Stuttgart, 11. Nov. Die einem Blatte entnommene Nachricht, daß Frau Herter, die Witwe des früheren Restaurateurs zum Steinbock hier, von dem Straßburger Apotheker, der den Tod ihres Mannes verschuldet hat, auf dem Wege des Vergleichs die Summe von 20000 ^ erhalten habe, wird von dem Anwalt der Frau als irrtümlich bezeichnet. Die erste Verhandlung findet am 17. November statt. .
Stuttgart, 13. Nov. Der „Staatsanzciger" bringt heute eine längere Erklärung in der Woodcock- Angelegenheit. Darnach hat Wovdcock sich aus eigener Entschließung mit Hendryk aus der Umgebung des Königs, der ihm ein dankbares Andenken bewahren werde, zurückgezogen. Der König will auch ausgesprochen wissen, daß Wovdcock sich an spiritistischen Experimenten niemals beteiligt habe. Ueber eine schädliche Einflußnahme Dritter aus Staatsge- schäste haben die Minister sich nicht zu beklagen gehabt und deshalb auch weder die Entfernung irgend welcher Personen aus der Umgebung des Königs verlangt, noch ihre Entlassung eingereicht. Die Minister beschränkten sich auf eine allgemein gehaltene Vorstellung an den König, der für die damit kund- gcgebenen guten Absichten danken ließ und auch besohlen hatte, daß von einem ferneren strafrechtlichen Vorgehen wegen des Vorgckommenen Abstand genommen werde in der Erwartung, daß nach Darlegung der Sachlage eine ruhige, unbefangene Beurteilung derselben seitens der Gutgesinnten Platz greifen werde.
Stuttgart. Bekanntlich wird im Juli und August 1889 aus Anlaß des 25jährigen Regierungs- jubiläums Sr. Maj. des Königs eine Ausstellung von Arbeiten aus den gewerblichen Fortbildungsschulen und anderen Unterrichtanstalten des Landes verbunden mit einer Ausstellung von Lehrmitteln württ. Zeichenschulen, von künstlerischen Arbeiten der Zeichenlehrer für die Industrie und von Lehrlingsarbeiten in den Räumen der städtischen Gewerbehalle zu Stuttgart gehalten. Hiezu schreibt das badische „Korr.-Bl." für Werkstatt und Schule u. a.: Es ist wohl das erstemal in der Weltgeschichte, man verzeihe den großartigen Ausdruck, er ist nichtsdestoweniger wahr, daß zur Jubelfeier einer 25jährigen, reichgesegneten Regierung die Leistungen der Schulen des arbeitenden Volkes, die Arbeiten seiner Lehrlinge mit herbeigezogcn werden. Wir freuen uns, daß dies geschieht, und freuen uns aufrichtig, daß dieser Triumph, so dürfen wir wohl sagen, unserem Nachbarlande Württemberg beschieden ist. Wir könnten nicht sagen, daß wir mit dem System des württ. gewerblichen Unterrichtswesens durchweg einverstanden wären; aber der Eifer, die ungeteilte Hingabe, mit welcher die Sache selbst von der württ. Regierung und ihren Organen gepflegt wird, verdient unsere rückhaltlose Anerkennung. Wir sehen daraus, die württ. Regierung weiß das Große und für die Zukunft Bedeutungsvolle da zu suchen und zu finden, wo es in Wirklichkeit ist, wenn es auch wenig äußern Glanz zeigt.
Ein Sterns chnnp pen-Monat ohne Gleichen ist der November. Zunächst werden wir, d. h. unsere verehrte Mutter Erde, in der Zeit vom 12. bis zum 14. d. Mts. dem Anprall jenes Meteorschwarmes ausgesetzt sein, dessen Ausgangspunkt im Steru- bildc des großen Löwen, senkrecht unterhalb des großen Bären liegt, woher dieser Sternschnuppen- strpm auch den Namen der Leoniden trügt. Nachher, am 27. Nov., wird aus dem Sternbilde der Andromeda ein anderer Schwarm minimalster Weltkörper aus uns losfahren, der aus der Zertrümmerung eines Kometen entstanden ist.
Eßlingen, 11. Nov. Der in weiteren, besonders in Lehrcrkrcisen, wohlbekannte und beliebte Oberlehrer am Schnl- lchrer-Scminar, H Schönmann, tst heute früh an einem Herzschlag unerwartet schnell verschieden.
Mannheim, 11. Nov. Einen für unsere Hausfrauen beherzigenswerten Fall verhandelte dieser Tags die hiesige Strafkammer. Ein Heidelberger Geschäftshaus, die Firma K. u. Cie., war angeklagt, unter 6000 Kilo Pfeffer 1160 Kilo Staub, Pfeffer- schalen und sonstige Abfälle gemischt und dieses Produkt als Naturpfcfser in den Handel gebracht zu yabeu. Wenn auch die zu dieser Verhandlung zugezvgeuen Sachverständigen, deren Ansichten in Betreff deS Begriffs der Fälschung sehr auseinau- dergingeu, feststcllten, daß in Baden und Bayern 6,5 Prozent, in Hessen sogar 10 Prozent Beimi schuug bei Gewürzen noch als unverfälscht gelten.
so konnte sich der Gerichtshof von der Unschuld der Angeklagten nicht überzeugen und verurteilte den Inhaber obigen Geschäftes zu 500 und den ; Prokuristen zu 200 ^ Geldstrafen. Darum, ihr Hausfrauen kauft ganzen Pfeffer und mahlt ihn selbst.
