In einem Artikel des Beobachters (Nro. 237) über die Reutlinger Landtagswahl ist behauptet, daß der Abgeordnete für Nagold es gewesen sei, dessen Antrag das Land Württemberg die Abschaffung einer sehr guten liberalen Einrichtung, der Wahlcouverte, verdanke. Da der Inhalt dieser Einsendung dem wahren Sachverhalt nicht entspricht, teile ich letzteren hier mit.

Am 25. Mai 1877 habe ich in der Kammer der Abgeordneten den Antrag gestellt, die Vorschriften für die Reichstagswahlen soviel als möglich auch für die Wahlen der Städte und Oberamtsbezirke zu unserem Landtag anzunehmen. Dabei habe ich je­doch hinsichtlich der Wahlcouverte folgendes bemerkt:

Die in Württemberg bestehende Vorschrift, daß gestempelte Wahlcouverte zu benützen sind, würde ich beibehalten, weil die Couverte dazu dien­lich sind, das Geheimnis der Wahl zu sichern und die Abgabe mehrerer Stimmzettel durch einen Wäh­ler unwirksam zu machen. Man wird es bei dieser Einrichtung um so mehr belassen können, als neuer­dings die Einführung von Wahlcouverte« im deutschen Reichstag und in Belgien angeregt wor­den ist."

Die Kommission, welche meinen Antrag begut­achtete, war mit Beibehaltung der Wahlcouverte ein­verstanden und auch die Regierung schloß sich dieser Auffassung an, indem der im Jahre 1882 eingebrachte Gesetzesentwurf, betr. die Aenderungen des Landtags­wahlgesetzes, die Beibehaltung der Couverte vorge­sehen hatte. In der Sitzung der Kammer der Ab­geordneten vom 31. Mai 1882 haben aber einige Abgeordnete darauf angetragen, die Vorschrift wegen der Couverte zu beseitigen, weil die Benützung der letzteren das Wahlgeschäft erschwere und die Mög­lichkeit nicht ausschließe, auch hier einen Einblick in die Wahlzettel zu bekommen. Diesem Anträge auf Abschaffung der Wahlcouverte, welcher mit 47 gegen 35 Stimmen angenommen wurde, habe ich nicht zugestimmt. (Vergl. III Prot. Bd. von 188082 S. 1682) Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß jene Mitteilung im Beobachter eine völlig unrichtige ist.

Reutlingen, 12. Oktober 1884. _ Luz.

Die Kte Schulstclle in Freudenstadt wurde dem Schul­lehrer Nestel daselbst, die in Thummlingen (Freudenstadt) dem Unterlehrer Süber in Knittlingeu und die in Buhlbroim (Waiblingen) dem Schullehrer Röhner in Walddorf übertragen.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

* Nagold, 15. Okt. So viel wir vernehmen, wird unser seitheriger Reichstagsabgeordneter Jul. Stälin seine Wahlreise im hiesigen Bezirke begin­nen, und zwar am Freitag den 17. Okt. vormittags in Wildberg und abends inNagold (s. Inserat im heutigen Blatt); am Samstag den 18. Oktober vormittags in Haiterbach und abends in Alten- steig.

* Es ist nun festgestellt, daß der Brand in Walddorf durch einen 6jährigen Knaben des Ge­bäudebesitzers ausgekommen ist, der ein Feuerle ma­chen wollte und dabei der mit Stroh angefüllten Futterkammer zu nahe kam.

Stuttgart, 12. Okt. In Hofkreisen verlautet, daß Se. Maj. der König vor seiner Winterreise sich noch zur Kur nach Wildungen begeben wird.

Stultgart, 14. Okt. DerStaatsanzeiger" meldet: Der König unterwarf sich der Behandlung des Wildunger Badearztes, Dr. Marc, welcher sich in Friedrichshafen anfhält. Die Kur sei von vor­züglichem Erfolge begleitet und lasse hoffen, daß mit der Durchführung derselben eine gründliche Wieder­herstellung der Gesundheit des Königs erzielt werde.

