter zu 40 per Ztr. und noch billiger, je nach Qualität und Beschaffenheit der Ware. Ein Privat-Tele- gramm lautet: Württemberger bis 70 ,.E., prima gesucht, andere vernachlässigt.
Aulendorf, 30. Aug. Der neuerrichtete Fohlenmarkt hat heute hier stattgefunden Der Zutrieb von Fohlen war mäßig (70-80 Stück), was seinen Grund in der Neuheit der Sache, sowie darin haben dürfte, daß der Landwirt die herrliche Witterung benützend mitten in der Oehmdernte steht, die ein ebenso reichliches Ergebnis abwirft, wie die Heuernte. Das Kgl. Landgestül hat von den vorgefuhrten Tieren 7 Saugfohlen erworben und hiefür schöne Preise bezahlt. War dieser Fohlenmarkt ein erster Versuch m Württemberg, so steht mit Sicherheit zu hoffen daß den künftigen ähnlichen Märkten eine schöne Zukunft bevorsteht.
Friedrichshafen, 29. Aug. Der Handel m Hopfen geht ziemlich flau und hört man von Verkäufen zu allen Preisen von 45—70 ^; gestern erlöste aber ein Produzent hier auch 84 , für Primaware._
Redaktion, Druck und Verlag der G. W. Zaiserffchen Buchhandlung (Emil Zaiser) Nagold.