um so werthvoller, als bisher in Parlamenten, Volksversamm­lungen, Vereinen und in der Presse von den Wortführern der ultramontanen Partei stets das Gegentheil behauptet, und die ganze Agitation gerade aus den Satz gestützt wurde, daß die katholischen Bürger ohne Verleugnung ihrer religiösen Ueber- zeugung nicht im Stande seien, den Kirchen-Gesetzen den sonst gebotenen Gehorsam zu leisten.

Im deutschen Reichstage ist ein gemäßigteres Tempo eingetreten und es werden wöchentlich nur 23 öffentliche Sitzungen gehalten. Das war nolhwendig, wenn die Reichsboten und die Zeitungen nicht ganz außer Athem kommen und die Commissionen Zeit gewinnen sollten, um die wichtigsten Gesetzvorlagen, z. B. das Militär- und das Preßgesctz vertraulich und eingehend zu berathen. Jedes Gesetz muß dreimal in öffentl. Sitzung bcrathen oder .gelesen" werden; der ersten öffentl Lesung oder Bcrathnng folgen meist, namentlich wenn das Gesetz wichtig und schwierig ist, die Beralhungen in den Commissionen, in welche die großen Parteien ihre besten Vertreter wählen; die Reichsboten werden dann Commissionsräthe und berathen unter sich und mit den betr. Ministern und deren Commissaricn vertraulich und eingehend. In diesen Commissionen wird das Schicksal der Gesetze in der Regel entschieden; denn das Plenum (die öffentliche ganze Ver­sammlung) tritt der Empfehlung des Berichterstatters der Com­mission für Annahme oder Ablehnung eines Gesetzes in der Regel bei. Meist, doch nicht immer; denn in die öffentlichen Berathungen der Parteien mischen sich oft Leidenschaften und Zufälle ein, die im Voraus unberechenbar sind. Die Reichsboten, die nicht in der Commission sitzen, schreiben an den freien Tagen Briefe, machen Besuche, studircn und probiren Reden ein, brauchen viel Geld und gehen Abends in die Partei- und Fraktionsberathungen.

Berlin, 28 Febr. Wie derNationalztg " mitgetheilt wird, soll Graf Arnim nunmehr von dem Gcsandtschaflsposten in Paris zurücktreten. Sein Nachfolger wird Fürst Chlodwig von H oh en l ohe - S chi llings für st, der frühere bayerische Ministerpräsident. Die offizielle Ernennung erfolgt erst nach Schluß der Reichstagssession.

Wie es heißt, wird Graf Arnim den Botschafterposten in Paris mit dem in Konstantinopel vertauschen.

Berlin, 28. Febr. Nachdem nunmehr vorliegenden Ge­setzesentwurf, betreffend die aus dem Amte entlassenen oder wegen unbefugter Vornahme von Amtshandlungen bestraften Kirchen­diener , können letztere durch Beschluß der Centralbehörde ihres Heimatsstaates der Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt und ihnen von der Landespolizeibehörde der Aufenthalt in bestimmten Orten und Bezirken versagt oder angewiesen werden. Ohne bundesräthliche Genehmigung kann ihnen ein anderer Bundes­staat weder die Staatsangehörigkeit crtheilen, noch den Aufent­halt gestatten.

