Die Totenfeier Hans v. Bülow's hat am Donnerstag in der reich dekorierten, großen Michaelis- kirche in Hamburg stattgefunden. Die Leiche war auf dem Emporum glänzend aufgebahrt und mit .strunzen bedeckt. Zahlreiche Deputationen auswär­tiger Musikkorporationen und einzelne Künstler hat­ten sich eingefunden. Der Hauptpastor Behrmann hielt die Gedächtnisrede, in der er betonte, daß- low ein kirchliches Glaubensbekenntnis nicht gehabt habe. Der Zug durch die Stadt wurde wohl von 1 5 000 Menschen angesehen. Die Verbrennung der Leiche hat im Krematorium zu Ohlsdorf stattgef.indem

Maschinenfabriken in Thorn und Bromberg sollten erhebliche Bestellungen auf Pflüge, landwirt­schaftliche Maschinen und größere Viehwagen aus Rußland erhalten haben. Die Einfuhr solcher Ar­tikel nach Rußland hatte schon seit Jahren fast ganz aufgehört.

Gegen die Branntweinpest wendet sich ein jüngst ergangener Erlaß des Ministers des Innern, Grafen zu Eulenburg. In demselben wird hervor­gehoben, daß durch Aufstellung eines Ortsstatuts die Frage des Bedürfnisses nach Schankstätlen ge­regelt werden soll. Wo in Gemeinden von min­destens 15000 Einwohnern ein solches Ortsstatut noch nicht vorhanden ist, sind die Gemeindebehörden zu dessen Aufstellung aufzufordern.

In Folge des Handelsvertrages steigert sich der Güterverkehr von und nach Rußland mit jedem Tage. Die fahrplanmäßigen Güterzüge können, wie aus Thorn gemeldet wird, die in Rußland an­gesammelten Güter nicht fortschaffen, so daß Sonder­züge eingestellt werden müssen. Die Grenzstation Alerandrowo forderte schon zum zweiten Mal 100 leere Wagen. Auch der Schifffahrtverkehr auf der Weichsel ist sehr lebhaft. Stündlich treffen neue Kahne ans Rußland, namentlich mit Spiritus und Kleie ein.

Berlin, 30. März. Nach den Ausführungen, welche der preußische Handelsminister im Abgeord­netenhause über den Fortbildungsunterricht an Sonntagen gemacht hat, ist nicht zu bezwei­feln, daß wenigstens von preußischer Seite der Ver­such gemacht werden wird, noch in der laufenden Tagung im Reichstag einen Gesetzentwurf einzubrin­gen, durch welchen die sonst am 1. Oktober 1894 ablaufende Uebergangszeit für die Bestimmung des tz 120 der Gewerbeordnung über den Fortbildungs­unterricht an Sonntagen weiter ausgedehnt wird. Man versichert, daß regierungsseitig alles versucht werden wird, um wenigstens den Zeichenunterricht an den Sonntagen zu erhalten; denn man verschließe sich der Erkenntnis nicht, daß dieser Unterricht nicht nur Tageslicht, sondern auch eine ausgeruhte Hand braucht, und daß seine Erteilung deshalb an den Abenden der Wochentage nicht möglich oder wenig­stens völlig unzweckmäßig sein würde. Man wird in der durch die Aenderung des 8 120 gewonnenen Zeit versuchen, mit denjenigen kirchlichen Behörden, mit denen dies bisher nicht möglich war, zu einer Verständigung über die Einrichtung besonderer Gottes­dienste für die Fortbildungsschüler zu gelangen.

Berlin, 30. März. Es verlautet, Kaiser Wil­helm werde schon in den nächsten Tagen den Besuch des Kaisers Franz Joseph erwidern. Kaiser Wilhelm begiebt sich für kurze Zeit nach Berlin, kehrt aber zu längerem Aufenthalt nach Abbazia zurück.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 29. März. In Budapest ruft allge­meines Aufsehen hervor ein in der gestrigen Ver­sammlung der Reserveoffiziere gefaßter Beschluß, sich an dem Leichenbegängnisse Kossuths korporativ in zivilem Anzuge zu beteiligen und sich hierbei durch besondere Abzeichen als Reserveoffiziere kennt­lich zu machen. Dieser Beschluß ist um so sensa­tioneller, als der Korpskommandant Prinz Lobkowitz mittels Befehl den Offizieren der Reserve und des Ruhestandes eine korporative Teilnahme an der Leichenfeier in Uniform verbot und thatsächlich ver­lautet, daß am Tage des Leichenbegängnisses die Reserveoffiziere in den hauptstädtischen Kasernen kon- signiert werden sollen, um ihre Beteiligung daran zu verhindern.

