Spar- und Consum - Verein Stuttgarts oder der Ruin des Bürgerthums." Das Motto lautet:Weg mit dem Consum-Berein! Fort mit dem Patri­zier-Monopol!" Der Berfasser hat die Schrift auf eigene Kosten drucken lassen. Exemplare werden zu 5 Pfg. abgegeben. Heute ist die letzte Nummer desPublizisten" erschienen: somit sind in diesem Jahre 2 Stuttgarter Tageblätter, dieStuttgarter- Zeitung" (früher Bürgerzeitung) und derPublizist" eingegangen. In dieser Woche marschirt unsere Garnison zu den Kriegsübungen ab.

Stuttgart, 25. Aug. Der Genossenschaftstag nahm die von seinem Anwalt vorgeschlagenen Reso­lutionen gegen die Gewährung von Real- oder Jmmobilien-Credit, die Erhöhung des eigenen Fonds auf ein Drittheil des Betriebsfonds der Creditvereine und die Bestellung eines Aufsichtsrathes zur Coutrvle des Vorstandes, an. Die Vermischung beider Organe sei durchaus verwerflich. Längere Kündigungsfristen bei Aufnahme fremder Gelder wurden für nothwendig erklärt. Angenommen wurde ein einheitliches Schema für die Geschäfts-llebersicht, ferner der Antrag der Anwaltschaft auf Zulassung der Aufnahme von Amor­tisations-Darlehen von Seiten der Genossenschaften unter besonderen Verhältnissen.

Stuttgart, 26. August. Das Befinden des Herrn Prälaten Dr. v. Kapff gibt zu ernstlichen Befürchtungen Anlaß.

Stuttgart, 26. Aug. Die Staatsminister v. Mitlnacht, Sick und v. Geßler sind in Urlaub ab­gereist. Die Justiz-Ernennungen sind erschienen. Die Ministerialräthe Kohlhaas und Köstlin werden Se- natspräsideut und refp. Oberstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht, Kern Präsident und Kübel Se­natspräsident desselben Gerichts, Letzterer unter Belastung bei der Reichskommissivn für das Civil- gesetzbuch. Ministerialräthe werden Länderer und Heß. Im klebrigen sind wenig Veränderungen eingctreten.

Stuttgart, 26. Äug. Der Genossenschaftstag nahm den Antrag des engeren Ausschusses, betreffend einen Protest gegen die Verdächtigungen der Con- sumvereine, au und erklärte, es sei die Pflicht aller Genossenschaften. speziell der Vorschnßvereinc, die Consumvereine als wichtiges Glied in der Kette des Genossenschaftswesens in dem von den Gegnern auf- gezwungenen Kampfe aufs Kräftigste zu unterstützen, vorausgesetzt, daß die Consumvereine gut organifirt, tüchtig verwaltet seien, und im Prinzip die Baar- zahlung durchgeführt hätten. (Fr. I.)

Cannstatt, 23. Aug. Der in Frankfurt ver­haftete Hilsenbcck wurde von Frau Ingenieur Lorch und ihrem Dienstmädchen als Derjenige erkannt, der vor einiger Zeit an Elfterer einen Mordversuch ge­macht.

Vom Enzthal, 22. Aug. Das gefährliche Geschäft des Langhvszseilens hat gestern wieder ein bedauerliches Opfer gefordert. Im Wald Mooshang oberhalb der Kälbermühle waren einige Waldarbeiter unten am Wald beschäftigt: während dessen ließ ein unerfahrener junger Arbeiter aus Calmbach oben am Berg einen Langholzstamm aus unvorsichtige Weise los: der Stamm glitt in rascher Schnelligkeit die Halde hinunter, so daß die untern Arbeiter keine Zeit mehr fanden, auszuweichen. Einer von ihnen wurde vorn Stamm erfaßt und blieb mit zerschmettertem Kopf auf der Stelle todt liegen. Das zufällig in Wildbad anwesende Untersuchungsgericht von Neuen­bürg ist sofort eingeschritten.

Der Gewinn, den die Mannheimer Tabakshänd­ler durch die Ablehnung der Tabaksnachsteuer erzielen, wird auf 10 Will, angeschlagen.

