Kreise sich die Wohlthaten des KrankenversichcrungszwangeS erstrecken.

DerReichsbote" schreibt unter der Ueber- schrist:Vom falschen Spiel": DerBörs.-Cour." hatte gestern morgen die von uns erwähnten Gerüchte über einen Konflikt zwischen dem Kaiser und Reichs­kanzler wegen des Grafen Waldersee eben­falls gebracht. Gestern abend aber sah sich das Blatt genötigt, zu gestehen, daß an diesen Gerüchtenauch nicht ein Atom" Wahres ist ;sie seien ohne jeden Anschein eines Vorwandes einfach aus der Luft ge­griffen!"

Wie die Köln. Ztg. schreibt, entbehren die Ge­rüchte von einer möglichen Begegnung zwischen den Kaisern von Rußland und Deutschland in diesem Sommer bisher der sicheren Grundlage. Was dagegen als sicher angenommen werden darf, ist die erfreuliche Thatsache, daß der Friede seit länge­rer Zeit nicht so wohl gefestigt galt, wie eben jetzt. Da Kaiser Wilhelm II. gleich seinen Vorfahren kein höheres Ziel kennt, als unserem Volke den Frieden zu erhalten, so darf man, Zwischenfälle ausgeschlos­sen, auf einige ruhige Zeit vertrauen.

Berlin, 23. Juni. Zu den mancherlei jetzt' zirkulierenden Gerüchten gehört auch, daß ein Aus-! gleich mit dem Herzog von Cumberland be-j vorstehe, der auf Hannover verzichten und Herzog von Braunschweig werden solle.

Berlin, 24. Juni. Nach den heute vorlie­genden Nachrichten werden alle deutschen Bundes­fürsten persönlich oder durch fürstliche Mitglieder ihres, Hauses, ebenso die regierenden Bürgermeister der Hansestädte bei der Eröffnung des Reichstags zuge­gen sein. Der Kaiser und die deutschen Fürsten ehren den Reichstag und in ihm das deutsche Volk hoch durch diese feierliche persönliche Beteiligung und sie geben damit zugleich aller Welt den vollwichtig­sten Beweis für die unverbrüchliche Zusammengehö­rigkeit der deutschen Fürsten und des deutschen Vol­kes. Der 25. Juni 1888 wird somit ein denk­würdiger Tag der deutschen Geschichte werden. Man wird ihn als die feierliche Erneuerung des Tags von Versailles rühmen. Die gewaltige ! Epoche der Gründung des Reichs ist abgeschlossen; j es beginnt eine neue Zeit; die junge Generation! übernimmt mit feierlichen Gelöbnissen das Erbe der ^ Väter. Möge diese neue Zeit eine Zeit des Frie- , dens sein!

Berlin, 24. Juni. Wie der Boss. Ztg. aus Petersburg berichtet wird, hat der Zar Ale­xander III. nach dem Hinscheiden des Kaisers Fried­rich dem Kaiser Wilhelm II. sein herzliches Beileid i nicht nur auf telegraphischem Wege, sondern auch! durch eineigenhändigesSchreiben ausgedrückt, j Dasselbe sei im herzlichsten Tone gehalten, verleihe- der vollen innigen Teilnahme für den verewigten! Monarchen warmen Ausdruck und übertrage diese! Sympathie auch auf den Sohu und Nachfolger des! tiefbeklagten Fürsten. !

Berlin, 25. Juni. Der Einzug des Kai-! serpaares, der gestern in offenem Wagen, beglei-I tet von Gardekürassieren, sonst fast ohne Gefolge - stattfand, war großartig durch die Entfaltung von > Hunderttausenden von Zuschauern zwischen dem Char- ! lottenburger und dem Berliner Schloß, deren don- ! nernde Hochrufe die ganze Fahrt hindurch das Kai-! serpaar begleiteten, das tiefbewegt dankte. Seit j heute früh unter den Linden und um das Schloß! großartiges Menschengedränge. Die Reichstags-! abgeordneten sind fast vollzählig bereits hier.! Jedermann hat das Gefühl eines großen geschichtli- l chen Tages. !