Stuttgart, 12. Okt. Ein hiesiger Mecha­niker Namens Schilling hat eine Erfindung gemacht, die den Zweck hat, daß scheintot Begrabene aus dem Grabe heraus das Zeichen ihres wiedererwachten Le­bens geben können. Die Einrichtung ist so, daß der scheintot Begrabene durch die geringste Bewegung eine Glocke in Bewegung setzt, und zwar durch eine durch den Sargdeckel nach oben geleitete Röhre. Eine zweite Röhre sorgt für Zufluß frischer Luft in den Sarg, der etwas größer ist als die gewöhnlichen. Schilling ließ sich heute begraben und blieb etwa Vs Stunde unter der Erde. So ein Sarg samt Röh­ren rc. kostet nur 40 Mark.

In dem Weiler Ton b ach (Freudenstadt) wurde in den letzten Tagen die Entdeckung gemacht, daß eine nun 4Ijährigc Frauensperson von ihren Angehörigen schon seit einer Reitze

von Jahren, wie man sagt, seit der Geburt ihres nun 19 Jahre alten Sohnes, in einem finstern, stallähnlichen Raum aus der Bühne eingesperrt gehalten worden war, wo ihr halbverfaultes Stroh als Lager diente; die Unglückliche soll infolge der ihr zuteil gewordenen Behandlung blödsinnig geworden sein. Der Bruder derselben wurde sofort in Hast genommen; ihre betagte Mutter entging dem gleichen Schicksal nur wegen ihres leiden­den Zustandes. Welcher Geist in dieser Familie herrschen muh, beweist am besten, daß nicht einmal der eigene Sohn der Miß­handelten sich der Mutter annahm, vielmehr noch ihren Peini­gern durch seine Angaben hinausznhelfen suchte.

/X Tübingen, 9. Okt. (Schwurgericht.) Heute vormittag von 9l2pz Uhr war das Schwurgericht in seiner letzten, zehnten Sitzung mit der Strafsache des früheren Ge­meindepflegers Seeger in Hornbcrg beschäskigt. Die An­klage gründete sich auf erschwerte Unterschlagung im Amte, welchem der 64jährige Mann 36 Jahre lang Vorstand und dessen er bis zum Jahre 1880 mit aller Unbescholtenheit ge­waltet hatte. Die Angelegenheit hatte mehr als ein blos lo­kales Interesse, wovon die zahlreiche Zuhörerschaft im Schwur­gerichtssaal Zeugnis gab. Stand der Angeklagte bis in sein 60. Lebensjahr als ein makelloser Charakter da, so hatt sich indessen und namentlich heule bei der Zusammenstellung der ganzen Folgenreihe der .in den letzten 4 Jahren verübten strafbaren Unterschlagungen und Rechnungssälschungen die sichere Gewandtheit desselben im Aneignen und in der falschen Buchung amtlich übergebener Gemeindegelder in staunenerrc- gender Weise klar gelegt. Das ganze Gewebe von Vermessen­heit umfaßt in 5 unterschlagenen Hauptposten die Summe von 14 546 weiche Seeger ans Holzerlösen in den Gemeinde­waldungen von verschiedenen namhaft gemachten Holzhandlern vereinnahmte, zur Deckung eigener Verbindlichkeiten teilweise für sich verwendete, falsch buchte, bei neuen Erlösen die alte Schuld gegen die Kasse tilgte und so fortfuhr, bis die Ver­waltungsorgane von dem wohlverdecktgehaltenen Treiben Ent­deckung machten. Dem Angeklagten, welcher eine bleibende Schädigung der Gemeinde nicht beabsichtigt, auch der Gemeinde- kassc alles Entfremdete nach und nach vollständig wieder er­stattete, konnte in Anbetracht der hohen Beträge von -L 4819, 3448, 3265, 2507 und 727 widerrechtlicher Zueignung eine be­sondere Teilnahme nicht zugewendet werden. Die Geschwornen bejahten deshalb und dem eigenen Schuldbekenntnis des An­geklagten gemäß unter Annahme mildernder Umstände sämt­liche 9 Schuldfragen, woraus Staatsanwalt Scheurlen für die 5 Verbrechen eine Gesamtstrafe von 2 I. 6 M. beantragte. Der Gerichtshof erkannte unter Berücksichtigung der erfolgten Rückerstattung der Gelder, der bisherigen Unbescholtenheit und des Alters des Angeklagten auf eine Gefängnisstrafe von 1 I. 6 M. neben Bezahlung aller Kosten des Verfahrens und des Strafvollzugs. Rach Verkündigung des Urteils wurde Seeger von dem Vorsitzenden entlassen, da er gegen Kantionsbestellung auf freiem Fuß sich befindet. Obmann der Geschwornen war im heutigen Fall Fabrikant Bantlin von Reutlingen, Ver­teidiger Rechtsanwalt Wetzel II. hier. Der Vorsitzende dankte den Geschwornen für die Ansdauer und Arbeit während der lOtägigen Assissen und wünschte Glück zur Heimreise.

