Der Handelsvertrag mit Oesterreich will noch immer nicht seiner verdienten Ruhe entgegengehen. Die Hauptschuld liegt eben daran, daß keine Seite der andern bedeutende Zuständnisse einränmen will. So wird den Verhandelnden schließlich wohl nichts Anderes übrig bleiben, als abermals eine Verlängerung des schon bestehenden Vertrages eintreten zu lassen.
Schade, das gute Gewissen ist ganz um seinen alten Credit gekommen. Sonst sagte man: ein gutes Gewissen ist ein gutes Ruhekissen. Das hat ausgchört, die modernen Ruhekissen sind Infanterie, Artillerie und Cavallerie. Die Menschen und die Völker schlafen darauf und träumen trotzdem unruhig, zumal wenn immer neue Federn aufgefüllt werden. Frankreich, Rußland und Deutschland verstärken ihre Heere; Oesterreich, sagte neulich Herr v. Schmerling im Parlament in Wien, braucht's nicht, Oesterreichs gutes Gewissen wiegt 100000 Soldaten auf. Die „Nord. Allg. Ztg." in Berlin hat daS Herrn v. Schmerling sehr übel genommen. Er sei, antwortete sie ihm, ein zu alter, kluger und erfahrener Herr und Staatsmann, als daß er aus Ueberzeugung gesprochen babe. Deutschland sei Oesterreichs Verbündeter, wenn aber Oesterreich nur mit seinem guten Gewissen ins Feld ziehe, so würde es schlimm aussehen. Wenn Jemand ein gutes Gewissen gehabt habe, so sei es Deutschland 1870 gewesen: wenn et- aber damals einige 100000 gut geschulte und tapfere Soldaten weniger gehabt hätte als die Franzosen, was hätte ihm sein gutes Gewissen geholfen! Auch in den Kriegen des ersten Napoleon und in den Zeiten des 14. Ludwig hätten die Deutschen ein gutes Gewissen gehabt, aber sammt ihrem guten Gewissen Schläge bekommen u. Straßburg verloren, die Franzosen hätten trotz ihres schlechten Gewissens die Städte und Dörfer und mehr oder weniger malerische Ruinen wie das Heidelberger Schloß u. s. w. n. s. w. — Richtig ist's; wenn aber die modernen Rubelissen immer von nenem aufgefüllt werden, so liegen wir zuletzt auf Stroh. —
Deutsche Bierproduction. Im Etatsjahr 1878/79 waren innerhalb des deutschen Steuergebietes 11,867 Bierbrauereien im Betriebe. Die Production ergab 20371935 Hectoliter. Dazu kamen Bayern mit 12117 460, Rheinpfalz mit 300000, Württemberg mit 3 801519, Baden mit 1,085,020, Elsaß-Lothringen mit 787,905, so daß sich rund ergeben für das deutsche Reich mit "Ausschluß der Zollausschüsse 38,464,000 Hectoliter. An Steuer für Bier flössen in die Reichskasse 18 200 253 Marl.
Schweiz.
Im Kanton Neueuburg soll, dem „Vigncron" zufolge, die Phylloxcra erfroren sein. Reben, die von dem genannten Insekte befallen waren, wurden ausgerissen und mikroskopisch untersucht. Die Untersuchung ergab das obige Resultat. Wenn der strenge Winter 1879—80 dies zuwege gebracht Hütte, so dürften ihn die schwerhcimgesuchten Weinbauern segnen.
Frankreich.
Paris, 21. Febr. Jerome Napoleon wird nach der „Fr. Z." seit zwei Tagen als bedenklich erkrankt gemeldet.
Alle Parteien in Frankreich scheinen übereingekommen zu sein, die Position der Regiernng in der Auslieferungsfrage nicht zu erschweren. Die äußerste Linke wird nicht interpelliren; selbst der bo- napartistische „Gaulois" unterstützt die Regierung, indem er sreimüthig erklärt, Frankreich habe nicht die geringste Verpflichtung, Hartmann, der jedenfalls als ein politischer Verbrecher zu betrachten sei, an Rußland auszuliefern.
Die Presse beschäftigt sich fortgesetzt mit Hartmann, dem verhafteten Russen. Das Mot d'Ordre bringt heute einen Artikel, das „Tedeum der Völker" genannt, welcher den Königsmord geradezu billigt. Das Mot d'Ordre tadelt die Beglückwünschungstelegramme Grsvys an Alexander II. und weist darauf hin, daß der Zar Nikolaus dem Tedeum beiwohnte, das nach dem Staatsstreich in Notre Dame zur Ehre der ermordeten Republik gesungen ward; daß ferner der Zar Alexander sich bei dem Tedeum vertreten ließ, das in Berlin auf die Abtretung Elsaß-Lothringen gesungen worden sei. Der Artikel schließt: „Wir, die Söhne der Revolution und die Vertreiber der Könige, werden aus das Tedeum mit der Verherrlichung der Märtyrer antwor
ten, welche ihr Land befreiten oder zu befreien suchten, von Harmodius bis auf Solvwjew, nicht zu vergessen Orsini."
