Stuttgart. 18. Nov. Ein großer Brand legte heute abend die Städtische Lagerhalle vollstän­dig in Asche. Große Quantitäten von Hopfen und Haber sind verbrannt. (Näherer Bericht folgt.)

Stuttgart, 17. Nov. Der Hopfenmarkt wird nun­mehr bis auf weiteres in die Gewcrbehalle verlegt.

Die Gmünder Goldwarenfabrikanten beabsich­tigen die Einrichtung einer Tekephonverbindung zwischen Gmünd und Pforzheim.

Biberach, 14. Nov. Unsere wackeren Käm­pfer von 187071 haben gestern den Beschluß ge­faßt , dieses Jahr auf eine Feier der Siege von Champigny zu verzichten. Die Gründe hiefür gipfeln in der Trauer über das schwere Leiden des Kron­prinzen des deutschen Reiches, dessen Geschick keine Festesfreude in den Herzen seiner ehemaligen Krieger aufkommen läßt.

Bei einer Wahlversammlung für die Land- tagsabgeordnerenwahl des Bezirks Aalen trat der kath. Dekan Kollmann von Unterkochcn aufs Wärmste für die Wahl seines Freundes, des evang. Oberamtmanns Wittich von Rottenburg ein in der festen Ueberzeugung, daß derselbe die Friedensfahne Hochhalten werde. Man glaubte daher hoffen zu dürfen, daß die Gemeinde des Herrn Dekans im Sinne ihres geistigen Leiters bei der Abstimmung eintreten werde. Aber was geschah? Der so warm empfohlene Wittich erhielt 68 Stimmen, der ganz plötzlich aufgetauchte katholische Gegenkandidat aber 162. Man fragt sich, wie das so gekommen sei?

Brandfälle: In Rohrau (Herrenberg) am 10. ds. eine Scheuer.

Straßburg, 17. Nov. Bischof Racß ist heute im Atter von 93 Jahren gestorben.

Berlin, 14. Nov. Nach unseren an maß­gebender Stelle eingezogenen Erkundigungen ist eine Aenderung in den Dispositionen bezüglich der Reise des Zaren und dessen Besuch am Berliner Hofe nicht mehr zu erwarten und wird der russische Kaiser sonach am Freitag den 18. d. Mts. in der Reichs- Hauptstadt und zwar vormittags eintreffen und bis zum späten Abend in derselben verweilen. Daß sich Herr v. Giers ebenfalls gelegentlich des Be­suches des Zaren in Berlin einsinden werde, ist bis zu dieser Stunde nichts bekannt geworden.

Professor Störk bedauert neuerdings, daß man den Kronprinzen in Italien lasse und Dr. Krause, dem noch die große Erfahrung mangle, die Behandlung übertrage. Man brauche jetzt über­haupt keinen Laryngologen mehr, sondern einen Ope­rateur, der den Kronprinzen keine Stunde verlassen dürfe, um bei Erstickungsgefahr sofort bei der Hand zu sein.Man wendet jetzt ein, daß bei Operatio­nen ein gewisser Prozentsatz der Kranken zu Grunde geht. Das ist richtig; jetzt aber, unterbliebe die Operation, könne ein kostbares Leben bestimmt nicht mehr erhalten werden. Was das im Frühjahr von Virchow extrahierte Stück betrifft, so konnte es gut­artig und doch Krebs vorhanden sein. Eine Ver­wechselung bei der Extrahierung ist nicht ausgeschlos­sen. Mau könne sich bei größter Gewissenhaftigkeit bei Extrahierung solcher Partiketchen doch vergreifen." Thatsächlich haben Störk und andere Spezialitäten das Leiden des Kronprinzen seit Mai für Krebs ge­halten. Er habe Mackenzie nicht persönlich ange­griffen, sondern nur einer wissenschaftlichen Ueberzeu- gnng Ausdruck gegeben.

Berlin, 14, Okt. Geheimrat v. Bergmann hat in seiner gestrigen klinischen Vorlesung die Ope­ration der halbseitigen Kehlkopf-Resektion wegen Krebserkrankung an einem 50jährigen Patienten aus­geführt. Die Operation verlief glücklich und Prof, v. Bergmann verbreitete sich ausführlich über die Bedingungen, welche diese Operation notwendig ma­chen , über die Art der Ausführung und über die Aussichten auf Erfolg. Ein mehrere Hunderte von Zuhörern umfassendes Auditorium folgte mit Teil­nahme und Aufmerksamkeit dem Vortrage des glän­zenden Operateurs und verglich im Stillen die Bor teile einer frühzeitigen Operation mit dem jetzigen tragischen Schicksal unseres Kronprinzen. Der Ope­ration wohnten Dr. Moritz Schmidt und Professor B. Fränkcl bei: letzterer hatte den Patienten ans seiner Praxis Herrn v. Bergmann vorgeführt.