Wien, 30. März. Ein gestern ausgebrochener Strike der Wiener Gasarbeiter kam der Bevöl­kerung ganz unvermutet. An dem Strike beteiligen sich ungefähr 2000 Arbeiter, die in den Diensten von einer englischen Gesellschaft gehörigen sieben Gas­werken stehen, welche zum größten Teil die Stadt­

Gasbeleuchtung versehen. Die letztere ist heute sehr gefährdet, falls nicht der .Konflikt beigelegt wird. Letzterer entstand keineswegs aus Lohndifferenzen, sondern lediglich, weil die Direktion einen 17 Jahre im Dienste der Gesellschaft stehenden Arbeiter ent­ließ, der sich bei den Genossen der wärmsten Sym­pathien erfreut, weil er einer der hervorragendstem Parteimänner ist. ^

Wien, 30. März. Einer Meldung der Presse aus Abbazia zufolge brachte Kaiser Wilhelm bei dem gestrigen Diner einen Toast auf Kaiser Franz Josef aus, den er hier in diesem Eden Oesterreichs begrüße, wo es seiner Familie so wohl gefalle und auch sei­nen Kindern zur Gesundheit und Kräftigung diene.

Wien, 30. März. Franz Kossut h, der Sohn des toten Volkshelden, bildet gegenwärtig die Hoff­nung und Sehnsucht der ungarischenUnabhängigen". Vorderhand hat er sich aber sehr gemäßigt und ver­nünftig benommen, indem er von allen Aufwigelun- gen und Uebereilungen dringend abgeraten hat. Auch neuerdings werden wieder verständige An­sichten von ihm laut. In Beantwortung einer Ansprache des Führers des Unterhauses sagte Franz Kossuth, die Verdienste Kossuths seien in die Ge­schichte Ungarns eingetragen. Einer Erwähnung im Gesetze bedürften sie nicht. Im Privatgespräch äußerte er, am besten ehrten diejenigen das Andenken Kossuths, die für die liberalen Gedanken kämpften; darunter meinte er die Kirchenvorlagen.

Wien, 30. März. Die Ueberreichung des Groß­kreuzes des Stefans-Ordens an den Präsidenten Car­not fand gestern in feierlicher Weise im Elysöe zu Paris statt.

Wien, 30. März. Der Kaiser ist heute vormit­tag nach Abbazia zurückgekehrt.

Pest, 30. März. Kossuth hat ein Testament hinterlassen. Die Familie beschloß jedoch, es wegen der Ausfälle gegen das Haus Habsburg und den Dualismus geheim zu halten.

Die Leiche Kossuths ist am Freitag nachmit­tag in Pest eingelangt und durch eine ungeheuere, Spalier bildende Menge unter Glockengeläute nach dem Museum übergeführt worden. Ehrfurchtsvoll entblößte die Menge bei dem Nahen des Trauerzugs das Haupt. Die Straßen waren schwarz beflaggt, die Börse und sämtliche Geschäfte geschlossen. Im Trauerzug fielen die 48er Veteranen und viele Hundert schwarzgekleidete Frauen auf. Die Söhne Kossuths folgten dem Zug in einer städtischen Gala­kutsche. In Pest treffen fortdauernd große Men­schenmengen aus allen Teilen des Landes ein, um der Beisetzungsfeier des Nationalhelden beizuwohnen.

Italien.

Rom, 30. März. Aus Anlaß des Medizin. Kongresses erhielt der König von italienischen und fremden Universitäten Glückwunschtelegramme. DerItalic" zufolge ist dem König vom deutschen Kaiser ein herzliches Telegramm mit Glückwünschen zu dem Erfolge des Medizin. Kongresses, der die berühmtesten Aerzte in Rom vereinige, zugegangen.

