200 Pfd. ist das Minimum Fleischmasse, die ein Mitglied be­sitzen muß. Zum Präsidenten wurde der Schwerste, Herr Wil- lard Pcrkins, gewählt. Er ist zwar noch jung an Jahren, erst 22 Jahre alt, auch nicht lang, nämlich nur 5' 4", aber von einer respektablen Masse. Der wahrscheinlich eigens konstruirte Präsidentenstuhl ist in diesem Jahre mit 369 Pfund belastet.

DieEngl. Korr." schreibt: Ein Amerikaner Namens Boyton hat sich für 500 Dollars, die ihm C. S. Mirriman aus New-Aork angeboren, bereit erklärt, sich in einem von letztgenanntem erfundenen und palenlirten Schmimmanzug den Wogen des Meeres anzuvertraucn, um so die Nützlichkeit der Mirriman'jchen Erfindung darzuthun. Am 25. September wird Boyton von einem Dampfer in einer Entfernung von zweihundert Meilen vom Lande auf der See ausgefetzi und sich selber überlassen werden, bis ein vorbeipafsirendes Schiff ihn ansfindet. Der Wag­halsige wird in einem wasserdichten Beutel dürres Fleisch und frisches Wasser für eine Woche, Signallichtcr und eine Flagge milnehmen.

Die Kunstreiterin.

Novelle von Cdwald Au gast König.

Für eine kleine Provinzialstadt ist ein Ereigniß von Be­deutung, wenn eine Seiltänzer- oder Kunstreiter-Gesellschaft auf der Durchreise einige Borstellungen gibt. Der Magistrat hat die Hände vollauf zu thun, um den Platz für die Bude zu wählen, das Aufschlagen derselben zu überwachen und die Abgaben zu berechnen, welche der betreffende Director für die hohe obrig­keitliche Erlaubniß an die Armenkasse entrichten muß. Jung und Alt sieht mit gespannter Erwartung dem Lage entgegen, an welchem die Gesellschaft eintrefsen soll. Der Vater erzählt im Familien­kreise, was er derartiges in früheren Jahren schon gesehen hat, und der Mutier bietet die Ertheilnng oder Entziehung der Er­laubniß, die Bude besuchen zu dürfen, ein vortreffliches Mittel, die ungehorsamen Kinder zu bestrafen, die gehorsamen zu belohnen. Die Metzger, Bäcker und Wirihe berechnen den Nutzen, welcher bei günstiger Witterung ihnen erwachsen muß, die Gasthosbesitzer reiben in Erwartung zahlreichen Besuchs vergnügt die Hände, und selbst der Pächter der Chausseegebühren, welcher vor der Stadt in feiner Schenkwirthschaft sitzt und, gleich der Spinne im Netze auf die Fuhrleute lauert, gibt sich der säßen Hoffnung hi», daß auch für ihn bei dieser Gelegenheit etwas abfallen werde. Uni wie viel mehr mußte für das Städtchen C. die Nachricht, - daß in acht Tagen eine der berühmten Kunstreiter-Gesellschaften eintrefsen werde, von Wichtigkeit fein, als besagtes Städtchen feit fünizehn Jahren solche Künstler nicht beherbergt hatte!

Plan denke nur: eine der berühmtesten Kuustreiier-Gesell- fchasten! Ankündigungen auf farbigem Papier gedruckt, klebten an allen Ecken, sie bildeten für die Schuljugend, die Dienstmägde, Hausknechte und Lehrlinge einen Anziehungspunkt, dem selbst die ernsten Ermahnungen der Lehrer, die Strafpredigten und Drohun­gen der Hausfrauen und die wuchtigen Fäuste der Meister kein Atom seiner magnetischen Kraft rauben konnten. Die Gemüther waren in Aufregung, in den Familienkreisen, den Wirthshäusern, den Werkstätten und Schulstuben sprach man von nichts Anderem, als den Kunstreitern

