es keinen Halt mehr gebe. Der Kanzler suchte dies mit dem ganzen Aufwand seiner Dialektik zu bestrei­ten und zu zeigen, daß er die Sache noch ganz in seiner Hand habe; aber Herr v. Bennigsen blieb bei seiner Ansicht". DieKreuzztg." bemerkt dazu:Wir müssen derMg. Evang.-Luth. Kirchenzeitung" die Verantwortung für die Richtigkeit dieser Mittheilung überlassen. Sie steht nicht nothwendig im Wider­spruch mit dem Dementi derNordd. Allg. Ztg.", welche lediglich einen Besuch der Herren v. Bennig­sen und Miquel in Varzin in Abrede stellt. Auch der mitgetheilte Inhalt der Unterredung, so weit sie Herrn v. Bennigsen betrifft, klingt keineswegs un­wahrscheinlich, er würde vielmehr, wenn wahr, für manche Vorgänge der letzten Monate das Verständ- niß wesentlich erleichtern."

DieNat.-Ztg.' schreibt: Herr v. Giers hat sich, wie verlautet, ungemein befriedigt über die Ein­drücke geäußert, die er während seines (freilich nur kurzen) Aufenthaltes in Varzin erhalten hat. lieber den eigentlichen Zweck des Besuches in Varzin wird selbstverständlich vollständiges Schweigen beobachtet. In Kreisen, die der russ. Botschaft nahe stehen, wird der Besuch des Hrn. v. Giers in Varzin und Berlin als ein Anzeichen einer Annäherung der russ. Politik an Deutschland mit größter Befriedigung betont. Die Zustände in Frankreich und die Aussichten der Republik sollen einen Hauptgesprächsgegenstand in Varzin gebildet haben, dagegen sollen größere diplo­matische Abmachungen nicht stattgefunden haben. Von Aeußerlichkeiten wird namentlich hervorgehoben, wie überraschend es Hrn. v. Giers gewesen sei, den Reichskanzler mit einem dichten grauen Barte zu finden. (Sch. M.)

DieGermania" ist der Ansicht, daß von der Konferenz des Herrn v. Giers mit Bismarck kaum etwas mehr erwartet werden dürfe, als eine Abnahme der Deutschenhetze in den baltischen Provinzen und der Chikanen im Grenzverkehr.

Die Conservativen sind mißvergnügt darüber, daß Herr Finanzminister Scholz Steuern für Schnaps und Taback einführen will, um die vier untersten Klassensteuerstufen abzuschaffen. Man hält in diesen Kreisen an der von Herrn Bitter geplanten Kapi­talrentensteuer fest, von der aber der Reichskanz­ler nichts wissen will.

Hannover, 21. Nov. Wir lesen in der Germania": Wie dieGerm." schon berichtet, wurde hier am 15. d. M. der Redakteur der hier erschei­nendendeutsch-hannoverschen"Deutschen Volkszei­tung", L. Metien, wegen Majestätsbeleidigung gegen den deutschen Kaiser zu zwei Jahr Gefängniß vcr- urtheilt. Das wäre nun nichts so Auffallendes, da diewelfische" Presse schon Mancherlei durchgemachtz; was aber diesem Rechtsausspruche ein besonderes Relief verleiht, ist folgender Umstand: Der Artikel, in welchem die Beleidigung enthalten sein sollte, war wörtlich aus demStuttgarter Beobachter" abge­druckt. Wie steht es mit der Reichsgleichheit in Deutschland, wenn ein Artikel, der in Stuttgart straf­frei bleibt, in Hannover zwei Jahr Gefängniß einträgt?

In Lübeck ist ein Arzt, Dr. B., wegen fahrlässiger Tödtung zu 4 Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Er hatte einem an Diphtheritis leidenden Kinde wiederholt ein Tuch aus die Brust gelegt, welches vorher in siedendes Wasser getauscht war, und das arme Würmchen dadurch schmählich verbrannt.

