stadt eingezogenen Socialisten von dort unter Begleitung von Schutzmannschaft nach hier überführt und einstweilen auf der Zeil (Constablerwache) in Verwahr genommen. Es gewinnt den Anschein, als ob die fast gleichzeitig hier und in den Nachbarstädten Verhafteten fämmtlich hier internirt würden und den Prozeß gemacht erhalten.
Straßburg, 16. Dezbr. Die „Elsaß-Lothr. Ztg." theilt mit, daß der Stadthalter von Sr. Maj. dem Kaiser erbeten und erlangt habe, die Aufhebung des Kriegsgerichts in Straßburg beim Bundesrath zu beantragen. Die Einbringung dieses Antrages stehe unmittelbar bevor.
Die ..Germania" lehnt Namens des Centrums die Unterstützung der protestaiitisch-conserva- tiven Agitation gegen die Eivil-Ehe ab, bevor vom Papst der ersehnte Frieden hergestellt und das Verhältniß zwischen Papst und Kirche prineipiell geregelt sei. Excelienz Windthorst hat übrigens dem Cnltusininister in der Cnlturkampfdcbatte ein Belobigungs-Attest ausgestellt.
Sechs Schiffe sind ans dem Müggelsee bei dem letzten Sturm untergegangcn. Menschenleben sind glücklicherweise bei dieser Affaire nicht zu Grunde gegangen.
Frankreich.
Paris, 15. Dez. Mitten in allen Aufregungen ist Rochefort gestern noch ein privates Mißgeschick widerfahren. Sein Dienstmädchen hat sich, weil es ein Hundert-Francs-Billet aus der Straße verloren hatte, das Leben genommen. Nochefort war über diesen Fall außer sich und von einem furchtbaren Nervenanfall ergriffen worden.
Henri Rochefort bat wohl ausgespielt. In der Vorstadt Belleville nennt man ihn nur noch einen „entlarvten Spion". Zum Schaden der jetzigen Regierung der französischen Republik gereichen diese Vorgänge zwischen Gambetta und Rochefort ebenso wenig, als die Streitigkeiten unter den Bo- napartisten. Auch Vater Blangui's Erfahrungen mit seinem Blatte sind ein Zeichen der Zeit. Das Martyrium der Communards wird an der eigenen Uebcrhebnng zum Wohle Frankreichs früher zu Grunde gehen, als Viele vermachet hatten. Die Skandale sind übrigens noch nicht zu Ende. Roche fort will auch Briefe Gambetta's besitzen, so z. B. einen Brief Gambetta's an den Justizminister Na- poleon's III., worin Gambetta um eine Stelle als Substitut bittet.
Italien.
Rom, 16. Dez. Im heutigen Consistorium vollzog der Papst die Mundvffnung und Mund- schlicßung an den neu ernannten Eardinälen Jacv- bini und Haffun, ernannte mehrere Bischöfe und den Cardinal Jacobini zum Staatssecretär und Verwalter der päpstlichen Güter.
Griechenland.
Athen, 16. Dezbr. Wie von hier gemeldet wird, hat der deutsche Vertreter, Herr v. Radowitz, mit der griechischen Regierung eine Convention über die bekannte griechische Schuld an Bayern abgeschlossen, welche gestern der Kammer vorgelegt worden ist. Griechenland hat sich laut dieser Convention zur Zahlung von 2,600,000 Frcs. verpflichtet. Schweden und Norwegen.
Christiania, 9. Dezbr. Ein großes Feuer, welches gestern Abend in Arendal zum Ausbruch kam, legte das Postamt und 18 Häuser vollständig in Asche. Zwölf Pferde sind in den Poststüllen verbrannt.
Türkei.
Kvnstantinopel, 16. Dez. Einer anderweitigen Meldung zufolge erließ die Pforte telegraphisch an ihre Vertreter ini Ausland ein Cirkular, in welchem sie die ausgiebige Unterstützung der Mächte zur Lösung der griechischen Frage nachsucht.
Bukarest, 16. Dezbr. Der Senat und die Deputirtenkammer haben, indem sie einstimmig das Attentat brandmarkten, Kommissionen ernannt, welche Bratiano wegen seiner Rettung beglückwünschen sollen. Das Befinden des Ministerpräsidenten Bratiano ist befriedigend. Er empfing heute viele hoch- gestellte Persönlichkeiten und zahlreiche Beglückwünschungs-Telegramme.
Die aus Dulcigno ausgewanderten Moha- medaner kehren allmählich in ihre Vaterstadt zurück. Der Fürst von Montenegro, der neue Landesherr, soll verschiedenartige Begünstigungen zu gewähren beabsichtigen, als Gegenleistung für die seither aus-
gestandenen Leiden und das Ministerium in Cettinje beschäftigt sich schon mit der Frage, ob dieselben in der Form von Steuerbefreiungen oder sonst in irgend einer anderen Art zu bewilligen wären. Dieselben vor Hammelsdieben zu schützen, wird derzeit überflüssig sein, sonst möchre eine solche Gabe nicht werthlos sein.