Berlin, 15. Nov. Die vvrgeitrige Entlee­rung einer Eiteransammlung (Absceß) aus dem Kehl­kopfe des- Kronprinzen wird nichts als eine nnge- ! wöhnliehe Erscheinung angesehen. Dergleichen wird lei solchen Krankheilsfüllcn auch sonst beobachtet, es j

ist aber auch leider ein Beweis, daß die Krankheit bereits in einem vorgeschrittenen Stadium sich befindet.

Aus San Remo wird gemeldet: Gestern (14.) nachmittag besuchte der Kaiser von Brasilien mit Fa­milie den- Kronprinzen. Der Besuch dauerte eine halbe Stande. Der Kronprinz begrüßte den Kaiser herzlich an der Gartenpforte.

Berlin, 15. Nov. Mit Rücksicht darauf, daß der Kronprinz über kurz oder lang sich der Luft­röhrenöffnung wird unterziehen müssen, hat der Kai­ser nach Rücksprache mit hiesigen Aerzten angeordnet, daß sich der erste Assistent der Universitätsklinik, Dr. Bramann, unverzüglich nach San Remo begibt und in der Umgebung des Kranken bleibt. Der noch ziemlich junge Dr. Bramann gilt als hervorragend­ster Gehilfe des Dr. Bergmann.

Der Kaiser hat genehmigt, daß in Elsaß- Lothringen in Zukunft die Ehrenbezeugung des Glok- kengelüutes auch vor dem kaiserlichen StatHalter stattfinde.

Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist aus Friedrichsruhe in Berlin angekommen und wird sofort im kaiserlichen Palais empfangen werden.

Die angeklagten 9 Mitglieder des Berliner sozialdemokratischen Zentralkomitees sind gegen eine Gesammtkaution von 9 000 ^ vorläufig auf freien Fuß gesetzt worden.

Berlin, 15. Nov. Ein von hervorragenden Katholiken, darunter die Grafen Bissingen und Wald­burg-Wolfegg, gebildetes Komite fordert die deut­schen Katholiken in einem Aufruf auf, den Tag der Sckundizfeier Leos XIII. durch Veranstaltungen von Festlichkeiten, wie sie durch die Ortsgcwohnheiten hergebracht sind, zu einem allgemeinen katholischen Festtag zu gestalten.

Berlin. 17. Nov. Nach den neuesten hier ein getroffenen Meldungen aus San Remo ist die Oedem-Schwellung im Halse unseres Kronprinzen nunmehr ganz verschwunden, so daß gegenwärtig ein Anlaß zu Besorgnissen wegen Beschwerden im Atmen oder Schlucken nicht vorhanden ist; auch die ande­re» lokalen Teile des Halses sind nach einem Tele- ! gramm desBert. Tagbl." relativ befriedigend, wes- j halb vorderhand keine Befürchtung gehegt wird, daß s die Tracheotomie notwendig werden sollte, j In Folge der Explosion schlagender Wetter laus Zeche Gneisen au bei Dortmund sind ll I Bergleute getötet, 2 verwundet, von denen aber schon ! einer starb.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 15. Nov. DieN. Fr. Pr." meldet aus San Remo: Heute Nacht fand ein Eiterausfluß aus der Geschwulst unter dem Kehlkopf statt, welcher die Schwellung gleichsam platzen machte. Dieselbe verschwand daher und der Kronprinz fühlt sich da­durch leichter im Atmen und Schlucken. Die Spric- ßung ist jedoch unverändert. Ein Präparat aus der i Masse soll Virchow übersandt werden.

Wien, 16. Nov. Nachrichten zufolge hatte in Klagenfurt am Montag abend ein 4 Sekunden dauern­des Erdbeben in der Richtung von Ost nach West stattgefunden. In ganz Kärnten wurde am Montag abend starkes Rollen verspürt, in Wolfsberg war ! nachts ein schwächerer Erditoß.

! Frankreich.

Mit Wilson ist es vorbei. Die Beweise gegen ihn haben sich dermaßen verdichtet, daß die , Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung nicht ! ausbleiben darf. Er hat, von der Briefaffaire ganz abgesehen, thatsächlich Orden für Geld verkauft, sich ! für gefällige Lieferungen furchtbar bezahlen lassen,

! kurzum eine wahre Schandwirtschast im Palais seines ! Schwiegervaters getrieben. Der Antrag auf gericht- ! lichc Untersuchung, zu dem die Kammer ihre Er- ^ mächtigung zu geben hat, da Wilson ebenfalls Ab- ^ geordneter ist, wurde am Donnerstag unter Vor- ^ bringnng speziellen, belastenden Materials debattiert ! u. wird zweifellos angenommen werden. Gcevy will

> trotz Allem und Allem am Ruder bleiben. Natürlich ! ist dann eine unbedingte Lossagung von dem saube- ! reu Herrn Schwiegersohn von Nöten. In der bis- ; herigen Weise kann es nicht weiter gehen. Es wird

übrigens vicfach bezweifelt, daß sich Grevy wird halten können. Geht die Untersuchung ohne Versu­chungen vor sich, ist das ganze Elysee unrettbar bla­miert. Das dürfte selbst Herrn Gcevy zu arg wer-

> den. Clemenceau schlägt bereits den anderen repu­blikanischen Parteien Freycinet als Präsidentschafts­kandidaten vor. Der Untersuchungsrichter stellte

in der Briefaffaire die Fälschung der Schriftstücke fest. Die Anklage wird gegen Wilson und einen hohen Polizcibeamten erhoben. General Bou- langer hat schon wieder eine Reihe von Reportern empfangen und sich in sehr hohem Tone ausgespro­chen. Seine Aufnahme in Paris ist eine ruhige, aber entschieden freundliche.