Leutkirch, 13. Okt. Gestern adend wurden bei Zeit dem Käser Schupp von Jsny 3400 ge­raubt; der Thäter ist unbekannt;

Brand fälle: In Salzen weil eff (Sulz) am 8. ds. ein von 3 Familien bewohntes Haus; in Aalen am 10. ds. der Dreikönigkeller.-

In welch energischer Weise die kaiserlich-deut­schen Konsulate die Interessen deutscher Reichsange­hörigen im Ausland zu wahren bestrebt sind, zeigt folgender demPforzh .Beob." mitgeteilte Fall: Eins, hatte ein bereits verloren gegebenes Guthaben in Griechenland und erhielt von seinem Schuldner auf keinen seiner Briefe Antwort. Da fragte er bei dem deutschen Konsulat in Athen an, auf welche Art er zu seinem Guthaben gelangen könne. Nach kürzester Frist traf ein Schreiben ein mit folgendem Inhalt: Unter Beziehung auf Ihr gefl. Schreiben vom 10. d. M. benachrichtige ich Euer Wohlgeboren ergebenst,

daß es mir gelungen ist, Herrn.in.

zur Begleichung seiner Schuld im Betrage von Frs.

durch Ausstellung eines acceptierten Wechsels zu ver­anlassen. Der kaiserliche Konsul." Der Wechsel lag dem Schreiben bei. Dieser Vorgang, dem wir, so bemerkt der Einsender, noch eine ganze Reihe uns bekannter ähnlicher Fälle an die Seite stellen könnten, zeigt zur Genüge, daß wir heute ganz anders in der Welt dastehen, als zu jenen traurigen Zeiten, da die deutschen Kleinstaaten noch nicht unter dem Schirme des mächtigen Deutschen Reiches vereinigt waren. Unbegreiflich bleibt uns deshalb, wie Deutsche, die sich deutsch und sreisinnig nennen, um trauriger theo­retischer Lehrmeinungen willen dem Schöpfer unserer Macht in feindseligster Opposition gegenüber stehen und dem partikularen Sondergeistc »och in aller mög­lichen Gestalt Zugeständnisse machen, nur um die Stimmen der deutschen Reichstagswähler für ihre Fraktion zu gewinnen.

Eine großartige Verfälschung ist kürzlich in Dresden an's Tageslicht gekommen. Ein Gurkenhändlcr wurde bestraft, weil er Pfeffergurken, um ihnen eine schöne grüne Farbe zu geben, wiederholt in kupfernen Gesöffen eingesotten (wohl nur > den Essig dazu.) Dabei stellte es sich heraus, day fast alle Gurkenhändlcr sich dieses Verfahrens bedienen. Ein Lübbener Händler soll von solchen Gurken in Dresden für 2500 auf Lager gehabt haben.

Berlin, 10. Okt. Im WienerFremden­

blatt" werden die Brüsseler Mitteilungen desTemps" über den Gedanken einer Konferenz zur Regelung der Kongofrage in außerordentlich sympathischer Weise besprochen.Im Interesse des Friedens und der er­sprießlichen Förderung des Gemeinwohls darf man sich wohl mit der Hoffnung tragen, so schließt der betreffende Artikel daß Versöhnlichkeit und gegenseitiges Entgegenkommen auf dieser Konferenz die Oberhand behalten, und daß den gerechten Er­wartungen, mit welchen Europa das gedeihliche Zu­standekommen dieses bohen Friedenswerkes verfolgt, völlig entsprochen wird. Noch selten war einer der in neuester Zeit zusammengetretenen Konferenzen eine schönere, edlere Aufgabe gestellt, eine Aufgabe, welche eine wesentliche Lücke unseres Völkerrechtes ausfüllt. Sie gereicht darum den beteiligten Staaten ebenso zur Ehre, wie zum Vorteil, und es ist schwerlich an­zunehmen, daß ihr die Sanktion auch der nicht direkt teilnehmenden Mächte vorenthalten bleiben sollte."