Nur in einem Hause sprach man nicht darüber. Der Haus­herr hatte seiner Familie und dem Gesinde streng verboten, den Circus zu besuchen und dabei erklärt, die Kunstreiter seien ins- gesammt Vagabunden, die zur Arbeit zu bequem, durch ihre brod- iose Kunst Anderen das Geld aus der Tasche lockten, um es in ckulci jubilo zu verprassen. Der Mann, welcher dieses strenge Verbot erließ, war der Fabrikant Hermann Feldner, der reichste Bürger des Städtchens. Er wohnte bereits seit zwanzig Jahren in C., hatte dort eine Fabrik angelegt und es mit der Zeit zu einem Wohlstände gebracht, der ihm den ersten Rang sicherte. Er war geachtet, aber nicht beliebt, denn er sonderte sich von der Gesellschaft ab und gab nicht einmal zu, daß seine Familie mit den Honoratioren des Städtchens in Verkehr trat.

Er zählt fünfzig Jahre, seine hohe, gesetzte Gestalt und der stolze, militärische Gang gaben ihm das Ansehen eines pen- sionirten Offiziers. Unter der hohen, von dunklem Haar be­schatteten Stirn blitzten zwei feurige Augen, aber das Feuer, das in ihnen glühte, war todt und kalt. Die Züge des alten Herrn verriethen unnachsichtige Strenge, eiserne Charakterfestig­keit und jenen hochmüthigen, aufgeblasenen Stolz, der das aus­schließliche Eigenthum des Parvenüs ist. Welch' anderen Ein­druck dagegen machten das sanfte Wesen und die trotz der zwei­undvierzig Lenze noch hübschen Züge der Frau Feldner! Auch sie wußte sich mit einem Stolze zu umgeben, welchem die unteren Stände mit scheuer Ehrfurcht nahten, aber es war nicht der Geld­stolz, der auf den minder Begüterten mit Geringschätzung hinab­sieht, sondern die Würde einer Frau, welche mit Genugthuung auf ihre Vergangenheit zurückblickt. Man rühmte ihr nach, daß sie liebevoll, leutselig und mildherzig sei, und diese Tugenden hatte Sophie von der Mutter geerbt.

Sie war ein schönes Mädchen, wohl das schönste in dem Städtchen, und schon mancher liebesehnende Jüngling hatte in

den Tiefen ihrer blauen, seelenvollcn Augen sein Herz verloren.

Auch Moritz, der Sohn des Fabrikanten besaß alle Tugenden seiner Mutter. In seiner äußeren Erscheinung das Ebenbild des Vaters hatte er weder die herbe Strenge noch den Stolz desselben geerbt, er war ein heilerer, lebenslustiger Jüngling und ein warmer Vertheidiger der Menschenrechte. Zm Beisein des Vaters durste er leicht seine Ansichten über diesen Punkt nicht äußern, der von allen Vorurtheilen seines Standes befangene Fabrikant würde ihn diese Kühnheit bitter haben büßen lassen. War doch ohnedies des Unfriedens genug im Han'e, weil Mm-ch trotz dem Verbot des Vaters seine Abende oft im Kreise seiner Gesinnungs­genossen verbrachte! Feldner hatte oft gedroht, seinem Sohne das Gehalt, welches dieser als Kassirer im Geschäft seines Vaters bezog, vorznenthalten, aber bisher war es bei der Drohung ge­blieben.

Als die Zeitung die Anzeige brachte, daß am nächsten Tage die Kunstreitecgesellschaft ihre erste Vorstellung geben werde, äußerte Moritz im Familienkreise den Vorsatz, diese Vorstellung zu be­suchen. Mit einer Heftigkeit, welche um so mehr auffallen mußte, weil kein Grund für sie vorlag, erklärte der alte Herr, wenn Moritz diesen Vorsatz ausführe, werde der ungerathenc Sohn die Folgcn bitter empfinden. Der junge Mann ließ sich durch diese Erklärung nicht beirren und Frau Feldner, welche in dem Besuche des Circus nichts fand, was zu Besorgnissen irgend einer Art Veranlassung geben konnte, bestärkte den Sohn in seinem Vor­haben, indem sie ihm versprach, die Ausführung desselben dem Vater geheim halten zu wollen. Daß dem allen Herrn von anderer Seite Mittheilungen über den Ungehorsam seines Sohnes gemacht würden, befürchtete Moritz nicht, denn Niemand war mit dem Fabrikanten so vertraut, daß er mit demselben ein Ge­spräch über Familienangelegenheiten angeknüpft hätte.