Aus der bayerischen Rheinpfalz, 23. Aug. In dem Ort Breitenbach hat eine Frau, deren Mann Abends spät etwas angeheitert nach Hause kam, aus Zorn darüber dem Schlafenden einen Topf kochenden Wassers über Kopf und Brust gegossen. Der Manu ist den Brandwunden erlegen, die Frau ist verhaftet.

München, 23. August. Ein Wvlkenbruch ging gestern über München nieder, wie er laut S. Pr. seit Jahrzehnten hier nicht erlebt wurde. Nach 5 Uhr brach es in der Stadt los; unter Blitz und Donner klirrten große Hagelkörner gegen die Schei­ben, so daß aus der Wetterseite manche zerbrochen wurden. Das vom Sturm gepeitschte Wasser drang durch alle Fugen in die Häuser ein, bei den Fen­stern, durch die Dächer, sogar zum Kamin, wo es in schwarzem Guß herabfiel. Die Häuser wurden außen und innen einer ordentlichen Schwemme unter­

zogen. An vielen Plätzen staute sich das Wasser in den Kanälen, hob die eisernen Deckel auf und strömte in das Erdgeschoß der jHäuser, während die Stiegen herab sich ein anderer Bach in diese Fluth ergoß. In den Souterrains, besonders der Kaffeehäuser, hieß esRette sich wer kann"; die Feuer des Heer­des erloschen und die Gäste mußten sich mit kalten Speisen begnügen. Diejenigen, welche mit Vater- Noah keinen Geschmack am Wasser finden und einem anderweitigen Getränke nachgehen, waren, wenn sic sich gestern gerade im Rathskeller aufhielten, in Ge­fahr, wie weilandall' sündhaft Vieh und Menschen­kind" elendiglich zu ersaufen, denn hier mußten zum Rettungswerk die Feuerwehren mit der Dampfspritze und Militärmannschaften ausrücken und bis lang in die Nacht hinein mit Schläuchen das Wasser auS- pumpen. Es stand mehrere Fuß tief und darin schwammen Weinflaschen, belegte Brödchen, Häringe, von elfteren gingen über 600 Stück zu Grunde; die Gäste retteten sich auf die Tische und die Kellne­rinnen ihnen nach, ein Bild würdig des Pinsels eines Kaulbach's und des Griffels eines alttestamentlichen Historikers, denn auch hier, wie bei der Sündfluth hatten sich die Schleußen des Himmels geöffnet und die Brunnen der Tiefe, d. h. die Kanäle des Stadt­bauamts, thaten sich auf. Den Dächern spielte der Sturm übel mit, in der Lindmurmstraße wurde ein Blechdach aufgervllt, abgehoben und auf die There- sienwiese geworfen. Der Blitz suchte sich diesmal ein aparteS Objekt, nämlich eine kohlensaure Trinkhalle aus. Zunächst schlug er in die Pappel, welche dicht hinter der Halle an der Maximiliansbrücke steht, zer­riß diese, streifte die Bude und der fallende Baum schlug sie in Stücke. Das darin befindliche Mädchen konnte noch mit heiler Haut herausgezogen werden. Aus Starnberg erzählten die Reisenden, daß sie so­gar auf dem Dampfschiff Todesangst ausgestanden haben. Bei Tutzing wurde ein Segelboot bemerkt, das eine Zeit lang im Sturm mit den Wellen kämpfte und dann umkippte. Ein peusiouirtcr Offizier, der in Tutzing ein Landhaus besitzt, und seine Tochter sollen ertrunken sein. Daß das Unwetter in der KuusraussteUuug irgend welchen Schaden verursacht habe, ist unrichtig. Der Potizeibericht meldet noch Nachstehende-): Bei dem gestern Abends eingetreteuen Gewitter, welches mehrfache Beschädigungen verur­sachte, wurde auch ein in der Nähe der Maximilians- brücke stehender hoher Pappelbaum vom Sturmwinde in seiner ganzen Länge abgcsprengt; derselbe stürzte zunächst auf die daselbst befindliche Seyboth'schc Trink­halle. welche auch ihrerseits durch diesen Schlag zu- sammeustürzte und außer der Ladnerin noch zwei Per­sonen unter ihren Trümmern begrub. Eine der letz­teren, eine Grenzaufsehersfcau, wurde hiebei erheblich verletzt. Im Rathhauskeller drang das Wasser in solcher Menge ein, daß dasselbe mit Hilfe der Feuer­wehr durch mehrere Löschmaschinen ausgepumpt wer­den mußte. Die Arbeiten mußten bis Nachts 1 Uhr- fortgesetzt werden.