DieGermania" erzäblt von einem Wunder, das nch neuestens begeben baden soll, von welchem sie glaubt, daß an ihm der gläubige Katbolik seinen Glauben stärken, seine Hoffnung in dieser schweren Zeit vermehren werde. Es werde die Liebe zur Kirche neu entzünden und neu erwärmen, ja selbst den Juden und Protestanten zeigen, daß die katholische Religion die einzig wahre, die katholische Kirche die einzige von Gott gestiftete sei. Das Wunder habe sich ereignet au der vierund- zwanzigjährigen Louise Lateau zu Bois d'Haine in der Diözese Tournay in Belgien, Tochter dürftiger aber braver Eltern. Am S-t.April 1868 zeigten sich zum ersten Male die Wundmale (Stigmataj veS Welterlösers an ihrem Körper. Dies wiederholte sich an allen folgenden Freitagen; reines klares Blut strömte aus Händen, Füßen und Seite. Alle ärztlichen Versuche, die Blutung zu heben, waren vergebens. Die Sache wurde ruchbar, auch in der Ferne; hochgestellte Männerund hervorragende Per­sönlichkeiten, wie der Erzbischof Deschamps von Mecheln, der Bischof von Tournay und andere kehrten in die ärmliche Hütte bei der frommen Jungfrau ein, und bald wurde von der kirchlichen Behörde zur förm­lichen Untersuchung eine Kommission.eingesetzt, bestehend aus einer theo­logischen und einer medizinischen Abtheilung, letztere unter dem Vor­sitze von Dr. Lefedvre, Professor der Medizin zu Löwen. Die medizinische Prüfung dauerte anderthalb Jahre, und das Resultat derselben, sowie das von den Theologen bei der Behörde von Tournay urkundlich deponirte Urtbeil ist in einer in Paderborn erschienenen Schrift von Prof. Rohling im Auszuge mitgetheilt. Das Urtheil der Wissenschaft lautet dahin: daß sowohl die Stigmatisation als auch die Ekstase der Louise Lateäu all« strengeu Erfordernisse an sich trägt, welche die Wissenschaft an Las Wunder stellt." Tausende von Aerzten und Gelehrten aller Art, gläubiger und ungläubiger Richtung haben die stetig wiederkehrende wunderbare Thatsache gesehen, sie geprüft und wieder geprüft, und keiner noch hat es gewagt, die von Kommission mitgetheilten Thatsachen und deren Richtigkeit zu bezweifeln und in Abrede zu stellen. Der Verfasser schildert die Begnadigte als ein einfaches, heiteres Mädchen, welches an allen Tagen der Woche, Freitags ausgenommen, die Arbeiten im Hause und im Garten mit größter Pünktlichkeit besorgt und dabei sich einer völligen Gesundheit erfreut,obgleich sie seit 1871 weder Speise noch Trank zu sich genommen, Noch auch (seit länger als drei Jahren) des Schlafes bedürftig war."

Paris, 20. Febr. Es verdient erwähnt zu werden, daß am 16. März der kaiserliche Prinz nicht nur volljährig sein, sondern sich sich auch im Besitze eines ansehnlichen Vermögens befinden wird. Bei seiner Geburt hat ihn 'Napoleon der Ul­ket einer großen Anzahl Versicherungs-Gesellschaften eingekaufi, um ihm nach vollendetem 18. Jahr ein Vermögen zu sichern, wenn er bis dahin den Thron nicht einehmen sollte. Man spricht von 7-8 Millionen, welche an diesem Tage dem Prinzen aus­bezahlt werden müssen.

C artouche.

(Fortsetzung.)

Als man in La Villetie angekommen war, wurde ein gutes Frühstück eingenommen und der Sergeant schloß bei einigen Flaschen Wein einen ewigen Freundschaftsbund mit Cartouche; auch bat er diesen, von dem er sich noch gar nicht trennen mochte, ihn nun auch noch bis Meaux zu begleiten.

Cartouche hätte alles gethan, was sein neuer Freund gewünscht

hätte.

In Meaux wurde ein reichliches Abendessen eingenommen und mehr als eine Flasche Ligueur getrunken.

Mit schwerem Kopfe legte sich Cartouche zur Ruhe; aber o Schrecken! als er den folgenden Morgen erwachte, standen die vier von ihm erworbenen Recruten, das Gewehr im Arm, vor seinem Bette.

Er wollte aufspringen, abersieh- da; die Hände waren ihm gebunden, und der Sergeant erklärte ihm, daß, da er seinen Ver­pflichtungen nicht nachgekommen sei und den fünften Recruten nicht gestellt habe, er ihn nun selbst als fünften Mann betrachte, und Soldat werden müsse.

Eartouche flucht und beschwört den verratherischen Freund, ihn wieder frei zu lassen; vergebens er muß der rohen Ge­walt weichen und als Soldat mit in den Krieg nach Flandern marschiren.

