Nagold. (Corresp.) „Mancher lernt's ^ nie?", so hört man im bürgerlichen Leben vielfach u. Wo dieser Satz aber nicht gilt, das ist beim Militär, die Tausende von Reservisten, die jetzt nach und nach zu den Uebungen mit dem Repetiergewehr eingezogen sind. resp. schon eingezogen waren, wissen das am besten. Es sind blos 12 Tage, die in der Garnison zugebracht werden müssen; aber wenn es wieder „Langsamen Schritt" heißt und „Griffemachen", dann kommt man dahinter, daß 12 Tage ein ganz bedeutender Zeitraum sind, in welchem der militärische Schneid recht hübsch wieder in Fleisch und Blut übergeht. Es sind ja immer solche Helden unter den Reservisten, die in den Jahren des Civilisten- lebens sich nicht nur ein kleines Bäuchlein angemästet, sondern auch, was man beim Kommiß „Schnodd- rigkeit" nennt. Und mit dieser „Schnoddrigkeit" geht es auch noch zu den Uebungen! Aber ach, die vergeht sehr bald; der große Mund wird sehr klein, und sie werfen schließlich nachher die Beine noch einmal so adrett, als die Anderen. Das ganze Soldatenkapitel wird in den 12 Tagen nochmals aufgeblättert; bei den Schießübungen mit dem Repetiergewehr bleibt es lange nicht, der ganze Dienst kommt heran u. wenn auch nicht mehr so scharf ins Zeug gegangen wird wie bei der Linie, Reservisten sind noch lange keine Landwehr, sie lernen schon wieder, was sie etwa verschwitzt haben sollten. Aber trotz anfänglichen Ungemachs und mangelnder Bequemlichkeit gewöhnt sich der Reservist doch schnell wieder an den Dienst, das Soldatenblut ist gleich wieder in Bewegung, und sind die 12 Tage in Glück und Glanz vorüber, dann gibt es Wunderthaten zu erzählen. Mancher Reservisten-Schwerenöther erinnert sich in der Garnison auch an die früher verlebten flotten Tage, und, es ist doch mal so, auch die Reservistenuniform ist zweierlei Tuch, das seine Anziehungskraft nicht verfehlt. Da werden die 12 Abende dann oft wieder gewaltig kurz, zumal mancher Brief oder Postkarte nach Haus wandern muß. Hie und da wartet auch eine Reservistenfrau sehnsüchtig auf Bescheid vom Mann; sie bedauert ihn herzlich, wenn er über den anstrengenden Dienst klagt, und, wenn sie die Kasse führt, schickt sie ihm, wenn irgend möglich, noch ein paar Thaler, damit er nicht gar zu abstrapaziert zurückkommt. Was aber das Aergerlichste beim Reservisten ist? Wenn Einer am zehnten Tage der Uebung seine Rückkehr für eine ganz bestimmte Stunde anzeigt und bekommt am elften Tage noch 3 Tage Kasten. Da sitz' ^n u n man!
- Pfrondorf, 3. Juli. Heute fährt es sich,
daß der herzhafte Sohn unseres Mühlebesitzers, Albert Kayser, einen lljähr. Knaben unterhalb der Floßgasse vom Ertrinken rettete. Derselbe sollte heute mit einem Mahlknecht die Floßgasse öffnen. Beim Aufziehen trat der Knecht auf der kurzen Aufzugs- britsche fehl, wurde vom Strudel erfaßt und kam nicht mehr zum Vorschein. Albert Kayser sprang im Vertrauen auf seine Körperkraft in die Tiefe. Nach kurzem Ringen mit diesem gefährlichen Element brachte > er den schon besinnungslosen Knecht ans Ufer. Des- ! sen erste Worte waren Dankesbezeugungen gegen sei- ! nen Retter; denn er hätte eine zahlreiche, arme Kin- ! derschar in Nothfelden hinterlassen. ^ !
Vom Schwurgericht Stuttgart wurde der 48 ^ Jahre alte ledige Tagelöhner Johann Niethammer von ^ Untcrjettiugcu wegen eines Verbrechens im Sinne des Z 177 des St.-G.-B. ;u 6 Monaten Gefängnis, von denen 1s Tage der Untersuchungshaft in Abzug kommen, verurteilt. j
Leutkirch, 29. Juni. Der ca. 67 Jahre alte Privatier K. hat sich in seinem Bette an der ^ herabhängenden Quaste erhängt. Man schätzt den! Mann wohl im Besitz von über einer halben Mill. Mark. Er war früher Kaufmann und Eisenhändler, ^ blieb Hagestolz und betrieb in den letzten Jahren! einen Güterhandcl. Mehr als 20 Bauernhöfe sind sein Eigentum, im weiten Allgäu zerstreut. ^
Aalen, 30. Juni. Bei der auf den 30. Juni anberuumten Bnrgerausschußwahl wurde nicht ^ eine einzige Stimme abgegeben.
In Würzb u r g haben bereits fünf eng-rc Wahlen für das bayerische Abgeordnetenhaus statt- i gefunden, die stets Stimmengleichheit ergaben. Der ^ sechste Wahlgang ist auf den 4. Juli anberaumt.
