Berlin, 20. Febr. AuS Paris wird gemeldet: Obgleich die Kaiserin Friedrich inkognito reist, wird Präsident Carnot derselben wahrscheinlich doch einen Besuch abstatten.

Berlin. Es scheint eine Schwenkung in jenen Zeitungen bevorstehen zu sollen, die als die Organe des Fürsten Bismarck gelten. DerHamb. Korr." betont, daß Fürst Bismarck sich durchaus nicht in erregter oder kampslustiger Stimmung befinde. Er sei zwar mit dem Laufe der gegenwärtigen Politik sogleich nicht überall einverstanden und wolle nicht darauf verzichten, seine Meinung zu äußern, werde aber der Regierung keine Schwierigkeiten bereiten. So denke er nicht daran, im preußischen Herrenhause bei der Beratung der großen Reformgesetze zu er­scheinen, arbeite vielmehr eifrig an seinen Memoiren, an welchen Lothar Bücher hervorragend mithelfe. Wenn aber Hamburger Blätter weiter mitteilten, der Fürst habe gesagt, er glaube nicht daran, daß der Kaiser die bekannten Bemerkungen auf dem parla- mentischen Diner gemacht habe, so stimmt das nicht genau. Dann würde er dies auch kräftig in den Zeitungen haben betonen lassen, was nicht geschehen ist. Hoffentlich bleibt nun Alles ruhig, dann wird der fatale Zwischenfall in kurzer Zeit vergessen sein, was auch am besten ist.

Berlin. In den Parlamenten wird gegenwärtig mit einem solchen Eifer gearbeitet, daß bald die Schaffung eines parlamentischen Normalarbeitstags von Nöten wäre. Allerdings sitzt den Herren Volks­vertretern auch die Arbeitslast bergehoch auf dem Nacken, jetzt tritt erst zu Tage, wie groß das Ar­beitspensum, wie schwierig die Erledigung ist. Der Reichstag beschäftigt sich mit der zweiten Beratung des Arbeiterschutzgesetzes. Man nahm an, er würde damit zwei Wochen zu thun haben. Jetzt, nachdem allein die Bestimmungen über die Sonntagsruhe eine ganze Woche voller anstrengender Sitzungen bean­sprucht haben, wird klar, daß man froh sein kann, wenn in fünf bis 6 Wochen die Arbeit erledigt ist. Dazu sind die Bestimmungen über die Sonntags­ruhe noch die einfachsten im ganzen Gesetzentwürfe. Die gefaßten Beschlüsse müssen verschiedentlich erst durch die praktische Ausführung ihre Erläuterung erhalten, doch läßt sich hoffen, daß sie das Richtige treffen. Es wird sich an der Hand der zu Tage tretenden Erscheinungen ja bald feststellen lassen, wie das Gesetz wirkt.

Deutscher Reichstag. In Fortsetzung der zweiten Beratung des Arbeiterschutzgesetzes wurde der § 105 k ange­nommen. Derselbe gicbt den unteren Verwaltungsbehörden die Befugnis, die Sonntagsarbeit zuzulassen, wenn zu Ver­hütung eines unvcrhältnismäßigen Schadens ein nicht vorherzusehendcs Bedürfnis der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- »nd Festtagen eintritt. Auch Z 105 ^ wurde an­genommen, wonach das Verbot der Beschäftigung von Arbei­tern an Sonn- und Festtagen durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundcsrats auf andere Gewerbe aus­gedehnt werden kann, und sodann Z 1055 welcher noch for­melle Bestimmungen über die Sonntagsruhe enthält.

