entlassenen Volksschüler in größeren Etablissements gleich nach der Entlassung aus der Schule suchen Arbeit zu finden. Die führe dazu, daß die jungen Leute vielfach in ganz ungeeignete LebcnSbcrufe gedrängt werden. Der Vorschlag, eS möge eine zweite Konfirmation für den Herbst anbcranmt werden, fand nicht viel Anklang, dagegen versprach der Kultusminister Dr. v. Sarwey der Frage in der Richtung näher zu treten, daß den Eltern empfohlen werde, resp. sie zu verpflichten seien, die Kinder bis znm vollendeten 14. Lebensjahre in der Schule zu lassen- Die geforderten 30000 zur Aufbes­serung der Gehälter der cvang. Geistlichen zur Gleichstellung der Stellen des Privatpatronats mit den Stellen königlicher Kollatur wurden anstandslos genehmigt. Nach schonungs- vollcr Berührung einiger paritätischer Fragen, wie des schlich­teren Besoldungsverhältnisses der katholischen gegenüber den evangel. Pfarrvcrwescrn, Repetenten der beiden Tübinger Stifte rc., woran sich Domkapitular v. RieS, Prälat v. Wittich und Kanzler v. Weizsäcker beteiligten und Minister v. Sarwey betonte, wie sehr sich die Regierung angelegen sein lasse, in dieser Beziehung Licht und Schatten gleichmäßig zu verteilen, nahm bei dem Kapitel über das landwirtschaftl. Institut Hohenheim Prälat v. Ege das Wort, um die über­hand nehmende Einführung der Molkerei-Genossenschaften als schädlich für die Entwicklung der Kinder zu bezeichnen. Die Frage wird vermutlich beim Etat des Ministeriums des Innern nochmals aufs Tapet kommen.

Stuttgart, 15. März. Beim Etat der land­wirtschaftlichen Schule Hohenheim brachte gestern der Abg. Freiherr v. Wöllwarth den Umstand zur Sprache, daß selbst diese Schule in ihrem landwirt­schaftlichen Betrieb einen Fehlbetrag habe, welcher ohne den 89000 ausmachenden Erlös für das Obst auf jährlich 12 000 anzuschlagen wäre. Das offenbare die gedrückte Lage der Landwirtschaft in trauriger Weise und zeige, wie notwendig die Ge­treidezölle seien. Die ganze Kammer, abgesehen von dem Abg. Friedrich Haußmann (Gerabronn) pflich­tete ersichtlich diesem Ausspruch bei.

Stuttgart, 16. März. Wie ich mit Bestimmt­heit erfahre, hat der Assistent des hiesigen Poly- technikums, Dr. Bauer, ein Antibacillin, Mittel gegen die Schwindsucht, entdeckt und dasselbe bereits zur Patentierung angemeldet. Dr. Bauer ist sehr vertrauensvoll und so darf man auf die weitere Ent­wicklung der Sache gefaßt sein.

Ludwigsburg, 15. März. Von der Stadtge- meinde wurden anläßlich der Feier des 175jährigen Bestehens des 3. Infanterieregiments Nr. 121 dem Regimentskommandeur 500 vkL zur Bewirtung der Mannschaften am 18. März zur Verfügung gestellt, sowie die Einwohnerschaft zrzx Beflaggung eingeladen.

Brandfälle: Den 13. März in Mühlen a. N. (Horb) das Lagerhaus der Koberschen Spinnfabrik, in welchem die Wollvorräte aufgespei­chert waren.

München, 16. März. Die Polizei verbot den hiesigen Apotheken jede Abgabe Koch'scher Lymphe auch an Aerzte. (?)

Der Redakteur desFrankfurterJournals", Ritterhaus, der im vorigen Jahre eine Unterredung mit Bismarck hatte, veröffentlicht nachträglich Einzel­heiten derselben. Bismarck sagte damals, er habe gehofft, daß die Rücksicht auf den Staatsrat, über­haupt auf Europa, den Kaiser veranlassen werde, die Arbeiter-Erlasse aufzugcben. Bismarck gab auch zu, daß die Herren Hartmayer, Besitzer derHam­burger Nachrichten", zeitweilig nach Friedrichsruh kommen. Ueber Miquel wiech der Fürst einer be­stimmteren Meinungsäußerung aus. Zu Ritterhaus sagte Miquel bezüglich der geplanten Kandidatur Bismarcks:Ich würde das im Interesse des Für­sten für ein Unglück halten. Wie bedenklich, wenn er im Reichstage eine oppositionelle Haltung cin- nähme! Es würde sein Renommee gefährden. Mi­quel rühmte Caprivi als Staatsmann von aller­größten Fähigkeiten und als vollkommenen Ersatz für Bismarck.

Kaiser Wilhelm wird nun auch als Schriftsteller vor die Oeffentlichkeit treten. Nach einer Meldung der HamburgerReform" hat der Monarch ein Werk Die Geschichte Kaiser Wilhelms I." vollendet, das aus zwei Bänden besteht. Das Werk, welches nur in 200 Exemplaren erscheinen soll, ist ausschließlich für die regierenden Fürsten Europas unv die könig­lichen Familienmitglieder bestimmt. Außerdem wer­den die deutschen Staatsbibliotheken je ein Exemplar erhalten. Der Kaiser habe den Text unter Geheim­rat Hinzpeters Beihilfe fertiggestellt und vielfach handschriftliches Material des Fürsten Bismarck zu Grunde gelegt.

