hinaus, wo er mit brausenden Hochrufen von den im Park Versammelten empfangen wurde. Die enthusiasmierte Menge — Damen voran — stürmte die Balkontreppe hinauf und überschüttete den Altreichskanzler mit Blumen. Bismarck drückte den meisten die Hand und grüßte die anderen freundlichst. Dann erklärte er, bei dem Schneewetter wegen seiner Gesundheit nicht länger auf dem Balkon bleiben zu können. Der Fürst unternahm nachmittags eine Spazierfahrt, wobei er überall mit donnernden Hochrufen begrüßt wurde. Abends um 5 Uhr kamen mit Extrazügen 3000 Personen von Hamburg, welche dem Fürsten einen Fackelzug brachten. Der Verlau desselben war großartig.
Friedrichsruh, 2. April. Bis heute Abend sind für den Fürsten Bismarck rund 15,000 briefliche und telegraphische Glückwünsche eingegangen, die höchste bisher erreichte Zahl.
Es ist vielfach ausgefallen, daß in den offiziellen Friedrichsruher Berichten über die Feier des Geburtstages des Fürsten Bismarck von einem Glückwunsch des Kaisers nicht erwähnt worden ist. Ein solcher scheint also ausgeblieben zu sein.
Berlin, 2. April. In parlamentischen Kreisen wird versichert, daß die Beziehungen der Regierung zu Bismarck absolut freundschaftliche seien.
Posen, 28. März. Die Stadt Przyrow im Gouvernement Petrikau ist vollständig niedergebrannt. 2000 Personen sind obdachlos, mehrere Menschen sind in den Flammen umgekommen. Es liegt Brandstiftung vor.
Ein handelspolitisches Ereignis. Ein Berliner Berichterstatter schreibt dem „Schw. M." vom 28. März: Trotz aller Widersprüche, welche laut geworden sind und noch werden, tatsächlich aber bloß Formfragen betreffen, bleibt es richtig, was ich Ihnen schon vor mehreren Tagen telegraphisch meldete, daß das Handelsabkommen zwischen Deutschland und Oe streich zu Stande gekommen ist. Alle Hauptfragen find entschieden durch gemeinsames Einverständnis, und der Zeitpunkt der schließlichen Unterzeichnung des Vertrags in seiner letzten Form ist dem gegenüber bedeutungslos. Nicht blos handelspolitisch, sondern auch in der allgemeinen Politik ist das Zustandekommen des deutsch-östreichischen Handelsvertrags ein Ereignis ersten Rangs. Derselbe ist ein Tarifvertrag und bedeutet die Rückschwenkung von der Politik selbständiger, d. h. zu jeder Zeit veränderlicher Zolltarife zu festen Handelsverhältnissen, die für die Dauer des Vertrags nicht einseitig abgeändert werden können, daher der Industrie und dem Handel gestatten, mit bestimmten gegebenen Verhältnissen für einen längeren Zeitraum zu rechnen und sich darnach einzurichten. Wir können ferner mitteile», daß der Vertrag auf die Dauer von 12 Jahren abgeschlossen ist. Im Uebrigen wird der nähere Inhalt des Abkommens geheim gehalten. Dasselbe soll als Grundlage für den Abschluß weiterer Handelsverträge mit Rumänien, der Schweiz, Serbien, vielleicht auch Italien und Belgien dienen. Es ist daher auch nicht zu erwarten — um nicht zu sagen: es ist ausgeschlossen — daß der Vertrag noch in dieser Session dem Reichstag zugeht, es müßte sich denn derselbe bis in den Herbst (durch Vertagung) ausdehnen. Die Zugeständnisse, die Oestreich-Ungarn der deutschen Industrie gemacht hat, sind sehr bedeutende und werden als solche, sobald der Vertrag bekannt wird, freudig anerkannt werden. Das -deutsche Gegenzugeständnis ist, wie vorauszusehen war, die Ermäßigung des Getreidczolls. Unsere Agrarier werden darüber zornig sein, aber an ein Scheitern des Abkommens im Reichstag ist nicht zu denken. Die Ermäßigung hielt sich übrigens in Grenzen, welche jede ernste Schädigung unserer Landwirtschaft völlig ausschließen. Nicht ernmal die letzte Getreidezollerhöhung wird dadurch vollständig rückgängig gemacht. Wichtig ist, daß Ungarn auch gegen Rumänien die Ge- tceidezölle herabsetzen wird. Differentialzölle werden nicht eingeführt. Man sagt nicht zu viel, wenn man die Bedeutung des Vertrags dahin kennzeichnet, daß mit ihm ein Wandel in der gesammten europäischen Zollpolitik herbeigesührt wird.
