ein Bubenstück. Bei näherer Untersuchung ergab sich aber als unzweifelhafte Veranlassung der Er­scheinung folgendes: die Schweine waren in einem frisch und stark mit Karbol desinfizierten Eisenbahn­wagen verfrachtet worden; die Tiere hatten das Des­infektionsmittel ausgenommen, dasselbe hatte sich im ganzen Körper festgesetzt und trat erst bei der war­men Zubereitung des geschlachteten Fleisches in der oben geschilderten Weise hervor. Auch bei einer zweiten Sendung, welche sofort eingehend untersucht wurde, zeigte sich dieselbe Erscheinung, wenn auch nicht in so starken Maße.

Aus der Pfalz. In letzter Zeit machte eine Nachricht die Runde durch verschiedene Blätter, laut welcher die Frauen und Mädchen der Pfalz, Badens und Hessens beabsichtigen, dem Fürsten Bismarck zu seinem 80. Geburtstage eine Huldigung darzu­bringen. Diese Mitteilung beruht auf Wahrheit. In jedem der drei Länder hat sich bereits eine Ko­nnte gebildet, das mit der Ausführung des Vorha­bens am Werke ist. Die Huldigungsadresse erhält selbstverständlich eine künstlerische Hülle. Außer die­ser Adresse, für welche jetzt schon Tausend von Un­terschriften gesammelt sind, sollen dem Fürsten aus jedem einzelnen der beteiligten Länder 80 Flaschen feinen Weines übermittelt werden. Ein Aufruf an die Frauen und Mädchen der Pfalz zur Beteiligung an der Adresse wird demnächst erfolgen.

Mannheim, 10. Febr. Das Bank- und Wech­selgeschäft Gebrüder Nadenheim hat seine Zahlungen eingestellt. Die Firma hat durch den Bankerott des Bankhauses Maas bedeutende Einbußen erlitten. Der Inhaber des Bankgeschäfts, Ludwig Nadenheim, verließ gestern früh das Geschäft, ohne bis jetzt wie­der zurückzukehren. Man vermutet, daß derselbe Hand an sich gelegt hat.

Frankfurt a. M.. 10. Febr. Ein lOjähriger Knabe hat gestern aus Mutwillen mittels Streich­hölzern das Sachsenhäuser Heu- und Stroh-Lagerhaus der Trambahngesellschaft in Brand gesetzt. 25000 Zentner Heu im Werte von 100000 , sind durch das Feuer vernichtet worden.

Breslau, 8. Febr. Ein schauerliches Gerücht ist in der Stadt verbreitet. Der vor etwa einem halben Jahre Hingerichtete Vizefeldwebel Thiem, wel­cher beschuldigt war, seine Geliebte aufgeknüpft zu haben, soll, derSchief. Morgenztg." zufolge un­schuldig gewesen sein und der wahre Mörder sich dieser Tage gemeldet haben.

Deutscher Reichstag. Am Freitag wurde die zweite Beratung des Postetats begonnen, bei welcher es sehr leb­haft zuging. Abg. L-chönlank (Soz.) richtete außerordentlich heftige Borwürfe gegen die Postverwaltung, die ihre lln- terbeamte ausbeute und einen großen Teil derselben wie Tagelöhner behandle trotz der vorhandenen großen Ueber- schüsfe. Tie Leute würden kaum behandelt, wie sie es be­anspruchen könnten; in Breslau habe nicht einmal denn Begräbnis seiner Frau ein Unterbeamler Urlaub erhalten. Die höheren Beamten erhielten gute Gratifikationen, die unteren geringe. Die Gerichte nehmen schon bei vorkom­menden Unterschleifen auf die traurige Lage der Postbeam­ten Rücksicht. Das sozialpolitische System des Herrn von Stephan sei ebenso miserabel wie seine Verse. (Große Unruhe. Unverschämtheit. Schluß, Schluß!) Wenn andere als verhungerte Landwirte schreien, kann ich auch für die hungernden Postbeamten schreien. Direktor im Reichspost­amt Tr. Fischer spricht dem Vorredner entschieden das Recht ab, im Rainen der Postbeamten zu sprechen, die von der Sozialdemokratie nichts wissen wollten und auch nicht Sklaven seien oder am Hungertuche nagten. Tie Rede war auch wohl für Kreise außerhalb des Reichstages be­stimmt. Redner legt ausführlich die Zunahme der etats­mäßigen Anstellung der Postbeamten dar, die von Jahr zn Jahr Fortschritte mache und schildert dann die Wohl- fahrtseinrichtungen bei der Post, die schon Tausenden von Beamten geholfen hätten. Die Beamten seien ihrem Chef dankbar. Zeuge das von miserabler Politik? Staatssekre- lär von Stephan beschränkt sich darauf, Forderungen nach weiteren Portoermäßigungen abzulehnen. Abg. Schmidt- Eckelenz (Ctr.) rügt die Kostspieligkeit der Postneubaulen. Abg. Cnneccerus (natl.) rügt den Ton der Schönlank'schen Rede, wünscht aber thunlichste Berücksichtigung der Post­unterbeamten. Staatssekretär von Stephan wetzt einer Be­merkung des Vorredners gegenüber darauf hin, daß die Post den Briefverkehr aller anderen Verwaltungen unent­geltlich übernimmt. Das hebe sich etwa mit der freien Beförderung der Briefposl auf der Bahn. Nach wieder­holten lebhaften Auseinandersetzungen mit dem Abg. Schön­lank wird der TitelStaatssekretär" genehmigt und die Weiterberatung bis Sonnabend vertag?.