Deutscher Reichstag. Die zweite Beratung des Arbeiterschutzgesetzes wird bei H 105 i fortgesetzt am Donners­tag. Derselbe bestimmt, daß das Verbot der Sonniagkarbeit auf das Gast- und Schankwirtstaftsgewerbe, Musik-Auffüh- ruugen, Schaustellungen, iheathralische Vorstellungen und sonstige Lustbarkeiten, sowie airf das Verkehrsgewerbe keine Anwendung findet. Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen können die Gewerbetreibenden in diesen Gewerben ihre Ar­beiter uicht verpflichten. Arbeiten, welche nach der Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder eine Unterbrechung nicht gestatten, fallen uut> r die vorstehende Bestimmung nicht. Dazu beantragt die Sozialkommission: Der Reichstag wolle beschließen, den Reichskanzler zu ersuchen, behufs Förderung der Gewährung ausreichender Sonntagsruhe beim Eisenbahn- dienste seine Vermittlung bei den verbündeten Regierungen eintretcn zu lassen, insbesondere dahin zu wirken, daß der Güterverkehr an Sonu- und Festtagen möglichst eingeschränkt werde. Nach längerer Debatte, in welcher besonders die Mißverhältnisse im Gastwirlschaftsgewerbe der großen Städte, das Trinkgclderunwcscn rc. eingehend erörtert waren, werden tz 105 i und der Kommissionsantrag unverändert angenommen.

Einen Zonentarif mit ganz außerordentlich niedrigen Billetpreisen hat am Mittwoch Abend eine größere Volksversammlung in Berlin gefordert. Wir treten gewiß auch für eine Preisermäßigung ein, aber schließlich muß diese doch auch ihre Grenzen haben. Damit ein gutsituierter Teil des Volkes be­ständig umherreisen kann, brauchen die minder gut­situierten nicht mehr Steuern zu zahlen, denn das wäre doch die Folge, wenn im Hinblick auf gar zu weitgehende Ermäßigungen Einnahmeausfälle ein- treten. Billiges Reisen! Bravo! Aber allznbillig taugt nichts, das führt nur zur Eisenbahnbummelei ! Einzelner auf Kosten der Uebrigen, und das hat keinen Zweck.

Berlin, 20. Febr. Eine Brüsseler Meldung der Post dementiert bestimmt die verschiedenen über den Tod r es Prinzen Balduin umlaufenden Gerüchte.

Berlin, 20. Febr. Die neue Reichs- u. preu­ßische Anleihe soll 30mal überzeichnet sein (13 500 Millionen).

Berlin, 21. Febr. Der Erfolg der neuen Anleihen wird von der gesammtcn Presse mit großer Genugthuung begrüßt. Die Voss. Ztg. schreibt: Der Erfolg bestätigt die Auffassung, daß der Reichtum der Nation weit größer sei, als nach dem traurigen Schicksal der letzten Anleihe anzunehmen war. Der Triumph sei weit größer, als derjenige der letzten französischen Anleihe. Der Erfolg müsse das Ver­trauen in die Sicherheit der deutschen Zustände auch bei den fremden Völkern befestigen. An der Börse wurden Versuche gemacht, die Erfolge der Anleihe durch nichtswürdige, gänzlich unbegründete Gerüchte über Gesundheit des Kaisers zu stören. Der Fi­nanzminister berührte dies in der Sitzung des Ab­geordnetenhauses. Einer dieser Gerüchtsverbreiter soll bereits gerichtlich vernommen worden sein.

Hamburg. 20. Febr. Der Fachverein der Maurer hat beschlossen, 10 000 ^ aufzunehmen, um die ausständischen Cigarrenarbeiter zu unter­stützen.