Hünseld, 11. Nov. Der Brandstifter, welcher so namenloses Elend über unfern Ort gebracht hat, dürfte in der Person des hiesigen berittenen Gendarmen Steinmann entdeckt sein. Der Brandlegung dringend verdächtig, sollte er heute Nachmittag auf seinem Zimmer verhaftet werden, fand aber noch Zeit, sich der irdischen Gerechtigkeit dadurch zu entziehen, daß er sich eine Kugel durch den Kopf schoß und den Geist sofort aufgab.
Berlin, 10. Nov. Trotz aller Ableugnung durch die „Freisinnige Zeitung" ist es Thatsache, daß innerhalb der „freisinnigen" Partei große Meinungsverschiedenheiten herrschen; die Mißstimmung gegen Richter ist außerordentlich groß. Gleichwohl sind schwerlich praktische Folgen von den augenblicklichen Differenzen zu erwarten, da in der Partei Niemand vorhanden ist, welcher geneigt und fähig wäre, an Richters Stelle die Führung zu übernehmen.
Berlin, 12. Nov. Der deutsch-schweizerische Handelsvertrag ist gestern hier unterzeichnet worden.
Berlin, 12. Nov. Das deutsch-freundliche Abkommen, betreffend die Blokade der ostasrikanischen Küste zur Unterdrückung des Sklavenhandels, soll morgen in Berlin und London publiziert werden.
Berlin, 12. Nov. Der Kaiser soll als einzige Ovation bei seiner Anwesenheit in Breslau einen Fackelzug der Arbeiter für den 15. d. M. genehmigt haben.
Zum 1. April 1889 wird, wie verlautet, eine Ermäßigung der Retvnrbillets aus den preußischen Staatseisenbahnen eintreten.
Berlin. Der Beitritt Frankreichs, Portugals und Italiens zu dem deutsch-englischen Abkommen gegen den maritimen Sklavenhandel, das übrigens publiziert werden soll, stellt eine Blokade an der ostafrikanischen Küste her in einer bisher nvch nicht erlebten Ausdehnung. Die Blokade reicht von Mozambique nahe der Südspitze Afrikas bis nach Sua- kim, hoch hinauf im roten Meere, sie geht über 34 Breitegrade und erstreckt sich über 500 deutsche Meilen Luftlinie. Um diese gewaltige Strecke von skla- vensührenden Schiffen zu säubern, wird cs einer stattlichen Anzahl von Kanonenbooten und schnellsegelnden Kreuzern der verschiedenen, zur Unterdrückung des Sklavenhandels sich verbindenden europäischen Mächte bedürfen. Wird die Blokade ernstlich gehandhabt, so stellt sic einen ganz wesentlichen Fortschritt im Dienste der Zivilsatiou dar. ^ i
Berlin. In früheren Jahren ist es üblich ' gewesen, dem Kaiser am l. Januar die Rang-Quar- tierliste der preußischen Armee für das neue Jahr zu überreichen. Wie verlautet, soll dies im künftigen Jahre am 27. Januar, dem Geburtstage des Kaisers, geschehen.
Die noch fehlende halbe Million vom Berliner Postdiebstahl ist aufgesunden! Der zuletzt verhaftete Arbeiter Brunn, in Wahrheit ein gemütlicher Verbrecher, hat den Berliner Kriminalbeamten gestanden, daß er die Summe, in einem Koffer verpackt, seinem' Hamburger Schlaswirt zur Aufbewahrung übergeben habe. Dort wurde das Geld auch richtig gefunden. Als Brunn von den Berliner Beamten in freundlicher Weise angeredet wurde, ging ihm gleich das Herz aus und emphatisch ries er aus: „Ja, den Berlinern gestehe ich alles ein: die Hamburger ^ hätten lange darauf lauern können. Lieber hätte ich mich halb tot schlagen lassen, als daß ich ein „Atom" gesagt hätte." Nachdem sich Brunn durch eine Tasse Bouillon gestärkt und eine halbe Flasche ' Rotwein vorgesetzt erhalten hatte, gab er sein Geständnis ausführlich zu Protokoll mit den Worten: ! „Solche Behandlung läßt man sich doch noch gefallen. Ich weiß wohl, daß 10 000 Belohnung ausgesetzt sind und die sollen meine gute» Berliner verdienen, die wenigstens mit Einem umzugehen ^ verstehen."