Schweiz.

Am 18. d. Mts. zeigte die Sonne so bedeu­tende Flecken, daß man die Flecken lautGenfer Journal" mit bloßem Auge wahrnehmen konnte. Das Zusammentreffen dieses Umstands mit dem gleichzeitig beobachteten Nordlicht und dem magne­tischen Gewitter, welches über einem großen Theile Europas sämmtliche telegraphischen Leitungen störte, bestätigt auf eine interessante Weise die Theorie über die Abhängigkeit des Nordlichtes von einer mehr oder minder gesteigerten Thätigkeit der Sonnenatmofphäre.

Dänemark.

Stockholm, 21. Nov. Der Großherzog von Baden traf heute früh um 9 Uhr 35 Min. hier ein und wurde vom Könige, dem Prinzen Eugen, einer Anzahl höherer Offiziere und von den Spitzen der Behörden am Bahnhof begrüßt, woselbst eine Ehren­kompagnie mit Musik und Fahnen aufgestellt war. Die am Bahnhofe versammelte große Volksmenge empfing den Großherzog mit enthusiastischen Hur- rahrufen; viele Häuser sind beflaggt. Die Pathen bei der am 25. ds. stattfindendcn Taufe des Her­

zogs von Schonen werden sein: der König und die Königin von Schweden, der Herzog von Nassau, der Großherzog und die Großherzogin von Baden, Kai­ser Wilhelm und Kaiserin August«, der Kronprinz und die Kronprinzessin des deutschen Reichs, die Königin von Sachsen, der Erbgroßherzog von Ba­den, die Prinzessin Eugenie, Prinz und Prinzessin Wilhelm von Baden, die Herzogin von Sachsen- Koburg-Gotha, die Fürstin-Wittwe von Wied, der Herzog Oskar von Gotland, die Königin von Ru­mänien, Großfürst Michael und dessen Gemahlin, Großfürstin Olga von Rußland, die Kronprinzessin von Dänemark und die Kaiserin Eugenie. (St.-A.) Frankreich.

Paris, 22. Nov. Rothschild hielt gestern mit andern hiesigen Banquiers eine Berathung; es wird eine starke Baisse befürchtet und es geht sogar das Gerücht, daß Ende dieses Monats mehrere Häu­ser die Zahlung einstellen würden.

Nachrichten ans der Champagne melden, daß die dortigen Weinberge von einem mikroskopisch kleinen Pilze, einer Art von Peronosporcn, bedroht seien, deren Verwüstungen noch fürchterlicher sein sollen, als die der Phhlloxera.

England.

Wie groß in England das Interesse für die Ausbreitung des Christenthums unter den nichtchrist­lichen Völkern ist, ersieht man aus Folgendem. In Warrington hat ein Herr Jones der englisch-kirch­lichen Missionsgesellschaft 1 500 000 v-L geschenkt mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Zinsen die­ses Capitals ausschließlich auf die Mission in China und Japan verwendet werden sollen. In England werden überhaupt jährlich 13 Millionen ^ an frei­willigen Beiträgen zur Mission gegeben.

Die schlechte Hopfenernte dieses Jahres öffnet dem Biertrinker hoffnungsvolle Aussichten. Nach den Berich­ten vom Droguenmarkte kaust England riesige Mengen von Quassiaholz (Fliegenhvlz) und Kolombownrzel, deren Bitterstoff als Ersatz für den des Hopfens dienen soll. Das Aroma sollen dieParadieskörner" ersetzen, während, um das Bier berauschender zu machen, in himmelschreiender Gewissenlosigkeit Tollkirschcnblätter und Wurzeln zugesetzt werden, die in Folge der großen Nachfrage im Preise enorm gestiegen sind.

Rußland.