Aus der Flur deS OrteS Weingart war ein Oekouom mit seinem Knechte mit Pslügen beschäftigt. Durch den harten Boden wurde diese Arbeit dem Letzteren lästig, er lies; das Ge­spann stehen und sprach:Da sollte man sich lieber aufhängen, als weiter ackern!" Sprachs und lief mit der Peitsche dem nahen Walde zu. Der zurückgebliebene Herr vermuthete einen kleinen Jux; plötzlich aber vernahm er einen gurgelnden Angst­schrei und sprang eilends der Stelle zu. Richtig hing der Knecht mittelst der Peitsche an einem Baum, schon blau und schwarz im Gesicht, dem Tode nah', ein rascher Schnitt rettete den Hänglustigen. Als er sich nach einiger Zeit wieder erholt hatte, ging er an seine Arbeit zurück und Pflügte weiter, als wenn gar nichts vor gefallen wäre.

Mainz, 21. Aug. Ein eigenthümlicher Vorfall macht in der Stadt viel von sich sprechen. Als gestern Abend Herr Polizei-Commissär Schüler von Castel über die Schiffbrücke nach Mainz gehen wollte, wurde er von einem liederlichen Frauen­zimmer angesprochen. Herr Schüler, der die Dirne kannte, wollte zu deren Verhaftung schreiten, als das Mädchen plötzlich den Herrn Cvmmissär am Hals sagte und ihn mit Gewalt über das Geländer der Brücke in den Rhein zu werfen suchte. Trotzdem das Frauenzimmer eine sehr kräftige Person war, gelang es dem Beamten doch, dasselbe zu überwältigen. Auf dem Transport nach Eastel riß sich das Frauenzimmer aber noch einmal mit gewaltigem Ruck von dem Cvmmissär los, schwang sich selbst über das Geländer der Brücke und stürzte sich in den Rhein. Die sofort angestrengten Rettungsversuche blieben erfolglos.

Berlin, 22. Aug. I. M. die Kaiserin richtete ein Schreiben an den Landesdirektor von Westpreu­ßen, worin sie ihr Fernbleiben bei dem Erschei­nen des Kaisers durch die Rücksicht auf die Fort­setzung ihrer Herbstkur entschuldigt; die Kaiserin wird von Königsberg direkt nach Berlin zurückreisen.

Die Hauptarbeit des Buudesraths in seiner be­

vorstehenden Session wird betreffen; den Gütertarif, das Eisenbahngesetz und den Antrag auf zweijährige Etatsperioden. In letzterer Beziehung ist bereits das Einverständniß der Bundesstaaten gesichert; bezüglich der elfteren Entwürfe bleiben noch erhebliche Diffe­renzen auszugleichen.

Berlin, 23. Aug. Ein Seitenstück zu der bekannten Geschichte, daß ein Kanzlist, welchem im Scherz'scin eigenes Todesurtheil zum Abschreiben ge­geben wurde, auf die an ihn bei Ablieferung der Arbeit gerichtete Frage, was er eben geschrieben habe, nicht antworten konnte, lieferte dieser Tage ein junger Güterverwaltnngsbeamter einer hiesigen Eisenbahn. Demselben wurde von einem älteren routiuirtercn Beamten, der zum Scherzen sehr aufgelegt zu sein pflegt, ein mit dem Vermerke:Kiste mit lebenden Wallfischen, 15 Pfund schwer" versehener Frachtbrief zur Äbfertigung übergeben. Unbedenklich machte der Beamte den Frachtbrief fertig, und wurde erst auf den mit ihm getriebenen Scherz anfmerksam, als ein Arbeiter ihm unter Lachen mittheilte, daß die Kiste mit den lebenden Wallfischen auf dem Giiterbodcn nicht aufzufindcn sei.