Berlin, 25. Juni. Der König von Sach-! seu traf um l l Uhr auf dem Anhalter Bahnhof ein, ^ empfangen von dem Kaiser und dem Prinzen Leopold.

Berlin, 25. Juni. Um 12 Uhr begaben sich der Kaiser und die Fürstlichkeiten unter großem Vor- tritt in die Kapelle. Der Kaiser zwischen dem König von Sachsen und dem Prinz-Regenten von Bayern, alsdann folgten die Großherzögc von Baden und Hessen, der Prinz Wilhelm von Württemberg, die preußischen Prinzen Heinrich, Leopold und Albrecht,! die Großherzoge von Sachsen-Weimar u. von Schwe­rin, sodann die Herzöge und Fürsten. Nach dem Gottesdienst, wobei Kögel die Rede hielt, ging der Zug in gleicher Ordnung zurück. Gegen 1 Uhr war der weiße Saal mit Abgeordneten gefüllt, die zahl­reich aus allen Parteien vertreten waren. Schlag 1 Uhr traf der Reichskanzler an der Spitze des Bnn-

desratS, neben ihm der bayerische Minister Lutz ein. Nachdem der Reichskanzler den Reichstag begrüßt hatte, meldete derselbe dem Kaiser, daß der Reichstag versammelt ist. Gleich nach 1 Uhr erschienen der Kaiser, die Fürstlichkeiten in programmmäßigem Zuge, die Ritter des schwarzen Adlerordens in purpur­samtenen Mänteln, welche Tracht auch der Kaiser angelegt hatte; hinter dem Reichspanier vor dem Kaiser ging Moltke, der sich zwischen dem Panier und dem Schwert aufstellte. Die Kaiserin nahm Platz in einer rechts vom Throne errichteten Loge, neben sich den Kronprinzen in schwarzem Knabenanzuge, gefolgt von drei Hofdamen. Der Reichstaaspräsident brachte ein dreimaliges Hoch auf den Kaiser und dessen Verbündete aus. Der Kaiser verlas die Thron­rede mit vernehmlicher Stimme, mehrfach von leb­haftem Beifall unterbrochen; nach Verlesung der Rede schüttelt der Kaiser dem Reichskanzler die Hand, wel­cher des Kaisers Hand küßt und unter v. Lutz aus­gebrachtem Kaiserhoch verläßt der Zug den Saal.