St. Petersburg, 18. Nov. In der Kasse der Stadtbank in Wladikawkas, einem «Ltädtchen in Kaukasicn mit etwa 5000 Einw., sind großartige Unterschlagungen entdeckt worden. Von 150 000 Rbl. Grundkapital, 1 400 000 Rbl. Einlagen und 150 000 Rbl. Anleihe bei der Reichsbank war in der Kasse nichts mehr zu finden; das Geld war, wie in Skopin, beim Diskontiren fauler Wechsel draufge­gangen. Die Direktoren der Bank und das frühere Stadthaupt sind am meisten bei dem Betrüge be- theiligt. Die ganze Gegend befindet sich in der größ­ten Aufregung. (St.-A.)

St. Petersburg, 21. Nov. Während des letzten Krieges hat die Reichsbank der Reichs­rentei 50 Millionen geliehen. Laut Ukas vom 1. Januar 1881 ist die Reichsrentei verpflichtet, die Summe jetzt zurückzuzahlen; sie erklärt sich ausser Stande. Die ZeitungTirana" sieht darin ein Zeichen, daß der Staatsbankerott Rußlands nicht mehr ferne sei. (Sch. B.)

Für das Rechtsbewußtsein russischer Geschwo­rener legt ein Prozeß Zengniß ab , der in der ver­gangenen Woche in Moskau spielte. Ein Unter­offizier war wegen Bigamie angeklagt. Als Be­lastungszeugen waren seine beiden Frauen bei der Verhandlung anwesend. Trotzdem wurde er freige­sprochen.

Türkei.

Eine interessante Klage über die Germani- sirnng Konstantinopels findet sich in der Pe­tersburgerNowoje Wremja" vom 12. ds. Der Correspondent dieses Blattes, Herr Moltschanow, schreibt u. a.:Der Sultan vertraut jetzt einzig und allein auf die Hülfe Deutschlands. Darum gibt es eine ganze Legion Deutscher in der Türkei. Gene­räle, Offiziere, Unteroffiziere, Staatsräthe, Beamte, Kaufleute, Schauspieler überall Deutsche. Ihrer sind dahier so viele, daß sie bereits sagen:Kon­stantinopel wird eine deutsche Stadt hier ist der Schlüssel zu der deutschen Kolonisation der Balkan- Halbinsel. .." Man sieht jetzt in Konstantinopel überall deutsche Schilder und ist bereits ein Kapital behufs Herausgabe einer deutschen Zeitung gesammelt." Amerika.

New-Dork, 21. Nov. Die Joilet-Eisenhütte in Chicago, welche 20,000 Arbeiter beschäftigt, wird am 1. Dezember geschlossen.

Allerlei.

Münster i. W. Ein Schuster hier in der Nähe hatte sich mehr als billig dem Schnapssauf­teufel ergeben und keine Gegenkur wollte anschlagen. Da fanden ihn neulich Bergleute bei Ibbenbüren toll und voll an der Straße liegen und beschlossen, ihn zu heilen. Sie schafften den betrunkenen Schuster in den dunkeln Schacht eines Bergwerks, wo er nach vielen Stunden von seinem Rausch erwachte. Rings um ihn herrschte stockfinstere Nacht; dumpf und ge­spenstig tönten die gleichmäßigen Schläge der arbei­tenden Bergleute an sein Ohr, nnd schaudernd tastete er mit seinen Händen an den kalten und nassen Wänden herum. Auf seinen herzzerreißenden Hülfe- ruf eilten die schwarzen Gesellen herbei und grup- pirten sich, von ihren Grubenlichtern phantastisch beleuchtet und Grimassen schneidend, um den tödtlich erschrockenen und zitternden Schuster, dem plötzlich sein ganzes Sündenregister einfiel und ihm der Ge­danke kam, daß er der Hölle verfallen sei. Er stürzte dem Obersten der Teufel zu Füßen, der ein Erz- pfiffikns und Bekannter vom Schuster, ihm seine Sünden und Schnapssanfereien strenge vvrhielt und ihm zurief: Schnapsschuster, Du bist dem Teu­fel ausgeliefert!! Der Schuster winselte u. flehte um Gnade, die ihm unter der Bedingung gewährt wurde, daß er nie wieder einen Tropfen Schnaps über seine Lippen ,bringe. Mit verbundenen Augen führte man ihn an die Oberwelt, brachte ihn eine gute Strecke vom Schachte in einen Wald und ge­stattete ihm, die Binde zu lösen, wenn sich alle Teu­fel entfernt hätten. Da sah er ,sich plötzlich in be­kannter Gegend; ohne zu wissen, wie er dahin ge­kommen, und fest überzeugt, daß der Weg in die Hölle bei Ibbenbüren zu suchen sei, schlich er nach Hause. Bis jetzt meidet er aber den Schnaps wie die Pest.