Deutscher Reichstag. Tonnabendsitzung. Tie Be­ratung des Postetats nimmt unter erneuter lebhafter De­batte ihren Forrgang. Tie Budgetkommission beantragt, die Umwandlung einer der drei Direktorstellen des Reichs­postamtes i Gehalt löOOO . E) in die Stelle eines Unter- staatssekretärs iGehalt 20000 . /z.) abzulehne». Abg. Grö­ber «Clr.- beanlragr die Ablehnung der Forderung für einen weiteren Vortragenden Rat. Abg. Müller (freis.) empfiehlt den Kommissionsantrag aus --parsamteitsrücksich-

ten und beklagt sich, daß den Postassistenten in ihrer Car- riere so viele Hindernisse in den Weg gelegt werden. Abg. v. Kardorff erwidert dem Abg. Schönlank, Deutschland könne froh sein, einen Chef des Reichspostwesens wie Herrn von Stephan zu haben. (Zustimmung rechts, Lachen bei den Sozialdemokraten. Staatssekretär von Stephan legt aus­führlich die wachsende Arbeitslast in der Postverwaltung dar und bittet um Bewilligung des Gehaltes für den Un­terstaatssekretär, da es sich hier um eine wichtige Organi­sationsfrage handle. Abgg. v. Leipziger (kons.), v. Kar­dorff (frks.), Dr. Groeber (Ctr.) halten an dem Kommissions- antrage fest. Alle Welt müsse sich einrichten, also müßten die hohen Beamten sich auch etwas einschränken. Abg. Müller (freis.) lehnt die Forderung für den Unterstaats- sekrelär ebenfalls ab, da es sich hier nur um eine Gehalts­erhöhung, aber nicht um eine Personalvermehrung handle. Die Forderung für den Unterstaatssekretär wird einstimmig abgelehnt, auch der Antrag Groeber wird gegen die Stim­men von Nationalliberalen und Konservativen angenommen. Zum TitelGeheime Expedierende Sekretäre" beantragt die Budgetkommission die Einführung des Systems von Alterszulagen für die mittleren und unteren Beamten. Abg. Singer (Soz.) null die erforderlichen Mittel bewilli­gen, um die Unterbeamten von der Laune und Willkür ihrer Vorgesetzten unabhängig zu machen, die heute gegen die Unterbeamten die Hungerpeitsche gebrauchten. (Der Präsident ruft den Abg! Singer wegen dieses Ausdrucks zur Ordnung.) Geh. Rat Neumann betont, daß die Post­beamten bei den Alterszulagen schlechter, als heute, stehen würden. Die Leute rückten heute vielfach schneller zu bes­seren Gehältern auf. Abg. Müller-Sagan (freis.) befür­wortet die Resolution. Reichspostdirektor Tr. Fischer er­widert dem Abg. Singer, daß die Sozialdemokraten hier schön bewilligen hatten; hinteher lehnten sie ja doch den ganzen Reichshaushalt ab. Die Beamten werden nicht nach Laune und Willkür, sondern nach feststehenden Grundsätzen behandelt. Wissen Sie Fälle von Willkür, dann sagen Sie doch dieselben. So lange weise ich jede derartige Behaup- tungentschieden zurück. Abg. Groeber (Ctr.) bestreitet, daß die Sozialdemokraten ein Recht haben, hier im Namen der Postbeamten zu sprechen und empfiehlt im Uebrigen die Resolution. Abg. Bebel (Soz.) tritt ebenfalls dafür ein und fordert die Reform des Gratifikationswesens. Abg. v. Kardorff (freiks.) protestiert dagegen, daß die Sozialde­mokraten so thun, als hätten sie die Alterszulagen erfun­den. Bewilligen wollten die Herren alles mögliche, aber wo das Geld Herkommen solle, davon sagten sie nicht. Abg. Dr. Hammacher konstatiert, die nationalliberale Par­tei habe zuerst die Einführung von Alterszulagen bean­tragt. Darauf wird die Resolution genehmigt und die Weiterberatung des Postetats bis Montag vertagt.