Berlin, 25. Juni. Der Kaiser erösinete ! heute den Reichstag in Anwesenheit der ersten! deutschen Fürsten und ihrer Vertreter durch folgende Thronrede: Geehrle Herren! Mit tiefer Trauer im Herzen begrüße Ich Sie und weiß, daß Sie mit Mir trauern. Die frische Erinnerung an die schwe­ren Leiden Meines hochseligen Herrn Vaters, die erschütternde Thatsache, daß Ich drei Monate nach dem Hintcitt weiland Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm berufen war, den Thron zu besteigen, üben die gleiche Wirkung in den Herzen aller Deut­schen, und Unser Schmerz hat warme Teilnahme in ^ allen Ländern der Welt gefunden. Unter dem Drucke - desselben bitte Ich Gott, Mir Kraft zur Erfüllung j der hohen Pflichten zu verleihen, zu denen sein Wille ! Mich berufen hat. Dieser Berufung folgend, habe Ich das Vorbild vor Augen, welches Kaiser Wilhelm ! nach schweren Kriegen in friedliebender Regierung seinen Nachfolgern hintcrlassen und dem auch Meines hochseligen Herrn Vaters Regierung entsprochen hat, soweit die Belhätiguug seiner Absichten nicht durch! Krankheit und Tod verhindert worden ist. Ich habe > Sie, geehrte Herren, berufen, um vor Ihnen dem l deutschen Volke zu verkünden, daß Ich e n t s ch l o s- ! sen bin, als Kaiser und als König dieselben Wege zu wandeln, auf de-j nen Mein hoch seliger Herr Großva-^ ter das Vertrauen seiner Bundesge-i nossen, die Liebe des deutschen Vol­kes und die wohlwollende Anerken­nung des Auslandes gewonnen hat. Daß auch Mir dies gelinge, steht bei Gott; erstre- ! ben will Ich es in ernster Arbeit. Die wichtigsten Aufgaben des deutschen Kaisers liegen auf dem Ge­biete der militärischen und politischen Sicherstellung! des Reiches nach außen und im Innern in der Ueber- ! wachung der Ausführung der Reichsgesetze. Das oberste dieser Gesetze bildet die Reichsverfassung; sie ^ zu wahren und zu schirmen in allen Rechten, die sie den beiden gesetzgebenden Körpern der Nation und jedem Deutschen, aber auch in denen, welche sie dem . Kaiser und jedem der verbündeten Staaten und de- ! ren Landesherren verbürgt, gehört zu den vornehm­sten Rechten und Pflichten des Kaisers. An der Ge- ! setzgebung des Reiches habe Ich nach der Verfassung mehr in Meiner Eigenschaft als König von Preu­ßen wie in der des deutschen Kaisers mitzuwirken; aber in beiden wird es Mein Bestreben sein, das Werk der Reichsgesetzgebung in dem gleichen Sinne fortzuführen, wie Mein hochseliger Herr Großvater j es begonnen hat. Insbesondere eigne Ich Mir die! von ihm am 17. November 188l erlassene Botschaft ! ihrem vollen Umfange nach an und werde im Sinne! derselben fortfahren, dahin zu wirken, daß die Reichs- , gesetzgebung für die arbeitende Bevölkerung auch fer- j ner den Schutz erstrebe, den sie im Anschluß an die! Grundsätze der christlichen Sittenlehre den Schwa- ! chen und Bedrängten im Kampfe um das Dasein gewähren kann. Ich hoffe, daß es gelingen werde, , auf diesem Wege der Ausgleichung ungesunder ge- - sellschaftlicher Gegensätze näher zu kommen, und hege , die Zuversicht, daß Ich zur Pflege unserer inneren Wohlfahrt die einhellige Unterstützung aller treuen Anhänger des Reiches und der verbündeten Regie­rungen finden werde, ohne Trennung nach geson­derter Parteistellnng. Ebenso aber halte Ich es ^ für geboten, unsere staatliche und gesellschaftliche Entwicklung in den Bahnen der Gesetzlichkeit zu- erhalten und allen Bestrebungen, welche den Zweck