Sozialdemokratisches. Ein bedenkliches Licht auf die Verwendung der sozialdemokratischen Unter­stützungsgelder wirft die Abrechnung derjenigen Bei­träge, welche im Sommer 1889 zum Ausstand der Schneidergesellen in Hamburg gesteuert wurden. Nach einem Hamburger Artikel des BerlinerVorwärts" ind eingegangen an Unterstützungsgeldern 19 653 Mark 20 ^f. Ausbezahlt waren am 14. Juli 1889, an welchem Tage die Streik-Kommission öffentlich Rechnung ablegte: zur Unterstützung von Streikenden 10079 zur Besoldung der Kommissionsmitglieder 3639 ^ 55 ^f, für Druckt.sten und Porto 344 -4L 15 ^ff, bar in der Kasse 4259 ^ 55 -ff, zusammen 18 372 ^ 25 -ff. Es fehlen also an der einge­gangenen Summe 1280 ^ 95 L, ganz abgesehen davon, daß kein Nachweis über die 4259 35 -ff,

welche bar in der Kasse bleiben, geliefert werden kann. Es wurden also 20 000 -4L eingenommen und nur 10 000 für die Streikenden verausgabt; die Verwaltung jener 20 000 -,-L kostete 3640 --^i, den sechsten Teil der gesamten Spenden. Die Kommission, welche den Streikfonds verwaltete, bestand aus 15 Mitgliedern, welche also je 240 für ihre Mühe­waltung bekamen, die 100 streikenden Schneidergesellen haben nur je 100 erhalten das nennt man im sozialdemokratischen Zukunftsstaategleichen An­teil am Arbeitsertrag".

Beskerreich-Ungarn.

Ans Wien: Der Erzherzog Franz Ferdinand ist aus Rußland nach Pest zurückgekehrt. Die Re­gierungsorgane konstatieren mit Genugthuung, daß die Reise einen sehr befriedigenden Erfolg gehabt und wesentlich zur Stärkung der guten Beziehungen zwischen Wien und Petersburg beigctragen habe. Der deutsche Kaiser wird den diesjährigen öster­reichischen Manövern in Steiermark beiwohnen-

P e st, 20. Febr. Erzherzog Franz Ferdinand ist heute morgen liier eingetroffen und wurde vom Publikum mit Eljenrufcn begrüßt.

Frankreich.

Paris, 20. Febr. Die hiesigen Blätter wid­men der Kaiserin Friedrich achtungsvolle Betrach­tungen und erblicken in dem Besuch den Anfang einer Besserung der deutsch-französischen Bezieh­ungen.

Paris. Der Besuch der Kaiserin in Paris .findet natürlich im Einverständnisse nicht bloß mit dem Kaiser, sondern auch mit dem Reichskanzler statt, und hat insofern eine politische Bedeutung, die auch hervorgehoben wird. So begrüßt z. B. die Vossische Zeitung den Pariser Aufenthalt der Kaiserin- Mutter: Die hohe Frau habe damit Mut und Vertrauen bewiesen, was die ritterliche Nation der Franzosen zu würdigen wisse.Die Völkeobegrüßen die Reise der Kaiserin Friedrich als ein gerichtliches Ereignis mit dem Wunsche, bald die heilsame Wir­kung zu verspüren." Ein merkwürdiger Zufall hat es gefügt, daß am Mittwoch auch die Witwe Kaiser Napoleons III. nach Paris gekommen ist. Zum Empfang der einst bewunderten und. allmäch­tigen Exkaiserin war niemand erschienen. 1

Paris, 19. Febr. Die Kaiserin Friedrich ist heute morgen, über Köln kommend, hier eingetroffen. Auf dem Bahnhof war ein besonderer Sicherheits­dienst organisiert. Der Spezialzug, mit dem sie reiste, wurde von der Grenze ab auf besonderen Be­fehl des Ministers durch einen Polizei-Inspektor be­gleitet. Die Kaiserin war begleitet von der Gräfin Perponcher und dem Grafen v. Seckendorf. Auf dem Bahnhof hatten sich die Mitglieder der deut­schen Botschaft, die Gräfin Münster, die Spitzen der deutschen und englischen Kolonie, sowie zahlreiche Franzosen eingefunden. Als die Kaiserin den Wa­gen verließ, entblößten die Anwesenden schweigend uud respektvoll das Haupt. Die Kaiserin eilte auf die Gräfin Münster zu und umarmte sie. Den vor­gestellten Mitgliedern der Gesandtschaft reichte diz Kaiserin sämtlich die Hand zum Kuß. Die Kaiserin trug tiefe Trauer, sah übrigens wohl aus. Auf dem ganzen Wege grüßte die Menge respektvoll. Man fuhr in drei Equipagen direkt zur deutschen Botschaft, wo die Kaiserin die vom Kaiser Wilhelm I. im Jahre 1867 bewohnten Gemächer bezog.