Niederlande.
Aus Antwerpen meldet man, daß in der Nacht zum Montag im Fort VI. in Wilnhk, das als Ge- sängniß für Militärstrüflinge dient, drei dieser Gefangenen aus Rache wegen einer angeblichen Ungerechtigkeit das Pulvermagazin dieses Forts .und mit ihm das Fort selbst in die Luft sprengen wollten. Es war ihnen gelungen, einen falschen Schlüssel zu machen und mit demselben in das Pulvermagazin zu gelangen. Sie legten Pulver vom Magazin bis in einen der innern Höfe und suchten nun nach Schwefelhölzern, als ein Corpora!, der durch das Ein- und Ausgehen der Frevler aufgewacht war, sich erhob und den Anschlag entdeckte; die drei Gefangenen wurden verhaftet und in das Stadtgefängniß gebracht.
England.
Die Einnahmen der britischen Staatseinkünfte nehmen mit reißender Schnelle ab. Dem Schatzkanzler ist ein gelinder Schrecken in die Glieder gefahren, indem es sich herausstellr, daß die Einnahmen um ca. 40—60 Millionen Mark zu hoch angeschlagen worden sind.
Rußland.
Petersburg, 20. Febr. Die mannigfaltigsten Vermuthungen, schreibt man der „Köln. Z.", knüpfen sich an den Mvrdanschlag vom 17. d. M. Man fragt sich, was wohl geschehen wäre, wenn der Speisesaal des Winterpalais die gesummte kaiserliche Familie (mit Ausnahme der Kaiserin und der nicht in Petersburg weilenden Prinzen) unter seinen Trümmern begraben hätte? Ich kann Ihnen daraufhin mittheilen, daß ich auf diese hundertfach gestellte Frage immer dieselbe Antwort vernommen habe, die nämlich, daß das Volk aufgestanden und daß es zu ganz unberechenbaren Vorfällen gekommen sein würde. Das russische Volk ist in der That seinem Herrscher warm ergeben, und zwar nicht nur in Zeitungsberichten und Nationalhymnen, und wenn der Kaiser ermordet werden sollte, so ist fast mit Gewißheit anzunehmen, daß ein großer Theil seiner Unterthanen (Bauern, Handwerker und natürlich auch ein Theil des Militärs^ seinen Tod bitter rächen und in blutigem Kampfe aufstehen wird. Gegen wen sich dann die blinde, entfesselte Vvlkswuth richtet, ist leicht vvrauszusehen, gegen alles, was einen anständigen Rock trügt, in erster und gegen die Ausländer, denen man überhaupt nicht grün ist, in zweiter Linie. Man möge sich im Auslande im Geiste die weiteren Folgen dieses entsetzlichen Bubenstückes im Winterpalais —
falls es gelungen wäre — ausmalen.In der
Stadt, aus den Straßen, in den Comptoirts, an den Biertischen spricht man übrigens von fast nichts anderem als von dem Attentat und der angeblich bevorstehenden Abdankung des Kaisers. Man will da ganz genau wissen, daß nach der 25jährigen Jubelfeier seiner Regierung Alexander II. gesonnen ist, die Zügel derselben dem Thronfolger zu überlassen. Der Czar soll es gründlich satt haben, für- all' seine Blühe und Liebe zum Volke von den entarteten Kindern der Nation mit Dynamit und Revolverkugeln belohnt zu werden. Trotz der inständigsten Bitten des Thronfolgers und der Minister soll Alexander II. fest entschlossen sein, abzudanken. Ob es wahr ist, wird die Zeit lehren. — Wenn die III. Abtheilung recht unterrichtet ist, dann befindet sich Wera Sassulitsch wieder im Lande, und zwar bis vorgestern noch in Petersburg. Sie hat die Schweiz unter einem falschen Namen unlängst verlassen und ist in ihre Heimath zurückgekehrt. Sie mag schon vorher um den jüngsten Anschlag auf den Czaren gewußt, sich den Ausgang desselben aber anders gedacht haben, denn sonst wäre sie wohl nicht so leichtsinnig gewesen, und wieder in die Höhle des Löwen zurückgekommen. Die ganze Polizei ist auf den Beinen und auf der Suche nach ihr.
St. Petersburg, 26. Febr. Der Dynamit zur Expsosion wurde aller Wahrscheinlichkeit nach allmählich durch einen vermeintlichen Tischler hereingebracht, welcher seit September im Palais arbeitet und in dem man jetzt einen Technologen vermuthet. Nachdem er seine Gefährten entfernt hatte, machte er die letzten Anstalten, zündete die Distanzlunte an und entfernte sich, ohne daß er bis jetzt aufgefunden werden konnte. Die noch in Haft befindlichen zwei Tischler bleiben mehr oder weniger verdächtig. Massenhafte Arrestationen fanden überhaupt nicht statt.
Der Zusammenhang mit Leitern, die sich in Paris und Genf befinden, scheint evident. (St.-A.)