Der Zug mit der Leiche Kossuths wurde in vielen Städten feierlich empfangen. In Mailand, wo der Zug uin Mitternacht passierte, hatten sich die Vertreter der städtischen Behörden, sowie zahl­reiches Publikum, namentlich viele italienische Stu­denten, eingesunden. Letztere stimmten auf Wunsch ihrer ungarischen Kollegen die Garibaldy-Hymne an, die lebhaft applaudiert wurde.

Empfindliche Kälte herrscht in Venedig. Aus Cuneo werden 8 Grad Kälte und heftiger Schneefall gemeldet. Zwischen Cessa u. Gambarogno wurde eine Bäuerin von Schneemassen überschüttet.

Schweden-Norwegen.

Stockholm, 30. März. Der Reichstag hat gestern endgültig die Einführung des Mausergewehres für die schwedische Armee gutgeheißen und die Mittel zur Beschaffung der Waffe pro 1895 bewilligt. Es handelt sich die Herstellung von vorerst 5000 Kara­binern die wahrscheinlich in Schweden angesertigt werden.

Christiania, 31. März.. Das hiesige Schiff Therese" ist bei Federst« mit 12 Mann nnterge- gangen.

England.

London, 29. März. Der Wiener Berichter­statter derDaily News" will von der russischen Botschaft in Wien erfahren haben, der Zar wünsche, Kaiser Wilhelm auf deutschem Gebiete zu begegnen, um ihm für den Abschluß des Handelsvertrags zu

danken. Die Begegnung werde in den ersten Tagen des September ln Stettin oder in Königsberg statt­finden. Ans Wunsch des Zaren werde Graf Caprivi der Begegnung beiwohnen. Der Zar dürfte vom Großfürsten Thronfolger begleitet sein.

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^ Kleineve Mitteilungen.

Neuenb ü r g. Am Ostermontag fand in Ober lengen­hardt eine Hochzeit statt, an welcher eine Anzahl von Gold- Nrbettern ans Huchenfeld, Bez.-Amts Pforzheim, teilnahm. Abends zwischen 6 und 7 llhr wurde der Bäcker Gottlieb Maisenbacher aus Schömberg von einem dieser Goldar­beiter mit einem Prügel dermaßen über den Kopf geschla­gen , daß er ohnmächtig zu Boden stürzte und mehrere Stunden ohne Bewußtsein blieb. Der Schultheiß von Oberlengenhardt wurde, herbeigeholl, um amtlich einzu- schreite». Als er an den Thalort kam und sich den Huchen- seldern als Ortsoorsteher zu erkennen gab, wurde ihm von einem derselben zugerufen, er solle sich entfernen oder er schieße ihn zusammen. Die Erwiderung des Schultheißen, er fei berufen, amtlich einzuschreiten, erwiderte der Bursche mit drei auf den Schultheißen abgefeuerten scharfen Re­volverschüssen. Als er sah, daß er nicht getroffen hatte, ging er mit einem 1b., m langen Prügel und unter der Drohung, er schlage ihn tot, ans den Schulheißen los. Am andern Tag wurde der Bursche mit S seiner Genossen in Huchenfeld verhaftet und an das Amtsgericht eingeliefert: es ist der 18 Jahre alte Goldarbeiter Wilhelm Feil. Man fragt sich mit Recht, ob es denn notwendig zu den Grundrechten" gehört, daß jeder Bube mit dem Revolver in der Tasche herumläuft.

Stuttgart, 28. März. Heute vormittag ließ sich ein etwa 26jühr. Instrumentenmacher, weil er seine Stellung bei Schiedmayer verloren hatte, auf der Panoramabahn überfahren. Der Kopf wurde völlig vom Körper getrennt.

Reutlingen, 22. März. Der Gasthof zumBären" hier wurde beim Verkauf im ersten Ausstreich um den Preis von 7ll SO» ,von Herrn Bierbrauereibesitzer Leicht- Baihingen angekauft. '

Bei dem Fischereitag in Hall war ein Riesensala- mander ausgestellt, der IM Cm. lang, Kilogr. schwer und etwa MO Jahre alt ist; er wurde in Japan gefangen, und ist jetzt in dem Besitz des Frhrn. v. Ulm-Erbach in Erbach.