Paris, 20. Febr. Die Kaiserin Friedrich und die Prinzessin Margarethe nebst Gefolge, sowie der deutsche Botschafter, mehrere Räte und Attaches bestiegen heute Nachmittag den Eiffelturm.

Paris, 20. Febr. Verschiedene Blätter melden: Während der gestrigen Losziehung der Militär- Pflichtigen in Saint Denis stießen etwa 28 im Kaffee­hause versammelte Anarchisten aufrührerische Rufe, wie:Nieder mit dem Vaterland, nieder mit den Soldaten!" aus. Ein Anarchist gab auf einen Po­lizeikommissar. welcher Demonstranten verhaftete, einen Revolvcrschuß ab, ohne jedoch den Kommissar zu verwunden.

Belgien.

Prinz Balduin von Flandern erschossen! lieber den plötzlichen Tod des belgischen Thronerben laufen jetzt sensationelle Gerüchte in so bestimmter Form um, daß wir dieselben wenigstens erwähnen wollen. Der Prinz hat danach ein Liebesverhältnis mit einer ebenso schönen wie leichtsinnigen Brüsseler Sängerin gehabt, von der ec nicht zu trennen war, trotzdem das Dämchen noch einen anderen Liebhaber hatte. Der letztere, welcher die Sängerin unterhielt, überraschte das Paar und traf den Prinzen mit einer Revolverkugä. Die Wunde war nicht schwer, dann aber rief sie eine innere Verblutung hervor, welcher der Prinz erlag.

Ein politischer Streik droht in Belgien. Die belgischen Arbeiter haben wiederholt schon eine Re­form des bestehenden Wahlrechtes, welches sie voll­ständig von den Parlamentswahlen ausschließt, ge­fordert, stets haben die Kammern diese Forderung abgelehnt. Jetzt ist sie abermals gestellt, und im Falle erneuter Ablehnung wollen die Industriear­beiter des ganzen Landes mit einem Tage aufhören, zu arbeiten. Die belgische Verfassung enthält schwere Ungerechtigkeiten gegen die unbemittelten «Stände, die allein auch als Soldaten dienen müssen, und das Verlangen nach Abänderung ist deshalb nicht ganz, unberechtigt.

England.

DerGaulois" erzählt, im Garten des Londo­ner Hauses der Herzogin de la Torre sei ein Schatz von nicht weniger als 3 400 000 Pfund Sterling, also nahezu 70 Millionen Mark, aufgefunden wor­den, den ihr Großvater, ein kubanischer Pflanzer, dort vergraben hatte. Das Geld soll nun zwischen den Enkelkindern des Pflanzers geteilt werden und auf die Herzogin de la Torre und Lady Cartheß würden je 400 000 Pfund Sterling entfallen falls die Berechnung und die ganze Nachricht des Pariser Boulevardblattes richtig ist.

A m e r i ka.

New-Dork, 20. Febr. Das Leichenbegängnis General Syermans fand gestern unter Beteiligung der gesamten Bevölkerung statt. Die Beerdigung erfolgt in Saint Louis. Nachmittags waren alle Geschäfte geschloffen.

Afrika.

Beirut, 20. Febr. Sechs Passagiere des DampfersAuguste Viktoria", darunter, vier Ham­burger, sind auf dem Libanon eingeschneit; sie sind trotz allen Bemühungen seither nicht erreichbar, jedoch wohlauf. Der Dampfer setzte seine Fahrt nach Kon­stantinopel fort.