Sophie war in dieser Beziehung ängstlicher, sie lehnte die Einladung des Bruders, mitzugehen, aus Furcht vor dem Zorn des Vaters ab.

An demselben Tage, an welchem im Hause des Fabrikanten jenes Verbot erlassen wurde, traf die Gesellschaft des Direktors Charles Vernou ein. .

Die ersten Künstler und Künstlerinnen nahmen in dem GasthofeZum weißen Adler" Quartier, die übrigen suchten in Gasthöfen zweiten Ranges oder in Privaihäusern ein Unterkommen.

Die Schwestern Adele und Therese Giovani, die ersten Künstlerinnen der Gesellschaft, hatten sofort die besten Zimmer des Gajthoss in Besitz genommen, ohne irgend welche Rücksicht auf den Director, der sich mit einem Quartier im zweiten Stock begnügen mußte. Aber Herr Charles Vernon fand dieß ganz in der Ordnung, er ließ weder ein Wort des Unmuthes fallen, noch verschwand das freundliche Lächeln von seinem runden wohl­genährten Antlitz, als der Wirth mit bedauerndem Achselzucken erklärte, die besten Zimmer seien bereits an zwei Damen vermiethet. Weßhalb auch sollte er dieß nicht in der Ordnung finden? Adele und Therese Giovanni waren seine besten Reiterinnen, die Perlen seiner Truppe. Wo nur die Gesellschaft weilen mochte, in einem Landstädtchen oder in der Residenz, diese beiden Damen waren stets die Lieblinge des Publikums.

Und in der That, man mußte dem Publikum die Gerech­tigkeit widerfahren lassen, daß es seine Gunst an keine Unwür­digen verschwendete.

Die beiden Schwestern, die in ihrer äußern Erscheinung einander auffallend glichen, waren schön, sehr schön. Man konnte kaum etwas Lieblicheres sehen, als diese schlanken Gestalten mit den langgelockten, blonden Haaren, den tiefblauen Augen und dem weißen, zarten Teint.

Therese die ältere der beiden Damen, zählte vielleicht vier­unddreißig Jahre. Aber wenn sie auch über die Blüthentage ihres Lebens schon hinaus war, ihre frische jugendliche Schönheit hatte noch nichts verloren. Sie war ernster, wie die heitere, lebenslustige Schwester, welche fünfzehn Jahre jünger sein mochte, oft saß sie stundenlang in trübes, düsteres Sinnen versunken, oft blitzte in ihren Augen eine verzehrende Gluth auf, wie nur der leidenschaftliche Haß sie zu entflammen vermag. Adele dagegen blieb stets dieselbe. Nie umdüsterte eine Wolke des Unmuthes ihre heitere Stirn, nie gab sie düsteren Träumen sich hin.

Sie war ein fröhliches Kind, welches heiter und ungebun­den auf den Blüthenpfaden seines Lebens wandelte und sorglos der Blumen sich freute, welche auf diesem Pfade blühten. Nur wenn einer jener Wüstlinge, welche, die Schmeißfliegen der Ge­sellschaft, jeden Ort öffentlicher Lustbarkeit umschwärmen, dein jungen Mädchen näher treten wollten als die Ehre desselben zu­geben durfte, flammte in den Augen Adelcns Zorn und Entrü­stung auf, und mit einer Stärke, welche keinen Widerspruch dul­dete, wies sie den Betreffenden in die Schranken der Zucht und Sitte zurück.

Ein Mädchen im Alter von fünfzehn Jahren begleitete die Damen. Daß Aurora eine jüngere Schwester dieser Beiden war, mußte man aus der auffallenden Ähnlichkeit ihrer Gestchls- züge mit denen ihrer Begleiterinnen sofort erkennen.

(Fortsetzung folgt.)