Zeit der Verabreichung eine frühere Schuld gleicher Art an denselben Gläubiger noch nicht bezahlt hat. Wer diese Bestimmung durch ein Scheingeschäft oder dadurch zu umgehen sucht, daß er sich eine Urkunde, insbesondere eine Wechselerklärung ausstellen läßt, wird mit Arrest von einer Woche bis zu 2 Monaten oder an Geld bis zu 200 fl. bestraft. Wer während eines Jahres dreimal wegen Trunkenheit gestraft wird, dem kann bis zur Dauer eines Jahres der Besuch der Schankräumlichkeiten seines Wohnsitzes und der nächsten Umgebung untersagt werden. Die Uedertretnng dieses Verbots wird mit Arrest bis zu einem Monat oder an Geld bis zu 50 fl. bestraft.
Wien, 27. Okt. Das hiesige Kabinet ließ in London erklären, daß Oesterreich der englisch-französischen Uebereinkunft betreffs des Suezkanals mit Befriedigung zustimme.
Frankreich.
In Paris wurden am Dienstag ein Baron Köln, Russe und ein Agent Bertrand wegen Ordensschwindels zu 18 resp. 6 Monaten Kerker verurteilt.
Paris, 28. Okt. Die Ersparnisse des Kriegsministers gestatten die Errichtung eines neuen Kavallerie-Regimentes noch in diesem Jahre.
Paris, 28. Okt. Mehrere Blätter versichern, ^ Grevy betrachte die Untersuchung als gegen sich ge- ! richtet und wolle, wenn die Kammer dieselbe beschließe, ^ entweder zurücktreten oder die Kammer auflösen. !
Paris, 28. Olt. Der Präsident der Republik,! Grevy, hat heute vormittag den festen Entschluß j kundgegeben, er werde seine Entlassung als Präsident > der Republik nehmen, hat aber auf die Vorstellung! der Minister seinen Vorsatz aufgegeben, dagegen ver-! langt er, daß die Kabinetsfrage gestellt werde, um, den Untersuchungsausschuß zu verhindern. Hierauf, hatte Rouvier eine Besprechung mit Grevy, nachmittags mit den beiden Präsidenten der Kammern. (Es kommt also jetzt darauf an, ob die Deputiertenkammer den Mut hat, den ganzen Schmutz aufdecken zu lassen, der bis jetzt noch verhüllt ist, oder ob sie, dem Lande den wüsten Anblick zu ersparen, noch einmal ein Tuch darüber werfen will, das voraussichtlich doch nicht lange Vorhalten dürfte. Unter diesen Umständen sieht man mit Spannung dem entgegen, waS die nächsten Tage bringen werden.)
Paris, 28. Okt. Die Morgenblütter bringen die Mitteilung, daß Wilson an den Finanzminister 40000 Franken geschickt habe, als einen Betrag, der jedenfalls höher sei als die Summe der Freimarken, die er, wie ihm vorgeworfen, während der letzten 6 Jahre durch Benutzung des präsidentschaft- lichen Freistempels sich erspart habe. Die gegnerischen Blätter deuten diesen Schritt als ein erstes Geständnis seiner Schuld.
Paris. 28. Okt. Das Journal „Paris" häuft immer neue Anklagen ans Wilson. Derselbe habe letztes Jahr 72 800 Frks. in die Tasche gesteckt als Anteil am Ertrag einer Generaleinnehmerstelle im Norden, die er einem Günstling verschafft habe. Von einem andern Posten dieser Art habe Wilson im Jahre 1885 103000 Frks. bezogen. Wichtige Papiere habe er aus den Ministerialbureaux an sich genommen und nicht mehr herausgegeben. Man wundert sich, daß Präsident Grevy immer noch nichts ^ Energisches gethan hat; aber, meint „Mot d'Ordre", s die Trennung von Kirche und -Staat scheint weni- ; ger schwierig als die Trennung Grevy's von dem Schwiegersohn.
Paris, 28. Okt. General Caffarel, Frau Limousin, Frau Rattazzi, der Geschäslsagent Lorentz, Frau v. Saint-Sauoeur (alle in Haft) und General Graf d'Andlau sind für den 7. November vor das Zuchtpolizeigericht geladen.