Berlin, 14. Okt. Für den Zusammentritt der Kongo-Konferenz ist das Ende Oktober oder der Anfang nächsten Monats in Aussicht genommen. Gegenstände der Beratung sollen sein: 1) die Han­delsfreiheit im Becken und an den Mündungen des Kongo, 2) die Adaptierung (Anpassung) der Bestim­mungen des Wiener Vertrags, betr. die freie Schiff­fahrt auf internationalen Strömen, auf dem Kongo und Niger, 3) die Definition der Formalitäten, die nötig sind, damit neue Okkupationen an afrikanischen Küsten als effektiv angesehen werden.

Nach demBert. Tgbl." begibt sich der Afrika- Reisende Gerhard Rohlfs in diesen Tagen wiederum im Aufträge der deutschen Regierung nach Afrika zu einem zunächst dreijährigen Aufenthalt, und zwar in der Eigenschaft eines deutschen Generalkonsuls.

An der Universität Berlin ist eine Anstalt für Zahnärzte errichtet worden. Studierende der Zahnheilkunde brauchen künftig nicht mehr die betr. Anstalten in Genf und Amerika zu besuchen, um sich gründlich auszubilden.

Der Berliner Aniisemitenbund hat die originelle Idee gehabt, in öffentlicher Versammlung eine Art Brotschan zu veranstalten. Ans 50 verschiedenen Stadtbezirken waren 60 Fünfgroschen-Brote auf dem Vorstandstische deputiert, die in Gegenwart des Publikums vermögen wurden, wobei sich Schwankungen von 3ch4 bis zu 5iff Pfd. im Gewichte und zwar in Einem Stadtteil ergaben. In einer freisinnigen Ver­sammlung war gesagt worden, die Fünfgroschenbrote wiegen von 6, 61/46isz Pfd.; anwesende Bäcker erklärten das für unmöglich und meinten, Bäcker, die soviel gäben, dürsten wohl solche sein, die den Mehlhändlcr nicht bezahlten. Eine Preis­schwankung in ein und demselben Stadtteil, also unter analo­gen äußeren Bedingungen, von 7.913 Pf. pro Psd. scheint aber bemerkenswert.

Kiel, 13. Okk. Die KorvetteGneisenau" ist auf dem Wege nach Wilhelmshaven heute morgen bei Laaland in einem Südweststurme bei abgefalle­nem Wasser auf den Grund geraten. Der Marine­dampferNotus" von hier ist zur Hilfeleistung ab­gegangen; Gefahr ist nicht vorhanden Frankreich.

Paris, 10. Okt. Der Besuch des Grafen Herbert Bismarck bei Jules Ferry hat allen mög­lichen politischen Konjekturen Thür und Thor geöff­net. Auf der deutschen Botschaft, wo sich Graf Bis­marck gestern längere Zeit aufhielt, ging es zu wie in einem Taubenschlag. Zahlreiche Diplomaten, Journalisten. Reporters u. s. w. baten um Einlaß zu dem Behufe, dem deutschen Diplomaten vorgestellt zu werden. In Abwesenheit des Fürsten Hohenlohe, der zwischen dem 15. bis 20. Oktober auf seinen Posten zurückerwartet wird, machte Baron Rotenhan die Honneurs auf der Botschaft. DerStandard" behauptet, die Besprechung Herbert Bismarcks mit Ferry habe auf die Auslieferung deutscher Sozialisten Bezug gehabt.

Paris, 11. Okt. Die Verwundungen im Duell zwischen Rochefort und Fouruier sind nicht gefährlich. Fournier reichte nach dem Zweikampfe Rochefort die Hand, worauf dieser die Erklärung ab­gab, er habe nicht den Mann und verdienten Offi­zier, sondern den Beamten Ferry's angegriffen. Egypten.

Kairo, 11. Okt. Aus Wady-Halfa wird ge­meldet, daß ein von Major Kitchener abgesandter Bote zurückgekehrt ist und die Nachricht von der Er­mordung Stewarts bestätigt hat. Nur 4 Personen sind am Leben geblieben. Alle schwarzen Sklaven und alle Europäer wurden getötet, darunter der grie­chische Konsul Nicola.

China.

Einem Privatbrief aus Hong-Kong vom 3.