Berlin, 25. Augnst. Das Fußleidcn des Kronprinzen erheischt die sorgsamste Pflege und droht langwierig zu werden. Die Begleitung des Kaisers durch den Kronprinzen nach Königsberg ist fraglich geworden. Die Kronprinzessin geht mit den kronprinzlichen Kindern über Triest auf 8 Mo­nate nach Italien.

Berlin, 25. Aug. Dem Vernehmen nach wird der Kaiser von Rußland bei seiner demnächstigen An­wesenheit in Warschau im Namen des Kaisers durch den Generalfeldmarschall v. Manteuffel begrüßt. Die heftige Sprache der russischen Blätter gegen Deutsch­land, welche ohne Zweifel von dem Fürsten Gortscha- kosf veranlaßt worden ist, hat in neuerer Zeit ganz bedenkliche Dimeu-ionen angenommen. Daß Gort- schakofs auch bei dem Zar gegen Deutschland intriguirt hat, ist wohl anpmehmeu. Aufgeklärt ist bis heute nicht, wenigstens nicht genügend, warum der schon wiederholt ungesagte Besuch des Zaren bei unserem Kaiser immer wieder unterblieb. Manteuffel ist bei Kaiser Alexander persona Aratissima und ihm ist ohne Zweifel der Auftrag gegeben worden, das offenbar bestehende Jntriguennetz anfzulösen und die künstlich erzeugten Wolken der Verstimmung wieder zu zerstreuen. Hiezu ist Manteuffel die allergeeiznetste Persönlichkeit, als Wolkenzerstrener bei dem Kaiser Alexander hat der Feldmarschall schon einmal (vielleicht auch schon öfters) seinem Monarchen und seinem Vaterlande große Dienste geleistet. Hoffen wir, daß ihm auch diese Mission gelinge. (W. Ldsztg.)

Die Lpannung zwischen Deutschland und Rußland, welcher derStandard", ein englisches Regierungs organ, einen charakteristischen Artikel widmet, äußert sich auch heute in allerlei bissigen Zeitungs­artikeln. DieNordd. Ztg." fragt im Hinblick aus den albernen Artikel eines russischen Lieutenants über die baltischen Feuerwehren, ob man diese in Peters - bürg für bulgarische Turnvereine ansehe? Mit gro­ßer Mühe faßt dieGermania" den Zwist aus. Sie freut sich desselben und schreibt unter Anderein: Krieg zwischen Rußland und Deutschland ? Ein schreck­liches Wort, an das noch vor Jahresfrist kein or­dentlicher Preuße zu denken wagte. Aber wer die Auslassungen der russischen und deutschen Offiziösen verfolgt hat, dein ist der Gedanke an eine solche Eventualität so vertraut geworden, wie die Vorstel­lung eines morgigen Regenwetters ... Die Offiziösen dienen selten der Wahrheit; sie thun es aber in die­sem Falle, wenn sie das Märchen von der russisch­deutschen Gefühls- und Interessengemeinschaft zer­stören helfen. Je eher Deutschland es ganz inne wird, daß von Osten ihm mindestens ebensoviel Ge­fahr droht wie von Weste», desto besser. Zu fürchten brauchen wir uns ja nicht, so lange Deutschland und Oesterreich Zusammenhalten." Gewiß ein sehr wah­res Wort.

Die Ultramontanen hatten sich bereits höchlichst darauf gespitzt, daß unter dem neuen Kultusminister die Maigesetzc für immer aufhören würden zu existi- ren und hatten in der sicheren Voraussetzung dieses Thatbestandes bereits stolz versichert, daß sie mit einer milden Praxis in der Ausübung derselben sich nicht zufrieden geben würden. Heut stellt sich aber heraus, daß selbst Herr von Puttkamer von dieser milden Praxis nichts weiß. Der Nachfolger des Herrn Dr. Falk hat die von diesem verfügte Ausweisung der Schulschwestern