Zum deutsch-russischen Handelsvertrag. DerReichsanz." hat am Sonnabend den Text des russischen Handelsvertrags nebst den Vertragstarisen und dem Slußprotokoll veröffentlicht. Der Vertrag soll spätestens am 20. März in Kraft treten und bis zum 31. Dezember 1903 gelten. DieN.A.Z." meldet noch: Dem Akt der Unterzeichnung assistier­ten von deutscher Seite Generalkonsul Frhr. v. Lame- zan und der Konsul Baron Brück, russischerseits Staatsrat v. Tscharikow und Konsul Nellis als Sekretäre. Die unterschriebenen Vertragsexemplare sind auf schönstem holländischem Büttenpapier schle­sischer Fabrikation gedruckt. Der Druck ist eine Kunstleistung der Reichsdruckerei. Ferner berichtet diePost": Die Unterzeichnung des russischen Han­delsvertrags wird von den russischen Bevollmächtig­ten durch eine Festtafel imKaiserhofe" gefeiert, zu der die deutschen Herren geladen sind. Es sind für diese 18 Gedecke, für die Ausschmückung des Saales u. die Herstellung der Tischkarte Summen ausgeworfen, wie sie bisher in Berlin noch niemals gezahlt wor­den sind. DieKreuzzeitung", die Führerin der konservativen Partei, wendet sich heftig gegen den Vertrag. Das Blatt führt aus: . . . Wir kön­nen niemanden hindern, in seinem Blatte zu schrei­ben, was ihmpaßt"; ebensowenig aber wird man uns verhindern, kühl zu lächeln, vornehmlich, wenn man uns mit Auflösung des Reichstags droht. Daß sich hieraus, wie die Dinge augenblicklich liegen, das Chaos entwickeln könnte, wissen wir sehr wohl; hätten wir denn das mehr, als andere zu fürchten? Wer uns durch Erwägungen solcher Art von der Erfüllung der Pflicht abbringen möchte, die wir der deutschen Landwirtschaft, der gesamten nationalen Arbeit, ja dem Vaterlande schuldig sind, kennt uns schlecht. Die Annahme des russischen Handelsver­trags mit unserer Hilfe würde die Gesamtlage nur scheinbar ändern, den Konservativen aber ihre po­litische Zukunft kosten. Deshalb lassen wir es dar­auf ankommen, ob der Vertrag gegen uns durch­gesetzt werden kann oder nicht. Da elfteres möglich sei, haben wir niemals bestritten. Wie könnten wir es auch? Allein, was in unseren Kräften liegt, das wollen wir nicht versäumen; dem. Liberalismus die Kastanien aus dem Feuer zu holen," fällt uns nicht ein. Dazu kann uns Keiner zwingen.

DerReichsanzeiger" veröffentlicht den Gesetz­entwurf betr. die Aufhebung des Identitäts­