Berlin, 14. März. Präsident von Levetzow widmet Windthorst einen warmen Nachruf. Er hebt die ungewöhnliche Geistesschärfe, Arbeitskraft, Ge­wandtheit, die Gabe, sich Einfluß zu verschaffen und

auszuüben, das Gewicht seines Wortes aus allen Seiten des Hauses, die Liebenswürdigkeit im per- sönlichen Verkehr hervor. Kaum Jemand im Reichs­tage werde so vermißt werden, wie die verehrte kleine Exzellenz."

Berlin, 16. März. Das Leichenbegängnis Windthorsts erfolgt Mittwoch vormittags 9 Uhr in Hannover. Die Leiche wird in feierlichem Zuge vom Bahnhofe Hannover nach der Marienkirche überge­führt und nach einem feierlichen Trauergottesdienst in der vor dem Hochaltar errichteten Gruft beigesetzt.

Berlin, 16. März. Die Zentrumsfraktion refft morgen Abend mittels Extrazuges io oorpore zur Beisetzung Windthorsts nach Hannover.

Alle Fraktionen des Reichstags und des Abge­ordnetenhauses sandten Kränze außer den Sozialde­mokraten. Namens dieser sprach Singer offiziell dem Grafen Ballestrem, dem Vorsitzenden der Reichstags­fraktion des Zentrums, sein Beileid aus und fügte hinzu, seine Partei werde auch an der Leichenfeier teilnehmen.

Sehr interessant ist das Urteil, das einst ein Lehrer Windthorsts auf dem Gymnasium über ihn in folgende Worte gefaßt hat:Eine kleine häßliche Bestie, aber ein grundgescheidter Kopf von ungemei­ner Sehkraft und trotz seines häßlichen Wesens von rührender Pietät." Die spätere Zeit hat dieses Ur­teil in allen seinen Teilen voll bestätigt.

Berlin. Die Nächstliegende Frage ist die, wem für die Folgezeit die Führung der Zentrumspartei zufallen werde. Die Entscheidung dürfte, wie die T. R." hört, auf den Abgeordneten Dr. Porsch fallen, welcher bereits häufig die Vertretung Dr. Windthorsts übernommen hat. Dr. Porsch ist Rechtsanwalt, Notar und fürstbischöflicher Konsisto- rialrat in Breslau. Er vertritt im Reichstage den Wahlkreis 11 Breslau.

Nach derPost" wird Graf Ballestrem der Führer des Zentrums im Reichstag und v. Heere- mann im preuß. Abgeordnetenhaus.

In seiner Rede bei Eröffnung der Berliner S ch u lkonferenz hat der Kaiser bekanntlich be­tont, daß unter den jungen Leuten, welche das Gymnasium besucht haben, ein außerordentlich starker Teil nicht brauchbar für den Militärdienst sei. Bei dem 81. Infanterieregiment hatten sich, wie die Frkf. Ztg." meldet, 57 junge Leute als Einjährig- Freiwillige gemeldet. Bon diesen wurden aber nur 21 körperlich brauchbar befunden. Das ist ein schla­gender Beweis für die Richtigkeit der kaiserlichen Worte.

Der Staatssekretär des Reichs-Postamts Dr. v. Stephan, der vor einigen Tagen einen Anfall von Influenza zu überstehen gehabt hat, hat sich nach Karlsbad begeben, um eine Brunnenkur daselbst zu benützen.

Berlin, 12. März. Graf Zedlitz, Kultusmi­nister, ist im Jahre 1837 geboren; er ist Major a. D. und Besitzer eines Guts in Nrederschlesien. Zedlitz besitzt große rednerische Befähigung und mau rühmt ihm außerordentliche Gewandtheit und Schnel­ligkeit bei Orientierung in ihm bisher fremden Ma­terien nach. Persönlich soll er ein Mann von sehr liebenswürdigem Wesen sein. Als Nachfolger Goß- lers dürfte es ihm nicht sonderlich schwer fallen, das Vertrauen der Katholiken zu erwerben.

Der neue Kultusminister ist schon mehrmals als Ministerkandidat in Frage gewesen, einmal war er vom Fürsten Bismarck zum Nachfolger des Herrn v. Puttkamer in Aussicht genommen und später sollte er auch Landwirtschaftsminister werden.