St. Petersburg, 26. Febr. An Stelle der im vorigen Jahre eingesetzten Generalgouvernements tritt eine Oberleitungskvm- missivu unter selbstständiger Direktion und Führung des mit den breitesten Vollmachten ausgerüsteten Grafen Loris-Melikoff, um energisch dem revolutionären Treiben ein Ende zu machen.
Dem „Berl. Tagebl-" wird telegraphirt: Der Dwornik «Hausknecht) Wassilli Ostrom, welcher zur Aufhebung der letztentdeckten Geheimdrnckerci besonders beigetragen hat, soll erdolcht sein. Auch will man in der Stadt von einem Briefe wissen, den der Kaiser nach der Explosion am 20. ds. Abends wiederum in seinem Schlafzimmer gefunden hat, des Inhalts, der Kaiser-solle nicht glauben, daß er sich am Jubilüumstage (2. März/' die silberne Krone würde aufsetzeu können, wohl aber würde Petersburg am Abend des Jubiläumstages eine Illumination zu sehen bekommen, wie die Residenz sic noch nie erlebt. Die Bevölkerung befürchtet in Folge dessen Brandstiftungen. Diese Furcht ist vermehrt durch den Brand der Moskauer Forstakademie, welchen mau den Revolutionären zuschiebt. Seitens der Polizei wurden besondere Vorsichtsmaßregeln gegen eine Fenersbrunst in den Höfen und Häusern anbefohlcn. Den Dworniks ist doppelte Wachsamkeit eingeschärft. In jedem Hofraum müssen große Bürten mit Wasser zum sofortigen Gebrauch bereitstehen.
Die Ansicht bestätigt sich immer mehr, daß der Czar vermittelst des überaus tückischen Attentats zur Errichtung eines russischen Reichstages gezwungen werden soll. Der Czar wird aber versuchen - in dem tödtlichen Duell zwischen ihm und der gefährlichen geheimen Verschwörerbande — den Dingen ihren Lauf zu lassen, auf die Gefahr hin, ermordet zu werden. — Es scheint, daß die Ladung Dynamit, welche bei dem jüngsten teuflischen Attentat gegen das Leben des Czaren zur Verwendung kam, in einer Metallkapsel verschlossen war. Der Deckel ist aufgcfunden worden, allein weder ein clectrischer Draht, noch eine Spur einer Batterie. — Die Nihilisten versprechen außerdem, am Jubiläumstage eine Illumination vvrzubereiteu, wie eine solche, seitdem Nero Nom niederbrannte, nicht zum zweiten Male gesehen worden sei. Es müssen in jedem Hofraume nun große Bütten mit Wasser bereit stehen !
In Warschau ist ein Entwurf von großartigen Katakomben, die an die Stelle der Warschauer Friedhöfe treten sollen, ausgearbeitet worden. Diese Lcichengewölbc sollen 50000 Särge fassen, dabei ist jeder Sarg nach Ablauf vou 5 Jahren in den Verbrennungsraum überzuführen, woselbst er der Einäscherung unterworfen wird. Das zu diesem Unternehmen erforderliche Capital soll mit Hilfe einer zn gründenden Actiengescllschaft aufgebracht werden.
Von der russich-polnischen Grenze. Anfang dieser Woche wurden die Zagbaum'schen Eheleute, welche preußische Unterthanen sind, aus Rußland ausgcwiesen, weil — der Ehemann Z. einem russischen Gendarmen gegenüber die unvorsichtige Aeu- ßerung gethau hatte, er habe in Alexandrvwo gehört, „es werde bald Krieg geben zwischen Rußland und Deutschland."
Türkei.
Konstantinopcl, 25. Febr. Die Polizei sai- sirte bei einem Individuum, das sich Papadopulos nennt, und unter britischem Schutz zu stehen vorgibt, Bomben und Höllenmaschinen. Man vermuthet, daß ein Attentat auf den Sultan beabsichtigt war. Mehrere Personen sollen kompromittirt sein. Untersuchung ist eingeleitet. (St.-A.)
Kandel L Verkehr.
Mittlere Fruchtpreise per Ceutuer
vom 14. bis 17. Febr.
Kernrn. Roggen. Gnstr. Hab».
Ebingen.12. 8. —. 6. 40.
Geislingen .... II. 75. —. —. —. —. —. —.
Nagold. 11. 80. 10. 56. 9. 84. 7. 7.
Kirchheim .... 12. 27. —. —. 9. 37. 7. 42.
Lettkirch. 12. —. 10. —. 9. 90. 6. 78.
Riedlingcn .... 11 . 75. 9. 47. 9. 63. 6. 50.
Tuttlingen .... 12. 20. —. . 6. 84.
Nürnberg, 25. Febr. (Hopfen.) Der gestrige Dienstagsmarkt entwickelte keine große Regsamkeit. Die Abschlüsse bestanden meistens aus Mittelsorten, bon denen Württemberger 180 —135 desgleichen geringe 115 — 120 gewöhnliche Hallertauer und Wolnzacher, gelbliche, 135 —150 »6, einige Ballen Spalter Landsiegel 160 Aischgründer 133 ,4t, eine Partie Elsässer 119—120 Exporthopfen 60—75 ,/t erzielten.