Wie die „Nordd. Allgem. Ztg." hört, ist der Abschluß der Wiener Verhandlungen über den deutsch-österreichischen Handelsvertrag, wenn nicht 'in dieser, so doch jedenfalls in der nächsten Woche zu erwarten. Eine sofortige Veröffentlichung werde
nicht erfolgen, voraussichtlich aber werde der demnächst zusammentretende deutsche Handelstag Gelegenheit haben, sich über die Thatsache des Abschlusses zu äußern.
Schwei).
Fluelen, 1. April. Durch eine Staublawine wurden in der vergangenen Nacht in Bristen etwa zwölf Häuser zerstört.
Brsterrrich-Angarn.
Prag, 30. März. Die gemäßigte Arbeiterpartei protestierte gegen den 1. Mai als Arbeiterfeiertag und will diesen auf den 1. Sonntag im Mai verlegt wissen.
Frankreich.
Der Herzog von Aumale, Prinz Heinrich von Orleans, vierter Sohn Louis Philipps, geb. 1822, ist gestorben. (Soll nicht wahr sein.)
Paris, 30. März. Wie aus Saigon gemeldet wird, fand gestern zu Ehren des russischen Groß- fürsten-Thronfolgers eine Truppenschau und abends ein Ball bei dem Generalgouverneur statt. Der Großfürst-Thronfolger beabsichtigt sodann, seine Reise nach Hongkong weiter fortzusetzen.
Paris, 4. April. Bei der gestrigen Versammlung der Bergarbeiter sprach sich Caumain für Revolution aus, welche eine Vereinigung der Staaten Europas herbeiführen würde. Schröder beglückwünschte die französischen Arbeiter, welche überall Proselyten machten; für die deutschen Sozialisten gebe es keine Grenzen, ihr Vaterland sei, wo man große Freiheiten genießen könne. Die Sozialisten müßten arbeiten, um den Krieg aus der Welt zu schaffen.
Italien.
Rom, 2. April. Der Gesandte der Vereinigten Staaten verständigte den Ministerpräsidenten Rudini davon, daß Präsident Harrison ein eigenhändiges Schreiben an König Hunibert richtete und sprach die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang des Streites aus.
Belgien.
Brüssel, 31. März. Nach den stattgehabten Ermittelungen haben die Dynamit-Diebe, nachdem re den Pulverturm bei Ombret erbrochen und 8000 Patronen geraubt hatten, den Versuch gemacht, die Pulver-Magazine in die Luft zu sprengen, um den Diebstahl zu verdecken. Die That ist jedoch nicht gelungen.
Brüssel, 2. April. Die Presse meldet: Zwei höhere Offiziere der russischen Garde seien in Saint Etienne eingetroffen, um namens ihrer Regierung über den Ankauf von 300 000 Schnellfeuergewehren zu unterhandeln.
Bulgarien.
Sofia, 30. März. Gestern nachmittag fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung die Beerdigung des Finanzministers Beltschews statt. Fürst Ferdinand und Prinzessin Clementine, welche aus Philippopel eingetroffen waren, wohnten derselben bei, ersterer legte eigenhändig einen Kranz auf den Sarg Beltschews nieder und folgte alsdann dem Leichenzuge zu Fuß nach der Kathedrale. Die Leichenfeier verlief in vollster Ordnung.
Nach der „Pol. Korr." befindet sich die bulgarische Regierung im Besitze von Beweisen, daß es sich um ein sorgfältig vorbereitetes und weitverzweigtes Komplott handle, welches die Ermordung der Minister Stambulow, Zivkow und Grekow bezweckte. Die Hauptsitze des Komplottes sollen sich in Konstantinopel und Belgrad befinden. Verschiedene Mitglieder der russophilen Partei in Sofia sollen mit dem Komplotte zu thun haben. Derselben Quelle zufolge ließ die türkische Regierung auf Ersuchen der bulgarischen einige der Mitschuld am Attentat in Sofia verdächtige Bulgaren in Konstantinopel verhaften.
Sofia. Der Mörder des Finanzministers Belt- schew ist noch nicht ermittelt. Wie gerüchtweise verlautet, soll an der serbischen Grenze ein verwundeter Mann verhaftet worden sein. Sollte sich dieses Gerücht bestätigen, so dürfte der Verhaftete mit dem Mörder identisch sein, der bekanntlich von dem Gendarmen einen Säbelhieb erhielt.
Sofia, 3. April. Die Zahl der wegen der Verschwörung Verhafteten übersteigt 200.
Griechenland.