Das Kriegsgericht in Mainz hat einen Soldaten des ! dritten hessischen Infanterie-Regimentes Nr. 117 wegen lhät- , lichcr Mdcr>ctznng gegen einen Unteroffizier desselben Negi- ^ ments zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt.
Bei dem (Lüenbahnnnglück von Mühlheim a. Rhein
sind 8 Personen verletzt. Verstorben ist von den Verletzten Niemand, die bezüglichen Nachrichten waren also irrig.
Wilhelmshafen, 1. Juli. Gestern mittag ist Prinz Leopold von Preußen von seiner Seereise um die Welt wohlbehalten zurückgekehrt. '
Im Jahre 1849 versank im Kieler Hafen ein von dem Erfinder Bauer konstruiertes Taucherschiff. Jetzt ist man zufällig auf das Schiff beim Baggern gestoßen und es werden wahrscheinlich Versuche zur Hebung gemacht werden.
Berlin, 30. Juni. Seitens einer großen Anzahl von Brennereien ist beim Bundesrat unter Vorlegung der Originalverträge beantragt worden, ihnen das Brennen der kontraktlich übernommenen Quantitäten zu den bisherigen Bedingungen zu gestatten, ehe die vom Gesetz vorgeschriebene Beschränkung des Brennens vom 1. Juli bis 1. Oktober auf sie angewandt werde.
Berlin, 30. Juni. Der Bundesrat hat, wie preuß. Blätter melden. eine Eingabe der Handelskammer in Biberach, fremde Goldmünzen in Frankenwährung als Zahlungsmittel nicht zuzulassen, abschlägig beschieden.
Berlin, 2. Juli. Die Untersuchung der neuerdings durch Dr. Mackenzie in London dem Kehlkopf des Kronprinzen entnommenen Wucherung durch hiesige medizinische Autoritäten hat ergeben, daß keine bösartige Erscheinung vorliege.
Wie man vernimmt, wird das neu zu errichtende Reichsseminar für orientalische Sprachen Mitte Oktober d. I. in Berlin eröffnet werden.
Der Bundesrat hielt am Donnerstag eine Sitzung ab, in welcher u. a. das neue Zuckersteuergesetz genehmigt wurde.
Der Bundesrat hat eine Anzahl von Anträgen, die Abhaltung von Tanzlustbarkeiten an Sonntagen zu verbieten, abgelehut.
An eine Freilassung des vom Reichsgericht zu 1 Jahr Festung verurteilten französischen Bürgers Köchlin ist absolut nicht zu denken. So teilt die Krzztg. mit, indem sie bestätigt, daß die französische Regierung Schritte gethan habe, die Freilassung herbeizuführen.
Die von einem Finanz-Konsortium unter Führung der Reichsbank übernommene tOjzprozentige Deutsche Reichsanleihe im Betrage von 100 Millionen gelangt am 5. Juli zur öffentlichen Subskription und zwar, wie verlautet, zum Kurse von 99 Prozent.
Die „Krcuzzeitung", „Post" und „Vossische" warnen nachdrücklich vor der Anlage Deutschen Gel-1 des in russischenPapieren. Die „Kreuzztg." ! hebt hervor, Rußland müsse auf ein viertel Jahr- j hundert jeder kriegerischen Aktion entsagen, um eini- j germaßen sich zu erholen. Dazu sei keine Aussicht, - daher der Bankerott unausbleiblich. Schon bei dem ^ nächsten Kriege werde Rußland für seine Anlehen ^ keine Zinsen zahlen. ^
Der Kronprinz ist am Mittwoch von Dr. Mackenzie in London wieder operiert worden. — Privatberichten entnehmen wir noch: Es war mög- ^ lieh, fast den ganzen noch verbliebenen Rest der Wucherung aus dem Halse herauszuholen. Die Erkältung welche sich der Kronprinz zugezogen, erschwert namentlich das Schlucken. Für die beiden nächsten Wochen ist ihm absolute Ruhe vorgeschrieben; über spätere Reisepläne steht noch nichts fest.
In den Beziehungen der deutschen und österreichisch-ungarischen Eisenbahn-Verwaltung haben sich neuerdings wiederum verschiedene Differenzpunkte über Fragen ergeben, die für den deutschen Verkehr von so großer Wichtigkeit sind, daß eine Kündigung der Verbandstarife als wahrscheinlich gilt, wenn nicht alsbald eine Deutschland durchaus befriedigende Lösung erfolgt.
Der Gouverneur von Kamerun, Frhr. v. Soden, welcher einen längeren Urlaub erhalten hat, ist bereits auf der Fahrt nach Europa begriffen.