Rußland.
Moskau, 18. Dez. Gestern Mittag versammelten sich 300—400 Studenten der Medizin im Universilürshofe und riefen nach dem Rektor behufs Aufktärung einiger Mißverständnisse zwischen Studenten und Professoren. Der Rektor erschien nicht, begab sich aber zum Generalgvuverneur. Der erschienene Oberpvtizeimeisler forderte die Studenten aus, auseinanderzugehen, was verweigert wurde. Es heißt, daß heftige Konflikte vorkamen. Polizei und Gensdarmen umzingelten den Hof. Sammttiche Studenten wurden verhaftet, durch die ganze Stadt eskortier und ins Ärresthaus abgesuhrt sdas hienach sehr geräumig sein muh!)
Amerika.
New-Z)vrk, 11. Dez. Fast die ganze Stadt Pensacola, Florida, ist niedergevrannt. Der Schaden wird auf 750,000 Doll, geschätzt, wovon 300,000 versichert sind. Die Stadt h3c>00 Emw.) hatte nur eine Feuerspritze und diese befand sich zur Zerr der Feuersbrunst in Reparatur. — In Cincinnati fanden während der Löschung eines unerheblichen Brandes fünf Feuerwehrleute ihren Tod.
Die tolle Kath'rirr.
Eine WeihnachtSgeschicyre von Will). Grothe.
(Forlsetzuug.)
In dieser Voraussetzung sah man ihn denn auch eine Lebhaftigkeit und Liebenswürdigkeit cnlwickelu, baß ein Vetter, der uuverheirathetc Professor Grau, von ihm äußerte, es müsse ihm heute am heiligen Abende ei» ganz besonderes Heil aufgegangen sein.
Karl Gundelftein war inzwischen die Treppe hinabgesriegeu. Gelächter tonte ihm entgegen. „Was giebt es hier?" fragte er, den Kreis von Bedienten, welche eine alte Frau umgaben und verhöhnten, thei- lend. „Wer ist diese Greisin, welche der Gegenstand Ihres unwürdigen Spottes ist?"
Bei dem Tone der Stimme hatte die alte, gebeugte Frau sich ausgerichtet — ihr Auge schien in den Zügen des Mannes mit dem blonden Vollbart lesen zu wollen.
„Das ist die tolle Kach'rin, welche ihren tobten Sohn sucht", antwortete der eine Bediente.
„Die tolle Kalh'rm?" wiederholte Karl Guuüel- stein. „Also wahnsinnig — und Ihr" — hier wandte er sich den Bedienten zu — „seid jo nichlswürdige und gefühllose Bestien, daß Ihr die Unglückliche noch verspottet? Mutter Kath'rin, kommt; ich werde Euch nach Hause begleiten."
Die Alte hatte keinen Blick von ihm gewandt. „Ist er's? ist er es nicht?" murmelte sie vor sich hin. „Als er fortging, war er nicht bärtig. Ach nein, es ist nicht mein Karl." Sie seufzte.
Der Zurückgekehrte schärfte seinen Blick. „Euer Sohn hieß auch Karl?" fragte er.
„Ja, habt Ihr Nachricht von ihm? Wo mag er sein?"
„Und wie hieß er außer Karl?" fragte der Andere.
„Nun, wie wird er geheißen haben? Wie sein Vater Peter — Karl Peter Gundelftein I" lautete die Antwort.
„Mutter, meine Mutter!" schrie Karl in gewaltigem Jubel auf. „Ich bin ja Dein Sohn!"
„Mein Sohn", tönte es auch aus ihrem Munde, „mein Karl! Ja, ja, er ist es! Er kam mir zurück!"
Seine Arme umfingen die jauchzende und dann ohnmächtig dahinsinkende Mutter. —--
Christian Trautmann hörte eine Viertelstunde darauf, was sich'unten in seinem Hause ereignet halte. Rasch eilte er hinzu, als Karl die wieder aus der Ohnmacht erwachte Greisin fortführen wollte. „Nicht also", rief er. „Sie werden hier bleiben und mit uns den heiligen Abend feiern!"
Mutter Kath'rin hatte ihre Blicke auf ihn gerichtet, in ihnen leuchtete nicht mehr der unheimliche Spuck der Geistesumnachtung. „Nein", sagte sie,,, mein Aufenthalt ist nicht in dem Glanz Ihrer Säle — ich weiß ein Stübchen und gute Menschen. An deren Weihnachtsbaum wollen wir ausruhen. Komm, Karl!
Ich zeige Dir den Weg. Da findest Du auch eine > alte Bekannte, die Frida. Komm! komm!"
Sie gingen und verließen das Haus des reichen Mannes, die Mutter, die ihren Sohn gesucht und gefunden hatte.
1H.
Der wiedergefundene Sohn.