Paris, 30. Okt. Die Besürcktung einer Demission Grevy's scheint beseitigt zu sein, selbst wenn die Kammer die Unteisuchlings-Komijsion votiert, was übrigens sehr zweifelhaft ist.
Belgien.
In Brüssel war das Gerücht verbreitet, der große Postdampfer „Westerland" sei mit Mann und und Maus gesunken. Der Dampfer ist aber glücklich in Newyork angekommen.
Holland.
In Antwerpen fand der erste Versuch militärischer Telegraphie vermittels Luftballon statt. Die Versuche gelangen vollständig.
Italien.
Crispi hielt auch im Turincr Arbeiter- Verein eine große Rede, in der er namentlich die Hoffnung aussprach, die soziale Frage werde in Italien eine friedliche Lösung finden. König Hum-
> bert hat den Minister zu seiner Dienstagsrede be- I glückwünscht.
! Ein Krieg Italiens mit Abessinien er- ! scheint nunmehr unausbleiblich. Der Kriegsminister hat sogar bereits am 18. Oktober durch eine Verord- j nung Bestimmungen für die Zeitungskorrespondenten ! erlassen, welche etwa Lust haben, dem italienischen ! Korps sich anzuschließen. Großen Wert ltgt man in Italien auf die Unterstützung des Häuptlings Kantibar des Habbah-Stammes, der sich den Italienern unterworfen und versprochen hat, die Hälfte der 2000 Kameele zu liefern, welche das Expeditionskorps zu seinem Vorgehen nötig hat.
! England
London, 27. Oktbr. Der Wiener „Times" Korresp. erfährt, Fürst Ferdinand von Bulgarien habe dem bulgarischen Schatzamte 4000 Pfd. Sterl. aus seiner Privatkaffe zur Beschleunigung des bulgarischen Eisenbahnbaues vorgeschossen. Fürst Ferdinand reist in 2 oder 3 Wochen nach Bukarest, um den König Karol zu besuchen.
Serbien.
Belgrad, 27. Okt. Zwei nachts eingetroffene Privat-Telegramme aus Sofia melden ein Attentat auf den Prinzen Ferdinand. Der Priuz wurde durch den Schuß nicht verletzt.
Die Beziehungen zwischen dem Königreich Serbien und der Türkei sind heute ganz freundschaftlich , aber die unbotmäßigen Unterthanen des Sultans im Südwesten und Süden von Serbien, welche unter dem Namen Arnauten als Spitzbuben und Straßenräuber bekannt sind, nehmen darauf keine Rücksicht. Sie machen in Scharen von einigen hundert Mann Einfälle in Serbien und plündern die benachbarten serbischen Gemeinden in greulicher Weise aus. Die serbischen Grenzwachen, von Bauern unterstützt, müssen den Arnauten förmliche Schlachten liefern. Die serbische Regierung erhebt dann in Konstantinopel Beschwerden und empfängt jedesmal die besten Versprechungen, aber die türkische Regierung ist zu ohnmächtig, es bleibt beim Alten. Nun ist aber der serbischen Regierung die Geduld ausgegangen. Da wieder eine Schar Arnauten von ^ 800 Mann beim Grenzdorfe Mawritz ausgetaucht ist,
^ hat der serbische Kriegsminister eine Truppenkonzent- ^
! rierung an der Grenze angeordnet. Man wird also wahrscheinlich nächstens von Kämpfen zwischen Ser-1 ^ bien und Arnauten Horen, bei denen erstere die tür- ' kische Grenze nichts weniger als respektieren werden.
Bulgarien.