Der Besitzer eines Papageien erzählt: Er spricht verschiedene Worte, darunter bis zu 10 im Zusammenhang klar und deutlich. Wird das Mittagessen aufgetragen, rührt er sich nicht, bis das Fleisch kommt, dann nimmt er eine den Hunden ab­gelernte wartende Stellung ein und ruft, auf einem Beine stehend und die Flügel hängen lassend:Na, so komm! Ei, wo bleibt Jakobchen? bis ihm ein Knochen verabreicht wird, den er kunstgerecht gründ­lich abnagt. Dann ruft er: Pitsch, komm! Mucksel, Mufti, na so komm! überzeugt sich, ob die Hunde auch vor dem Käfig sitzen und wirft mit gravitäti­scher Bewegung den Knochen zum Käfig hinaus. Wir haben ihm dies gewiß nicht gelehrt. Wird an­geklopft, so tönt sein Herrein! wie die kräftigste Männerstimme. Guten Morgen, Sachs, wo bleibst Du? Grüß Gott, gnädige Frau, Komm, Kußchen geben, Laß mich in Ruh! Du böser Bub, Racker, Spitzbub, Lump und vieles andere spricht er mit einer Reinheit und manchmal so zur rechten Zeit, daß die Zuhörer förmlich erschrecken. Zärtlichkeit u. Entrüstung nüaneirt er ganz deutlich, lacht unbändig, pfeist verschiedene Signale und phantasirt in reinen Flötentönen mitunter ganz originell. Von Damen protegirt er Blondinen, auch Kinder liebt er und könnte ich noch viele der originellsten Stückchen von ihm erzählen. Seinen Käfig öffnet er selber dadurch, daß er zuerst eine Sicherheitsnadel vorsichtig ent­fernt, welche das Thürchen oben verschließen, dann den Messingknopf des senkrechten Riegels erfaßt und in die Höhe schiebt, worauf er heraus tritt und Holz klein macht, zu welchem Zwecke ein Brett unter dem Käfig liegt.

Ein aufregender Auftritt fand unlängst in einem Cirkus zu Fargo in Dakota statt. Die Vorstellung war gerade beendet, als eine mächtige Riesenschlange und eine Brillenschlange aus ihrem Käfig entkamen und, da sie seit längerer Zeit nicht gefüttert worden waren, sich auf ein junges Kameel warfen und dasselbe im Nu erdrückten. Eine der Schlangen wollte dann eine hübsche indische Antilope angreifen und ihr in einem Augenblick das Schicksal des Kameeles bereiten, wurde aber daran durch eine Anzahl Leute vom Cirkus verhindert, welche mit Heu­gabeln und anderen! Instrumenten bewaffnet, das Thier in eine Ecke trieben. Man rief sodann die Schlangenbändigerin, Jenny Hickey, ein junges Mäd­chen, welchem die Sorge für die Schlangen übertra­gen ist. Jennie versetzte der größeren Schlange zwei Hiebe mit der Geisel. Das Thier schoß wüthend auf die Bändigerin, wand sich um ihren Körper und würde sie in wenigen Sekunden erdrückt haben, wenn

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