Athen, 3. April. Die Kammer beschloß nach erregten Verhandlungen mit 64 gegen 26 Stimmen, die Mitglieder des früheren Kabinetts Trikupis vor
eine Untersuchungskommission von 12 Mitgliedern zu stellen. Der Anklageantrag gegen das 'frühere Kabinett Trikupis betrifft vorwiegend die gesetzwidrige Verwendung von 56 Millionen Drachmen.
England.
London, 3. April. In dem Seetreffen bei Valparaiso zwischen Aufständischen und Streitkräften der chilenischen Regierung wurde das Kriegsschiff der Regierung „Florence" durch einen feindlichen Schuß, der das Pulvermagazin traf, zerstört. 27 Mann wurden dabei getötet. Die Aufständischen griffen dann auch die Forts an, wurden aber zurückgeschlagen.
Amerika.
Im Steinkohlengebiet von Pensylvanien kam es, wie aus New-Uork gemeldet wird, am Montag zu ernsten Ruhestörungen, indem gegen 1000 Streikende einen Angriff auf die von Trick in Mortwood unternahmen, die Eisenbahnschienen in einer Länge von 500 Fuß aufrissen und zwölf Coaksöfen zerstörten, sowie mehrere Häuser und Scheunen in Brand steckten. Etwa 1500 Streikende umzingelten die Fabrik von Jimtown, vertrieben die dort Angestellten und bedrohten den Oberaufseher.
Washington, 3l. März. Der italienische Gesandte überreichte heute Vormittag dem Staatsdepartement sein Abberufungsschreiben. Dieser Schritt verursachte lebhaftes Erstaunen, da er vollständig unerwartet kommt und die Untersuchung in New- orleans noch nicht beendet ist. Die Abberufung wird mit der Mißstimmung motiviert, welche König Hum- bcrt über das Fortschreiten der Arrangements zwischen den beiden Ländern betreffs der Massacres in New« orleans empfindet.
Washington, l. April. Die beiden Häuser des Kongresses der Vereinigten Staaten wurden sofort einberufen, um für alle Fälle die nötigen Vorbereitungen zu genehmigen.
Kleinere Mitteilungen.
Rottwell, 30. März. Am hl. Osterfest wurde hier der 22 Jahre alte Dienstknecht August Grießer von Wellendingen dem Untersuchungsrichter am Landgerichte vorgcführt. Derselbe ist in der Mühle zu Dietingen bedienstet und ist beschuldigt, er sei in der Nacht vom Karsamstag von Dietingen nach Wellendingen gegangen, wo er mit der 32 Jahre alten ledigen Josefine Wiedmann ein Liebesverhältnis unterhielt. Dort nachts 2 Uhr augekommen, habe er der rc. Wiedmann am Fenster geklopft und als diese herausgeschaut, sie erwürgt und sodann, um den Verdacht des Mords von sich zu abzuwenden, die Wiedmann aufgehängt.
Der Mörder des Polizeidieners Keinath in Winterlingen, Taglöhner Rominger von dort, ist vom Vorstande der Irrenanstalt Winnenthal für geisteskrank erklärt worden, weswegen das gerichtliche Verfahren gegen denselben eingestellt und die Aufnahme in eine Irrenanstalt beschlossen wurde.
Heidenheim, 28. März. An der hiesigen Turnhalle und dem Webschulgebäude wurden in jüngster Zeit für 140 Fensterscheiben eingeworfen. Es ist nun gelungen, die Thäter ausfindig zu machen. Es sind deren neun, wovon noch acht zur Schule gehen. _
Handel und Verkehr.
Stuttgart, 3t. März. (Pferdemarkt.) Aus dem K. Leibstall und dem K. Privatgestüt werden am Pferdemarkt, am 21. April, nachm, von halb 3 Uhr au, 10 ältere Pferde,
2 vierjährige arabische Vollbtuthengstc, 3 vierjährige Voll- blutstuteu, 3 desgl. Halbblutstuten und 2 Wallachen versteigert werden.
Konkurseröffnungen. Friedr. Lieb, Bierbrauer und Gastwirt zur Krone in Schopfloch. — Nachlaß des ch Bauers Fr. Wacker in Neusatz. — Rosa Schwendner, geb. Braun, Metzgers Ehefrau in Mergentheim. — Karl Brücker, Rößleswirt in Aalen. — Nachlaß des ch Andreas Bührle, gew. Taglöhncrs in Oppingen. — Karl Bohrer, Küfer in Reutlingen. — Johann Steiner, Lederhandler m Ulm, entwichen. — Marianne, geb. Briel, Witwe des ^ohs. Sartorius, Bauers in Pfahlheim. — Josef Nieder, Seifensieder in Laupheim. — Johs. Oswald, Zement- plattenmachcr in Dunstelkingen. — Johs. Birkmeyer, Spezereihändler in Vaihingen.
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