und die Wirkung haben, die staatliche Ordnung zu untergraben, mit Festigkeit entgegenzutreten. In der auswärtigen Politik bin Ich entschlossen, Frieden zu halten mit jedermann, soviel an Mir liegt. Meine Liebe zum deutschen Heere und meine Stellung zu demselben werden Mich niemals in Versuchung führen, dem Lande die Wohlthaten des Friedens zu verkümmern, wenn der Krieg nicht eine durch den Angriff auf das Reich oder auf dessen Verbündete uns auf­gedrungene Notwendigkeit i st. Unser Heer soll uns den Frieden sichern, und wenn er uns dennoch gebrochen wird, im stände sein, ihn mit Ehren zu erkämpfen. Das wird es mit Gottes Hilfe vermögen nach der Stärke, die es durch das von Ihnen einmütig beschlossene jüngste Wehrgesetz erhal­ten hat. Diese Stärke zu Angriffskriegen zu benu­tzen, liegt Meinem Herzen fern. Deutschland bedarf weder neuen Kriegsruhmes noch irgend welcher Er­oberungen , nachdem es sich die Berechtigung, als einige und unabhängige Nation zu bestehen, endgül­tig erkämpft hat. Unser Bündnis mit Oesterreich- Ungarn ist öffentlich bekannt; Ich hglte an demselben in deutscher Treue fest, nicht bloß, weil es geschlos­sen ist, sondern weil Ich in diesem defensiven Bunde eine Grundlage des europäischen Gleichgewichts er­blicke, sowie ein Vermächtnis der deutschen Geschichte, dessen Inhalt heute von der öffentlichen Meinung des gesamten deutschen Volkes getragen wird und dem herkömmlichen europäischen Völkerrechte entspricht, wie es bis 1866 in unbestrittener Geltung war. Gleiche geschichtliche Beziehungen und gleiche natio­nale Bedürfnisse der Gegenwart verbinden uns mit Italien. Beide Länder wollen die Segnungen des Friedens festhalten, um in Ruhe der Befestigung ihrer neugewonnenen Einheit, der Ausbildung ihrer nationalen Institutionen und der Förderung ihrer Wohlfahrt zu leben. Unsere mit Oesterreich-Ungarn und Italien bestehenden Verabredungen gestatten Mir zu Meiner Befriedigung die sorgfältige Pflege Meiner persönlichen Freundschaft für den Kaiser von Rußland und der seit hundert Jahren bestehenden friedlichen Beziehungen zu dem russischen Nachbar- reiche, welche Meinen eigenen Gefühlen ebenso wie den Interessen Deutschlands entspricht. In der ge­wissenhaften Pflege des Friedens stelle Ich Mich ebenso bereitwillig in den Dienst des Vaterlandes, wie in der Sorge für Unser Kriegsheer, und freue Mich der traditionellen Beziehungen zu auswärtigen Mächten, durch welche Mein Bestreben in erstercr Richtung befördert wird. Im Vertrauen auf Gott und auf die Wehrhaftigkeit Unseres Volkes hege Ich die Zuversicht, daß es Uns für absehbare Zeiten vergönnt sein werde, in friedlicher Arbeit zu wahren und zu festigen, was unter Leitung Meiner beiden in Gott ruhenden Vorgänger auf dem Throne kämpfend erstritten wurde.

Berlin, 25. Juni. Bei der Erwähnung aller größeren Nachbarstaaten Deutschlands in der Thron­rede hat das Unterbleiben jeglicher Bemerkung über Frankreich wohl nur den einen Sinn: die Freund­schaft der dritten Republik suchen wir nicht, ihre Feind­schaft läßt uns gleichgültig in dem Bewußtsein unse­rer friedliebenden Stärke.

Berlin, 25. Juni. Gutem Vernehmen nach wird der Seniorenconvent des Reichstages ein­stimmig beschließen, die Ausarbeitung des Adreßent- wurfs den 3 Präsidenten des Hauses zu übertragen mit der Direktion, im Inhalte der Adresse jede Poli­tische Anspielung zu vermeiden.

Berlin, 26. Juni. Daß eine K r ö n u n g im Herbst in Königsberg nicht statthaben wird, einmal weil nunmehr der Horizont seit der letzten Krönung sich zum deutschen Kaiserreich erweitert, sodann aber auch weil die geschwächten Fonds eine Ausgabe in der Höhe von etwa 800000 Thalern so viel hat die letzte Krönung gekostet nicht gestatten, wird allgemein bekräftigt.

Der Amnestieerlaß Kaiser Wilhelms II., welcher genau dem Kaiser Friedrichs entspricht, wird für Ende dieser Woche erwartet. Der Straf­erlaß wird sich auf Personen des Zivil- und Mili­tärstandes erstrecken.

Nach einer Meldung derM. A. Z." verbleibt Kaiserin Viktoria zunächst in Friedrichskron, wird sodann einer Einladung des englischen Hofes nach England im Herbst folgen und will den Winter in Berlin zubringen.