Einen Mackenzie-Prvzcß wird es nun doch in > London geben! Ter Verleger Paul Schloßmann in London hat den amtlichen Bericht der deutschen! Aerzte in englischer Sprache veröffentlicht und die! Anwälte Mackenzies haben daraufhin gegen Schloß- ^ mann eine Anklage wegen Berläumdung angestrengt. !
Dem Reichstag wird in der kommenden
Saison auch eine Novelle zum Krankenkaffengesetz ; zugehen. Eine Anzahl konservativer Abgeordneten ! will abermals einen Antrag auf Einführung eitles ! Wollzolles einbringen.
! Windthorst hat auf dem Katholikenkongreß > bekanntlich den Krieg um die Schule angekündigt,
! die Volksschule soll ganz der Geistlichkeit übermittelt ; werden. 30 katholische Lehrer in Krefeld haben nun den Mut gehabt, in der Zeitung zu erklären: „Die Lehrerschaft weiß, daß es sich bei dem Antrag Windt- horsts um etwas ganz anderes handelt, als um die Leitung des Religionsunterrichtes, diese liegt ja in der That überall in der Hand der Kirche, es ist vielmehr die gesamte Herrschaft über die'Schule und den Lehrerstand, welche die Geistlichkeit in die Hand zu bekommen sucht." Man kann sich denken, welcher Sturm in der ultramontanen Presse gegen die tapferen 30 und ihre Hintermänner ausgebrochen ist!
Schweiz.
In Basel beschloß eine 1500 Mann starke ! Volksversammlung eine Eingabe an die Regierung, daß der Heilsarmee ihr Gesuch um Baubewilligung für ein Versammlungslokal verweigert werde.
Oesterreich Ungarn.
i Wien, 11. Nov. Dem „N. Tagbl." zufolge ! genehmigte die Regierung die Statuten einer Stiftung des Baron Hirsch von 12 Millionen zu Gunsten der Verbesserung des Loses galizischer Juden.
Wien, 12. Nov. Die Saatsanwaltschaft lud ^ die Herausgeber der Wiener Witzblätter vor und erklärte denselben, daß Persiflagen oder Carricaturen des Königs Milan von nun an konfisziert werden würden.
Wien, 12. Nov. Im hiesigen auswärtigen Amt herrscht große Verstimmung über die Umstände, unter welchen die russische Anleihe zu stände kam.
! Man ist im Ministerium unterrichtet, daß die Unterhandlungen mit den Häusern Rothschild nur an dem Umstand scheiterten, weil dieselben von Rußland ; Garantieen verlangten, daß die Anleihe nicht zu - Rüstungszwecken verwendet werden würden, was ! selbstverständlich nicht garantiert werden konnte. Die Rothschilds waren schon wegen der ungarischen Konversion bemüßigt, diese Garantie zu verlangen, um nicht etwaigen Kriegsgelüsten Rußlands durch die Kontrahierung der Anleihe Vorschub zu leisten. Auch wegen der Finanzlage der Monarchie ist das auswärtige Amt über die Anleihe sehr verstimmt, da jede militärische Stärkung Rußlands auch Oesterreich gleichen Schritt zu halten nötige.
Wien. Graf Kalnoky, der österreichische Minister des Aeußercn, wurde vom König Humbert von Italien mit dem Annunziata-Orden ausgezeichnet nnd hiednrch zum „Vetter des Königs" ernannt.
BudaPcst, 11. Nov. Heute nacht wurde aus Salgv-Tarjan gemeldet, daß es gelungen sei, sämtliche 20 vermißten Arbeiter zu retten, welche 48 Stunden unter furchtbaren Qualen in den, überschwemmten Josessschachte zurückgeblieben waren und deren Tod bereits als sicher angenommen wurde.
Schweden und Norwegen.
Im nördlichen Schweden herrscht seit Wochen vollständig Winter, 13—19 Grad Kälte mit massenhaftem Schneefall und gewaltigen Stürmen. Dazu kommt der vollständige Mißwachs des Getreides im letzten Sommer. Das Brot, welches die Notleidenden zu essen gezwungen sind, ist von der schlechtesten Beschaffenheit und besteht vorwiegend ans Spreu und Moos.
Belgien.
Brüssel, 12. Nov. Die „Etoile Beige" erfährt aus Paris, die Gattin des Generals Boulanger habe bei Gericht um die Scheidung ihrer Ehe nachgesucht. — Bon einer Begegnung des Königs Leopold mit dem deutschen Kaiser ist hier vorläufig keine Rede.
Spanien.
In Politik und Wetter, im Großen und Kleinen ist in Spanien ein Temparaturwechsel eingetreten. Die Spanier schlängeln sich in neuester Zeit ungemein an die Franzosen an, obgleich Frankreich den Spaniern selten etwas Gutes, sondern immer das Gegenteil gebracht hat. In Berlin, Madrid und Paris soll dieser Temparaturwechsel schon sehr merklich sein.
Madrid, 12. Nov. Canovas wurde gestern morgen bei seiner Ankunft aufs feindseligste empfangen. Studenten und die Volksmenge riesen : „Nieder mit Canovas." Die Polizei mußte den Wagen schützen.