nachweises. Die Hauptbestimmungen lauten: 1) Ausfuhr von Weizen, Roggen, Hafer, Hülsenfrüchten und Gerste werden, wenn die ausge­führte Menge wenigstens 500 Kilogramm betrügt, aus Antrag des Warenführers Bescheinigungen (Ein­fuhrscheine) erteilt, welche den Inhaber berechtige», innerhalb einer vom Bundesrat auf längstens 9 Monate zu bemessenden Frist die gleiche Menge der nämlichen Warengattung ohne Zollentrichtung cin- zuführen. Abfertigungen zur Ausfuhr mit dem An­spruch auf Erteilung von Einfuhrscheinen finden nur bei den vom Bundesrat zu bestimmenden Zoll­stellen statt. 2) Für die vorbezeichneten Waren, wenn sie ausschließlich zum Absatz in das Zollaus­land bestimmt sind, werden Transitlager ohne amt­lichen Mitverschluß, in welchen die Behandlung und Umpackung der gelagerten Waren uneingeschränkt und ohne Anmeldung und die Mischung derselben mit inländischer Waare zulässig ist, mit der Maß­gabe bewilligt, daß die zur Ausfuhr abgefertigten Warenmengen, soweit sie den derzeitigen Lagerbe­bestand an ausländischer Ware nicht überschreiten, von diesem Bestände abzuschreiben, im übrigen aber als inländische Waren zu behandeln sind.

Berlin, 10 Febr. Die berühmte Hofschauspie­lerin Frau Niemann-Seebach ist gestern überfahren worden. Es wurden ihr beide Beine gebrochen. DemKleinen Journal" zufolge ist Frau Niemann in hoffnungslosem Zustande nach der Bergmännischen Klinik gebracht worden.

Berlin, 13. Febr. Der Sturm tobte hier mit kurzen Unterbrechungen den ganzen Tag, mittags war er am heftigsten, nachts etwas ruhiger. Der Gebäudeschaden ist sehr mannigfaltig. Die Morgen­blätter melden aus Hamburg: Durch den Orkan wurden drei Menschen getötet. Die Türme der Al- tonaer Gernisonskirche sind teilweise eingestürzt und haben schlimme Verwüstungen angerichtet. Die am Elbstrom belegenen Lagerschuppen sind uuterwas h. n und in den Fluß gestürzt.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 12. Febr. Die Prinzipale lehnten die Forderungen der Buchdruckergehilfen auf Erhöh mg des Minimallohnes bis 13 bzw. 15 Gulden neunstündige Arbeitszeit ab. Ein Generalstreik ist wahrscheinlich.

Frankreich.

Paris, 9. Febr. Das Grab Vaillants ist förm­licher Wallfahrtsort geworden, zu dem unablässig Besucher pilgern. Gestern wurden über hundert Blumentöpfe und Bouquets darauf niedergelegt. Fünf elegant gekleidete Personen, darunter eine Dame, die in zwei Fiakern vorfuhren, brachten nach­mittags Kränze, sowie einen herrlichen Palmenzweig, an dem mit Seidenbändern ein Huldigungsgedicht an Vaillant befestigt war. Das Gedicht schließt milden Worten:Märtyrer, Du wirst gerächt wer­den." Die Polizei entfernte diese und andere Ge­dichte, beließ jedoch alle Blumen.

Paris, 11. Febr. Das Mißvergnügen der Franzosen über den russisch-deutschen Vertrag ist groß. Es versteht sich von selbst, daß die Mehrzahl der Blätter sich in Schweigen hüllt oder gute Miene zum bösen Spiel macht, aber einige sprechen doch ihr Erstaunen aus, daß das seit Kronstadt in den Him­mel erhobene Rußland dem so bitter gehaßten Deutsch­land die Hand ertgegenstreckt. Man macht dafür hauptsächlich und wahrscheinlich nicht ohne Grund die französischen Protektionisten verantwortlich. St. Core schreibt imFigaro": Es muß laut gesagt werden, daß die Schutzzöllner in, Begriffe sind, zu zerstören, was das französische Volk zu Stande ge­bracht hat, und daß man nicht leichthin nehmen darf, was das franzosenfeindlichste der englischen Blätter erst gestern sagte:Man ist auf dem besten Wege, Cronstadt und Toulon ungeschehen zu machen."

Paris, 12. Febr. Brenton, Redakteur der Sozialiste", wurde zu 2 Jahren.Gefängnis und 1000 Franks Geldstrafe verurteilt wegen Bedrohung des Präsidenten Carnot, falls er Vaillant nicht be­gnadige.

Paris, 13. Febr. Im Cast- Terminushotel gegenüber dem Lazare-Bahnhof erfolgte gestern Abend 9 Uhr eine Explosion. Durch die Bombe sind etwa ein Dutzend Personen mehr oder minder schwer ver­wundet, und meist an den Beinen. Der Thäter er­klärte dem Kommissar, er heiße Lebreton und wolle Vaillant rächen. Andere würden folgen, um die