Vor einiger Zeit verletzte sich der ledige Bauer Mi­chael Mack von Rolgenmos, OA. Ravensburg, beim Holzspalten unbedeutend an der Hand. Bald daraus streute er künstlichen Dünger auf einen Acker aus; die Hand schmoll an, und es stellte sich Blutvergiftung ein, an welcher der junge Mann sterben mußte.

Erlangen, 28. März, lieber die in verschiedenen Blättern mehrfach erwähnteFroschkur" wird jetzt dem Nürnb. Anz." von hier folgendes geschrieben: Der I. As- siestenzart Tr. Jakob hat in der Universitäts-Klinik eine Froschkur" vorgenommen, welche gerade in der klassischen Eirmachheit des Falles alle Aussicht hat, eine berühmte Kur zu werden. Das 18jährige Mädchen aus dem Aisch- grunde, dessen endliche Heilung Dr. Jakob durch Vorstellung bewirkte, war von ihrem sehr ernst gewordenen eingebilde­ten Leiden (sie behauptete, ein Frosch hüpfe n ihrem Ma­gen und steige manchmal aufwärts ln die Speiseröhre, welcher Wahn von Uebelkeit, Appetitlosigkeit, ja Erbrechen begleitet war) durch keinerlei Vernunstgründe, durch keine Medizin, auch nicht durch zweimalige Magenauspumpung zu heilen gewesen. Ehe man nun zum Versuche der Hei­lung durch Hrwnose schritt, versuchte es der Arzt mit dein unendlich einfachen und harmlosen Mittel der Täuschung, einem wahren Eolumbusei. Ter armen Kranken wurde ein stärkerer Schlauch eingeführt, in welchen ein kleines, lebendes Fröschlein praktiziert war, welches alsbald aus der Schlauchösfnung fidel ins vorgehaltene Becken sprang. Ein mutwilliger jüngerer Arzt fetzte den armen Teufel dann in Spiritus und versah das Gesäß mit der Aufschrift: Aus einem Magen extrahiert!" Tie eingebildete, jahrelang Kranke aber atmete beim'Anblick des Fröschleins tief auf, nach Verlauf einer «tunde erklärte sie sich init seligem Lächeln von ihrem Leiden befrei! und nach so langer Zeit zum erste rmale mit außergewöhnlichem Appetit.

Mühlhausen. Ein hier wohnender Arbeiter M., Vater von 7 Kindern, soll demnächst in den Besitz einer Millionenerbschaft gelange». Er ist nach deinMülllh. Anzeiger" von de»» deutschen Konsulat in London benach­richtigt worden, daß dort ein Bruder feines Großvaters ohne eigene Nachkommenschaft unter Hinterlassung eines Vermögens von 17 Millionen Mark verstorben ist. Ferner fordert das Konsulat den Erben auf, einen Londoner An­walt mit den nötigen Vollmachten zur Erklärung des An­tritts des auf ihn entfallend.»: Erlvchafts-Anieils von rund 2 Mill. Mark zu versehen.

Ein Zeichen der Zeit. Ein Bankier in der Ora- nienstraße zu Berlin suchte für sein Geschäft durch Inserat einenjungen Mann". Im ganzen meldeten sich A>0 Be­werber, zum Teil solche, die fünf Sprachen beherrschen. Das Alter der Scellensuchendeu schwank! zw.scheu 'Anfang der 20er bis Ende der -Wer Jahre. Tie 'Ansprüche be­liefen sich in verschiedenen Füllen auf nur, /,( monatlich.

Berlin, 80. März. DerLoknlnnzeiger" meldet aus London: Ein Tragkorb mit vier Malern ttnrzte aus l>0 Fuß Höhe auf das Trottoir herab. Z vei Insassen wurden getötet, zwei lebensgefährlich verletz'. Zahlreiche Fuß­gänger wurden teilweise sehr schwer verletzt.

In Glogau ermordete ein Schlossergeseile wegen eines 'Aufschubes der Hochzeit seine Braut, sowie deren Älntter, dann verwundete er sich durch Revolvcrschnffe selbst sG wer.

Wie amerikanische Blatter mclden, ist bei der E; com- gin von Hawai Lilinolatnni der ns er wahn >nn ausgebrochen.

Redaktion, Druck und Verlag oer G. W. Zaiser'schen Buchhandlung <Emil Zaiser) Nagold.