Die Lichter an Roller's Christbaum waren noch nicht erloschen. Um den Tisch saßen außer den drei Theaterangehörigen die Mutter und ihr wicdergefun- dener Sohn. Frau Kathrin's Blicke hingen an dessen Lippen, an dessen Zügen. In ihren Äugen leuchtete nicht mehr der unheimliche Ausdruck des Irrsinns ; aber in ihren Mienen spiegelte sich der ^Abglanz der Seligkeit ihres Herzens. Ihre dürren Hände hielten die ihres Lieblings, als wollten sie dieselben nimmer lassen, als befürchtete sie, er werde ihr wieder entrissen werden, sobald sie ihn nicht halte.
Oie beiden Mädchen und der junge Schauspieler hatten in ihren Gast gedrungen, daß er seine Schicksale erzähle, und die Mutter hatte ibre Bitte mit den ihrigen vereinigt, so daß er den Wünschen nachgab.
„Nachdem Trautmann wußte, daß ich wider Willen dem Gespräche mit Dubourg beigewohnt, in dem es mir deutlich geworden, daß der verzweifelte Kaufmann den Untergang der Amphitrite verschuldet hatte und trotzdem wieder am Rande des Abgrundes schwebte, war es bei ihm beschlossene Sache, mich aus dem Wege zu räumen, ohne daß er mich gerade morde", erzählte Karl Gundelstein r „Am Nachmittage des heiligen Abends sandte er mich mit einem Briefe an den Kapitän, der abzureisen im Begriffe stand. Er hieß^" mich eilen, daß ich in einer Stunde zurück sei, und ohne die Schurkerei zu ahnen, eilte ich zum Hafen.
Ich traf Dubourg auf dem Verdecke und er erwartete nur das Zeichen, um die Anker heben zu lassen. Als er den Brief empfangen, ging er mit mir in eine Kajüte hinab.
§
Dubourg besaß eine kräftige, untersetzte Gestalt. In seinem Aeußern sprach sich sein Charakter aus; er war ein wahrer Seeteufel an Furchtlosigkeit und Verwegenheit. Dabei behend wie ein Asse und stark wie ein Bär.
„Mein Freund", sagte er zu mN, als wir uns in der Kajüle befanden, „ Du wirst mit mir reisen." —
„Wie das?!" rief ich aus und sprang von dem Sitze, auf dem ich Platz genommen hatte, aus: „Ich habe keine Vorbereitungen getroffen und meine Mutter." —-
Er drückte mich wieder aus den Stuhl nieder. „Was kümmert mich Deine Mutter?" unterbrach er mich: „Wir lichten die Anker und schwimmen in einer- Stunde auf der See."
„Das ist unmöglich!" schrie ich. „Ich will Deutschland nicht verlassen."
„Was Du willst", lautete seine Gegenrede, „ist mir sehr gleichgiltig. Du bist hier und bleibst hier." Mit den Worten verließ er mich und verschloß die Kajütenthür hinter sich.
Zuerst stand ich betroffen; dann packte mich wilde Verzweiflung. Ich lief gegen die Thür, als ob meine Kräfte im Stande gewesen wären, die Pforte zu sprengen. Ich schrie um Hilfe, ich bat, ich flehte. Ich weiß es nicht, ob man mich gehört hat; aber Niemand erschien zu meiner Befreiung. Die Nacht brach herein und ging dahin, eine ewig lange Nacht unter Thränen und Angst. Endlich sank ich erschöpft nieder.
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(Schluß folgt.)
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Es verjähren mit dem 3 1. Dezember 1880 — " ^
wenn nicht bis zum letzten Dezember d. Js. dem Schuldner tzs
der Zahlungsbefehl oder die Klage behändigt ist — alle For- ''st
deruugen aus dem Jahre 1878: 1) der Fabrikuuternehmcr,
Kaufleutc, Krämer, Künstler und Handwerker für Maaren und r
Arbeiten, sowie der Apotheker für Arzneimittel, mit Ausnahme ,
solcher Forderungen, weiche in Bezug ans den Gewerbebetrieb des Empfängers der Waare oder Arbeit entstanden sind:
2) der Fabrikunternehmer, Kaufleute, Krämer, Künstler und
Handwerker wegen der an ihre Arbeiter gegebenen Beschlüsse; ,
3) der Schul- und Erziehungskosten aller Art für Unterricht, !
Erziehung und Unterhalt; 4) der Lehrer für Honorare, mit Ausnahme derer, welche bei den öffentlichen Anstalten regle- >
mentsmäßig gestundet werden; 5) der Fabrikarbeiter, Gesellen
und gemeinen Handarbeiter wegen rückständigen Lohnes; 6) der
Fnhrleute und Schiffer wegen Auslagen; 7) der Gastwirthe
und Speisewirthe für Wohnung und Beköstigung, und endlich
8) alle Ansprüche ans Schadenersatz, insbesondere auch die ^
Ansprüche, welche ein in seinem Berufe verunglückter Arbeiter
gegen den Arbeitgeber zu erheben hat. Die frühere Kiagean-
meldung beim Gericht genügt nicht mehr.