Die bulgarische Nationalversammlung in Sofia ist durch den Fürsten Ferdinand in feierlicher Weise eröffnet worden. Die Vertreter der Großmächte waren natürlich nicht zugegen. Im Lanoe selbst ist alles still, denn Ministerpräsident Stambu- low hat eine sehr schwere Hand. In Konstantinopel - hat der russische Botschafter den Sultan wieder ein- ^ mal aufgefordert, gegen Bulgarien vorzugehen. Was ^ soll der „kranke Mann" aber anfangen, wenn der mächtige Czar nichts hat ausrichten können? An der Donau soll ein Attentäter auf den Fürsten Ferdinand verhaftet sein. Es steckt wohl schwerlich viel dahinter. König Milan von Serbien ist nach Belgrad heimgekehrt, während seine Gemahlin, die schöne Natalie, nach Florenz gereist ist. Die serbische Regierung hat eine entschiedene Note nach Konstantinopel gerichtet, in welcher sie über die fortwährenden Grenzüberfälle durch türkische Arnauten recht energisch Klage führt.
Sofia, 28. Okt. Die Thronrede des Fürsten Ferdinand bei der Eröffnung der Sobranje weist auf die Ruhe und Ordnung hin, welche seit seiner Ankunft hergestellt sei, wodurch das Volk wieder zur friedlichen Arbeit zurückkehren konnte. Hievon hinge die moralische und materielle Wohlfahrt des Landes und die Wiederbesestigung der Sympathien des Sultans und der Mächte für Bulgarien ab. Die Liebe und Ergebenheit des Volkes und der Armee gäben ihm die Kraft und den Mut, ohne Unterlaß an dem! Fortschritt, Ruhm und Pflicht Bulgariens zu arbeiten. Als Kammerpräsident wurde Tontschew gewählt. ;
Amerika. j
Wie aus Newyork gemeldet wird, ist Bo- ! ston Corbett, welcher den Mörder des Präsidenten > Lincoln, John Wilkes Booth, erschoß, dieser Tage j in Topeka. Kansas, wo er zuletzt lebte, als hoff- ! nungslos dem Wahnsinn verfallen, in die Staatsir- !
renanstalt abgeführt worden. s
Kleinere Mitteilungen
Guter Magen. Fünf Pfund Hammelskeulc mit Brot und 37 Schnäpse, vertilgt in stz Stunde, das ist eine Leistung, welche einem Steinbrecher in Markirch nachgesagt wird. Freilich verzehrte er diese Menge nicht auf eigene Kosten. Er hatte eine Wette cingegangeu und gewann diese glänzend. Als er sein Mahl beendet hatte, stand er auf mit den Worten: „Jetzt muß i he'm, sunscht komm i um mine Hartäpfelsupp!"
Defraudation. Wegen Wechsclstempcl-Steuerhinterziehung in 2090 Fällen wurde vor einigen Tagen ein Kaufmann zu Leipzig zu 50605 4L Geldstrafe verurteilt. Besonderes Aufsehen erregt diese Verurteilung deshalb, weil der Verurteilte, der Inhaber eines hies. Exportsgeschäfts, von seinem eigenen Bruder, welcher ein Konkurrenzgeschäft betreibt, denunziert worden ist.
Im Jahr 1687, also vor 200 Jahren, kündigte ein Professor der Universität Leipzig seine Vorlesungen am Schwarzen Brett in deutscher Sprache an. Ein Schrecken und Aufruhr ging durch die ganze Professoren- und gelehrte Welt in Deutschland. Man brandmarkte diesen deutschen Anschlag als ein „erschreckliches, so lange die Universität gestanden, noch nie erhörtes Verbrechen," natürlich in lateinischer Sprache. Die Universität brachte es dahin, daß dem schrecklichen „Uebelthäter und Bösewicht," der auch zum ersten Mal deutsche Vorlesungen für die Studenten hielt und sogar eine Zeitschrift in deutscher Sprache veröffentlichte, die Vorlesungen und Herausgabe von Büchern verboten wurden. Als er sogar mit Gefängnis bedroht wurde, floh er aus Leipzig nach Brandenburg und brachte es an der Universität Halle zu hohen Aemtern und Ehren. Dieser mutige und bahnbrechende Mann war der Professor Christian Thomasius, derselbe, der durch seine Schriften und Vorlesungen zur Abschaffung der Hexenprozesse und der Tortur ungemein viel beigctragen hat. Er starb 1728. Die Leipziger Illustrierte Zeitung bringt das Bild des trefflichen Mannes in mächtiger Allonge-Perrücke gleichsam zu seinem Jubiläum und zur Auferweckung seiner deutschen That im deutschen Volk.