Der Sultan Said Bargasch von Zanzibar wird in diesem Sommer doch noch nach Deutschland kommen. Er nimmt in Wiesbaden Wohnung n. wird von da dem Kaiser Wilhelm in Ems seine Aufwartung machen.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 30. Juni. Der Abg. Plener hielt heute vor seinen Wählern in der Handelskammer von Eger eine Rede, in welcher er u. a. sagte: „Wir werden erst dann wieder in den böhmischen Landtag eintreten, wenn uns bestimmte Garantien für die materielle Berücksichtigung und Erfüllung unserer Forderungen gegeben werden. So lange man die
j Wünsche der Deutschen nach einer nationalen Ab- I grenzung als unmöglich und mit der czechischen i Rechtsüberzeugung als unvereinbar bezeichnet, so lange wird weder eine parlamentarische, noch eine außerparlamentarische Verhandlung ein Resultat erzielen ; auch ist die gegenwärtige Regierung nicht die richtige Vermittlerin zwischen den beiden nationalen Streit-Teilen. Der Redner charakterisierte sodann die heutige Lage folgendermaßen: Im Innern herrschen Unfriede und Bölkerhaß, es gibt keine finanzielle Ordnung und nach Außen steht die Monarchie isoliert da und ihr Einfluß ist im Abnehmen. Plener erhielt ein einstimmiges Vertrauensvotum. (Fr. Ztg.)
Der Friede Europas hat seit manchem Jahr auf dem festen Bündnis Deutschlands mit Oesterreich geruht, wie nach der Sage die Erde auf den Schultern des Riesen Atlas. In diesen Tagen hat das ^ Bündnis eine Sicherung und Stärkung erfahren durch die stürmischen Wahlen in Ungarn. Minister Tisza ist mit sehr großer Mehrzahl wiedergewählt worden und sitzt nun 5 Jahre lang fest im Sattel. Er ist ein eifriger und einflußreicher Parteigänger des deutschen Bündnisses, das er für die Ruhe und das Wohl beider Reiche für unbedingt notwendig hält, uud das ist um so wichtiger, als es in beiden Reichshälften Oesterreichs auch gewichtige Gegner und verschämte und unverschämte Schwärmer für die Franzosen gibt.
Frankreich.
Paris. Der Abg. Waldeck-Ronsseau hat in der Kammer den Antrag eingebracht, daß von dem Erlös der Krondiamanten, der einstweilen in die Depositenkasse abgeführt ist. 6 Millionen Frks. zur Anlage einer Altersversorgungskasse für Arbeiter verwendet werden sollen. Ein anderer Antrag vom Abg. M. Faure bezweckt die Errichtung von Anstalten für Arbeitsunfähige und zur Beschäftigung Arbeitsloser.
General Bo ulanger hat sich nach erfolgter Rücksprache mit seinen radikalen Freunden bereit erklärt, sofort das Kommando des 13. Armeekorps, welches ihm übertragen ist, anzutreten. — Die Militärkommission der Kammer beschloß im Prinzip die Bildung von 13 neuen Kavallerieregimentern.
Die französische Regierung geht mit äußerster Strenge gegen alle Steuerdefraudationen vor. Die Strafgelder, welche von Zuckcrfabrikanten wegen Steuerhinterziehungen zu bezahlen sind, betragen 1 Million.
Der nach Unterschlagung von 3 Mill. Franken flüchtig gewordene Direktor der Banque Parisienne wurde in Konstantinopel verhaftet.
Paris, 29. Juni. Gewitterverheerungen im Departement Var (Provence) haben die Getreide- und Weinernte im Distrikt Beauvoir gänzlich vernichtet; in den Departements Lot und Ariege ist die ganze Mais-, Tabak- und Getreideernte durch Hagel zerschlagen, die Wege sind meist unpassierbar, aus den Eisenbahnstreckcn kamen verschiedene Dammbrüche vor. Aehnlich litten Teile des Departements Dor- dogne; in Serins schlug der Blitz ein, tötete 3 Personen und verwundete 12 Personen schwer.
Paris, 30. Juni. Der „Temps" tadelt die in Frankreich überhandnehmende Fremdenhetze als schädlich für Frankreichs Würde u. Interessen (F. Z.)
Paris, 2. Juli. An 200 Personen sind gestern von Saint Malo nach der Insel Jersey zu Besuch des Grafen von Paris abgefahren. 200 andere Personen, darunter General Eharette mit lOO ehemaligen päpstlichen Zuaven, fuhren heute dahin ab. Der Minister des Aeußern Flourens empfing den deutschen Botschafter Graf von Münster in Audienz.
Belgien.
Brüssel, 1. Juli. Am Mittwoch fand hier eine Konfrenz von Vertretern aller belgischen Stahlwerke statt, welche eine energische Fortsetzung des Kampfes gegen die deutschen Stahlwerke beschloß.
England.
London, 9. Juni. Seit einigen Wochen macht sich in vielen Gegenden Englands ein großer Wassermangel fühlbar. In Swansea (Südwales) ist derselbe so groß, daß Wasser in den Straßen zu einem Penny die Kanne verkauft wird. Selbst da, wo Wasser noch vorhanden ist, wird es trübe und ungenießbar. In Kent und Sussex herrscht eine schreckliche Dürre. Große Weideplätze sind gänzlich vertrocknet und ganze Erbsenfelder verdorrt.
Die deutsch e Torpedoflotille, welche