Paris, 14. Nov. Durch die neuesten Ent­hüllungen der freigelassenen Limousin wird der Gene­ral Grevy, der Bruder des Präsidenten, kompro­mittiert.

Paris, 15. Novbr. Wie verlautet, soll der Kricgsminister Ferron im Ministerrat sein Entlas­sungsgesuch eingereicht haben, weil Caffarel vorläu­fig in Freiheit gesetzt wurde. Die Bitten seiner Amtsgenossen hätten nur soweit gefruchtet, daß Fer­ron versprochen habe, vorderhand die laufenden Ge­schäfte weiter zu führen.

Paris, 15. Nov. In der Presse diskutiert man bereits die Frage, wer Grevy's Nachfolger sein würde? Am meisten Chancen hat Ferry, der als Mann von Energie bekannt ist und den die Rechte trotz seiner Unbeliebtheit noch lieber wählen würde, als Herrn Freycinet. welcher zu sehr den Radikalen zuneigt. Neben diesen beiden kämen nach den heuti­gen Blättern noch die Präsidenten der Kammer und des Senats, Floquet und Leroyer, ferner der Mi­nister des Aeußern, Flourens, in Betracht, mögli­cherweise auch Henry Brisson. Nur Boulanger wird nicht genannt, und doch wird man sich nicht verber­gen dürfen, daß sein Nanie bei dieser Successions- frage mindestens eben so gut genannt werden muß, als der jener sechs.

Paris, 15. Nov. Seit heute ist eine Petition an die Parlamentsmitglieder in Umlauf, deren Ge­genstand die Versetzung Wilsons in den Anklagezu­stand, die Abdankung des Präsidenten Grevy und die Beanspruchung der Gleichheit vor dem Gesetz ist.

Paris, 16. Nov. Ein großer Teil der Presse verlangt heute den Rückrritt des Präsidenten I. Grävy als eine Pflicht der Ehre. Die Blätter, welche dem General Boulanger sekundieren, stehen vorn dran dei dieser Hetze. Das XIX. Siöclc erklärt, Grsay irre sich, wenn er meine, durch sein Blewen der Republik einen Dienst zu erweisen. Der einzige Dienst, den er augenblicklich leisten könne, sei, sich ans und da­von zu machen. Nach seinem Auszug müsse man dann tüchtig fegen und desinfizieren.

Italien.

Aus Rom wird gemeldet, dem Papst werde zu seinem Jubiläum ein prachtvoller Kelch als Ge- samtgcscbcnk des italienischen Königshauses überreicht werden.

Rom. 16. Nov. Die Thronrede bei Eröff­nung der Kammer besagt: Die Vermehrung der Ausgaben für militärische Zwecke und öffentliche Ar­beiten veranlaßt die Einschränkung des Staatskredits bezüglich der neuen Eisenbahnbautcn. Wenn, wie der König vertraut, der Friede erhalten bleibt, wer­den außerordentliche Militärausgaben auf dem zu­künftigen Budget nicht erscheinen. Alle Bestrebungen der Regierung seien auf die Erhaltung des unerläß­lichen Friedens gerichtet und werden von den ande­ren Großstaaten geteilt.

Florenz, 14. November. Heute morgen wurde hier in der Richtung von Norden nach Sü­den eine kurze aber starke Ecderschütterung wahrge­nommen. Es läuteten dabei die elektrischen Glocken, die Möbel wurden gerüttelt und die Pferde wieher­ten ängstlich.

England

London, 16. Nov. Nach einer bei Lloyds eingegangenen Depesche ist der englische Dampfer Wah-Ienug" auf dem Kantonflussc verbrannt. Man befürchtet, daß dabei 400 Personen ertrun­ken sind.

Rußland.

Petersburg, 17. Nov. Auf dem Bahnhof von Kiew werden seit mehreren Tagen bereits Feld­geschütze nach der Grenze (Rowno und Winnizza) verladen; auch sind eben dorthin 24 beladene Mu­nitionswagen und 10 bepackte Bagagemagen der 22. Artilleriebrigade befördert worden, ferner ein größe­rer Transport Gewehre in Kisten ans 106 Wagen. Zufolge dessen stockt der übrige Güterverkehr auf der Kiewer Bahn.

(Hiezu das Unterhaltungsblatt ^ 51.)

öerautwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Lerlar der W. Aaiser'schen vuchhauLlung in Nagold.