Deutscher Reichstag. (Freitagssitzung.) Präsident v. Levetzow teilt dem Hause den Dank des Prinzregenten Luitpold von Bayern für die Glückwünsche des Reichstages zu seinem 70. Geburtstage mit. Dann wird in die dritte Beratung des Reichshaushalts für 189ls92 eingctreten. Beim Etat des Auswärtigen Amtes ersucht Abg. Richter (fceis.) um Vorlegung des Vertrages mit dem Wolff'schen Telegrafen- Bureau in Berlin, auf Grund dessen die Wolff'schen Depeschen früher als andere Privatdepescheu befördert würden. Staats­sekretär v. Marschall erwidert, ein besonderer Vertrag hierüber bestehe nicht. Die Bevorzugung erfolge, einmal weil das Auswärtige Amt ein Interesse daran habe, über die Vorgänge im Auslande schleunige Nachrichten zu erhalten, und dann, weil es im Interesse des Amtes liege, wichtige politische Erklärungen schnell verbreiten zu können. Abg. Richter betont, daß das Wolff'sche Bureau auch im Dienste von Mrsenleutrn stehe und sich deshalb die Errichtung eines staatlichen Bureaus empfehle. Reichskanzler v. Caprivi erwidert auf eine An­frage, daß die Abfindung deutscher -schiffe nach Chile nicht möglich sei, wenn nicht besondere Schiffe ausgerüstet würden. Indessen hätten die 8 dort bereits anwesenden englischen Schiffe auch nicht die Beschädigung englischen Eigentums

verhindern können. Beim Militäretat kommt Aba. Bebel (Soz.) auf die Soldaten-Mißhandlungen zu sprechen und schildert diese Verhältnisse in sehr düsteren Farben. Kriegs- minister v. Kaltenborn bezeichnet die Bebel'schcn Ausführungen als sehr übertrieben. Einzelne unliebsame Vorfälle würden sich ja wohl nie vermeiden lassen, aber schon heule werde strenge darauf gesehen, daß allen Soldaten ihr Recht werde.

Der Figaro bestätigt aufs neue, daß die Abbe­rufung des Botschafters in Berlin, Her bette, be- vorstehe. Die letzten Ereignisse hätten indes nur den Vorwand gegeben, die Abberufung selbst sei längst beschlossen.

Schwei).

Bern, 16. März. Die Volksabstimmung, be­treffend den Ruhegehalt der eidgenössischen Beamten, wurde mit 342 137 gegen 90 641 Stimmen ver­worfen. Die Volksabstimmung im Kanton Luzern über Anbahnung einer Verfassungsrevision wurde mit 15 600 gegen 10 166 Stimmen verworfen.

Drsterreich-Ungarn.

Pest, 16. März. Infolge der Eisstauung bei Mohacs sind viele Gemeinden im Pester Komilat in großer Gefahr. Bogyiszlo ist seit gestern über­schwemmt. In Solt sind über 20!) Häuser einge­stürzt. In Szegedin und Temesvar verlief sich die Eismasse schadlos.

Frankreich.

Paris, 16. März. General Campenon ist im Alter von beinahe 72 Jahren gestorben. Er war dreimal Kriegsminister der Republik. Im Senat, dessen Mitglied der General war, gab Kriegsminister Freycinet der tiefen Erschütterung Ausdruck, welche die Armee bei der Nachricht seines Todes empfinden werde.

Italien.

Der Papst war von der Nachricht vom Tode Windthorst's stark betroffen; er soll geäußert haben: Die Kirche hat einen ihrer stärksten Kämpfer ver­loren." Der Vatikan wird eine Totenmesse abhalten lassen.

' Rom, 15. März. Der Papst dispensierte die Gläubigen für den Monat März von den strengen Fasten, weil die Influenza wieder in Rom aufzu­tauchen scheint.

Rom, 16. März. Die Radikalen feierten gestern in allen Städten Italiens den 19. Todestag Mazzini's.

Rom. Die an ital. Staatsbürgern in New- orleans verübte Lynchjustiz hat große Erregung her­vorgerufen. Man fordert Genugthuung, undPopolo Romono" spricht die Hoffnung aus, daß dieselbe rasch und voll gegeben werde, (s. u.)

Amerika.

Aecht amerikanisch ist es in der Nacht zum Sonn­abend in Ncworleans zugegangen. Die Jury hatte am Freitag die der Ermordung des Pvlizei- chefs Hennessy angeklagten sechs Sizilianer freige­sprochen. Darauf hielten Hennessys Freunde in der Nacht ein Meeting ab; es wurden an die Menge Reden gehalten, worauf eine aus mehreren Tausend Personen bestehende Menge die Waffenläden plün­derte und eine Hinterthüre des Gefängnisses erbrach.' Die sechs Sizilianer wurden in ihren Zellen erschos­sen, zwei an der Ermordung angeblich ebenfalls be­teiligte Knaben jedoch verschont. Die Menge er­brach darauf noch andere Zellen und erschoß 5 wei­tere Gefangene, trotzdem dieselben um Gnade flehten. Drei Leichen von Sizilianern wurden an Laternen­pfosten aufgeknüpfl und von tausend Kugeln durch­bohrt. Die Menge suchte dann den Privatdetektiv Omalley auf und bedrohte die Geschworenen mit dem Tode. Viele hervorragende Bürger haben an der Erbrechung des Gefängnisses Teil genommen. Die Stadt befindet sich in fürchterlicher Aufregung und es sind Staatstruppen aufgeboten, um der Po­lizei bei Aufrechterhaltung der Ordnung beizustehen.

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