Er wurde eingekleidet. Obgleich er indeß nichts weniger als ein martialisches Ansehen hatte, so ward er doch der wohl- gebildeste und beweglichste aller Recruten.

Seine Folgsamkeit und Willigkeit, mit der er allen Befehlen des Capitäns nachkäm, machten ihn zum Liebling desselben. So gehorsam, so geschickt hatte sich selten ein Recrut benommen, weßhalb man ihm auch ein recht baldiges Avancement versprach. Im Kriege zeichnete er sich durch Tapferkeit und Umsicht aus und lhat sich bei jeder Gelegenheit hervor, so daß er in kurzer Zeit zum Unteroffizier befördert wurde. Er hätte vielleicht als Sol­dat nun sein Glück machen oder aus diesem par oxesllaneo soge­nanntem Felde der Ehre einen Heldentod sterben können, wenn nicht unglücklicher Weise der Friede geschlossen und der junge Krieger wieder entlassen worden wäre.

Es blieb ihm nun nach seiner Meinung nichts anderes übrig, als seine frühere Beschäftigung in Paris wieder aufzunehmen.

Jeder große Krieg erzeugte wenigstens in früheren Zeiten eine Menge Faullenzer, Herumtreiber und Räuber. An das Waffenhandwerk gewöhnt, hatten diese Menschen, denen eine ge­regelte Thätigkeit fremd geblieben war und die nur ihren Beruf im Zerstören gefunden Hallen, keine Neigung und keinen Sinn für eine ihren Mitmenschen und ihnen selbst zum Segen ge­reichende Wirksamkeit sie setzten also das Werk der Zerstörung im Kleinen fort und wurden Vagabunden und Räuber.

Ein kühner und geschickter Führer findet bei solchen Gelegen­heiten immer einen großen Anhang.

Cartouche, der in Paris sehr bekannt war und jeden Schlupf­winkel kannte, hatte unter seinen Kameraden seine ihm passendsten Leute ausgesucht und beschloß nun, in Gemeinschaft mit ihnen seine Geschäfte fortan im Großen zu treiben.

Es fanden sich von Tag zu Tage mehr Theilnehmer, so daß vorauszusehen war, dieselben würden zu einer nicht unbe­deutenden Bande heranwachsen.

Cartouche berief eines Nachts 'an einem einsamen Orte in der Umgegend von Paris eine Generalversammlung, auf der sich ungefähr 200 Mann cinfanden. Nach einer kurzen, kräftigen Anrede, die er an sie hielt, wurde er einstimmig zum Oberhaupt erwählt, worauf er sie auf die folgende Nacht an denselben Platz beschick, um ihnen die Gesetze vorzulesen.

Die vorzüglichsten Punkte derselben waren: Der Haupt­mann hat das Recht über Tod und Leben gegen Jeden aus der Bande; er braucht Niemand Rechenschaft darüber abzulegen; Jeder ist eidlich verpflichtet, dem andern bcizuspringen, auch auf Gefahr seines Lebens, wenn der Andere sich in Gefahr befindet; passiver Gehorsam gegen die Offiziere, welche der Oberhauptmann ernennt. Die übrigen Paragraphen enthielten Disciplinargesetze.

Man sicht also, daß das Beispiel des unumschränkten König­thums Ludwigs XVI. auch Einfluß auf Cartouche geübt hatte, der sich bald zum Schrecken von ganz Paris bewährte.

Kein Tag verging, an dem mau nicht von Diebstählen. Einbrüchen und Mordthaten gehört hätte. Die frechsten und häufigsten Anfälle dieser Art fanden aber an den Quais und auf den Seiyibrücken statt, wo die Beraubten gewöhnlich ohne weiteres in die Seine geworfen wurden.

Die Schlösser, auch die kunstreichen wurden von den Banditen geöffnet und die höchsten Häuser wurden von ihnen beraubt. Sie stiegen mit Strickleitern hinauf.

Die schlauesten und gentlemantil gekleideten Spitzbuben wurden als Taschendiebe in die Kirchen geschickt.

(Forschung folgt.)