Schönlanke, 26. Okt, Ein hiesiger Bauunternehmer, welcher auf die Jagd gegangen war, hörte hinter einem Strauchwerk leise Tritte. In dein Glauben, daß ein Reh herankomme, gab er einen Schuß ab und traf und tötete ein junges Mädchen aus Grottkau. Der Thäter ist verhaftet worden.
In der Tuchfabrik von W. Ro bisch in Forst hatte eine 21jährige Arbeiterin ihr Haar aufgelöst, um e« zu kämmen. Durch eine unvorsichtige Bewegung kommt sie mit den langen Flechten dem Treibriemen zu nahe, dieselben verwickeln sich darin, ein Ruck und die ganze Kopfhaut vom Nacken bis zur Stirn ist dem armen Mädchen abgerissen. Die Unglückliche, welche übrigens bei dem Vorfall bei vollem Bewußtsein blieb, wurde in das städtische Krankenhaus über- gcführt.
Als de: berühmte Philosoph Bischer, der kürzlich gestorben ist, Professor an der Universität Zürich war, brachten es seine pietistischeu Gegner dahin, daß ihm die Regierung eine „ernste Warnung" und Urlaub auf zwei Jahre erteilte. An demselben Morgen, als ihm die Verfügung zukam, gebar ihm seine Frau den ersten Jungen. Zur gewohnten Stunde bestieg er das Katheder, und sagte: Meine Herren, ich habe heute einen großen und einen kleinen Bischer, eine kleine Unmaße und eine große Muße erhalten.
In Basel suchte ein Deutscher, der sich nicht mehr zn raten und zu helfen wußte, den Tod in dem Rhein. Einige Tage nach seiner Beerdigung langte aus Deutschland eine Postsendung mit 7000 4L als Lotteriegcwinn an.
Handel A Verkehr.
Stuttgart, 29. Okt. Auf dem hiesigen Güterbahnhof sind angekommen 40 Waggons belgisches Mo st ob st und 30 Waggons österreichisches im Preise je nach Qualität belgisches zu 7 4L 20 4 bis 7 60 4, österreichisches zu 7
60 4 bis 8 20 4.
Reckarsulm, 27. Okt. Die heutige Wcinversteigerung der Weingartner-Gesellschaft nahm einen unerwartet günstigen Verlauf. Die Erzeugnisse gingen reißend ab und es wurden erlöst aus je 1 dl.: Klevner: 135, 138, 145, 147, 150, 151 und 152 schwarzem Rießling I. Kl. 68—104 >«. II. Kl. 60, 61 und 62 4L, Trollingcr 77, 80, 81—88, 90, 92 und 96 4L, rotem Gewächs I. Kl. 67—71 und 74 II. Kl. 53, 57, 58 nud 60 4L, Portugieser 62, M und 64 weißem Rießling 76 und 77 weißem Gewächs I. Kl. 56, 57, 59 und 60 4L, II. Kl. 45, 46, 47 und 48 4L Solche Preise sind seit dem Bestehen der Gesellschaft noch nicht erzielt worden. Im freihändigen Verkauf wurden als höchster Preis 182 und 2W .L pro 3 dl. erzielt.
Konkurseröffnungen. Karl Rode, Posamentier in Ludwigsburg. Friedrich Raufer, Gerber in Nagold.
Me Zwillinge. ""
Eine Manöver-Humoreske.
(Schluß.)
Auch dem Amtmann und seiner Frau gefiel er. Altmüller sen. war ein Bekannter des Amtmanns. Sie hatten sich zwar lange Jahre nicht gesehen, aber der Amtmann halte das Gedächtnis an die Jugeud- freundschaft doch treu bewahrt. Er plauderte viel mit dem jungen Manne von seinem Vater, und der junge Mann stand bereitwillig Rede und Antwort. Die kleine Brünette, Fräulein Olga, hörte aufmerksam zu. und als Konrad im Laufe des Gesprächs ganz ohne Absicht erzählte, sein Vater fühle sich^ bereits etwas schwach und wünsche sehr, sein Sohn möge dem Junggesellenstande ein Ende machen und die Leitung des Geschäfts übernehmen, wurde sie