Wien selbst, die durch seine Bauart und den immenssn Verkehr in derselben wirklich den Namen als Wlllstadt verdiene. Das geschilderte lheure Leben in Wien fand er nicht bewahrheitet, im Gegentheil manches sehr billig. Sein einstündiger, klarer, geordneter Vortrag erfreute sich am Schlüsse des verdienten Dankes und Beifalls Nachdem der Vereinsvorstand noch eine Mittheilung über eine zu gewährende Unterstützung junger Leute aus den Tuch- und Zengmacher-Hewerden (s. Jnteraientheil in voriger Rümmer) gemacht, gestattete derselbe Hrn. Kollaborator Wieland das Wort, um über die kürzlich in Calw stattgcsundene Versammlung zu reseriren, in welcher unser Reichstagsabgeord- neter Herr Chevalier über seine Thäiigkeii als solcher Rede stand. Die Hauptsache des erstatteten Berichts haben wir schon in einem frühere» Blatte gegeben und erwähne» nur die sympathische Wärme, mit welcher Herr W. die Persönlichkeit des Hrn. Abgeordneten oorsührle, der durch seine umfassenden Kenntnisse und die offenen freien Antworten über die an ihn gerichteten Kragen alle Herzen der Anwesenden gewann; daher dieselben an ihn die 'Bitte richteten, er möchte auch das nächste mal wieder eine Wahl annehmen, wozu er im Hinblick eines solchen ihm entqegcngetragenen Vertrauens sich auch bereit erklärte und sein Bedenken der hohen Sache opferte. Wir werden also, wenn nicht noch ein Gegenkandidat auftreien sollte, oießmal einer ziemlich ruhige», leidenschaftslosen Wahl eittgegeiisehen.
Stuttgart, 20. Nov Abgeordnetenkammer. Außer den Kosten für die Gesandtschaften in München und Wien wurden auch die für Berlin und Petersburg bewilligt. Eine Bitte um Erwägung der späteren Aufhebung des Wiener Gesandlschaflspö stcns wurde durch Stich Entscheid des Präsidenten angenommen.
Aus gut unterrichteter Quelle geht uns die Nachricht zu, daß Herrn Carl Mayer, der ehemalige Beobachter, anfgefor- dcrt im Bezirk Eßlingen ei» Mandat für den Reichstag anzunehmen, solches abqelehnt habe, da er „se i ne n H e i l b ro n n e r Freunden" bereits zngefagt habe.
Karlsruhe, 18. Nov. Die „Bad. Ldsztg." schreibt: Gutem Vernesinen nach ist Dr. Josef Hubert Reinkens auch von der Badischen Staatsregiernng als katholischer Bischof anerkannt worden und wird sich zur Ablegung des Eides den 22. d. M. dahier einsinden (Ist bereits geschehen.)
In vergangener Woche kamen im Hofthealer in München an drei aufeinanderfolgenden Abenden Lustspiele aus der Zeit Ludwig XV zur Aufführung. Die Vorstellungen endeten erst nach Mitternacht Außer dem König hatte Niemand Zutritt; die Darsteller erhielten in den Zwischenacten kostbare Geschenke.
Im baierischen Wald ist an mehreren Punkten die Rind er pest ansgebrochen. Dieselbe wurde aus Misselberg (jenseits der Grenze), wohin Vieh aus der Gegend unterhalb Linz gebracht worden mar, zunächst nach Haindlschlag (bayerisch) eingeschleppt, wo sie bald in flist allen Ställen zum Aüsbruch kam. In einem Stalle fiele» 26. in einem andern 83 Stück Vieh Der Schaden in der Gemeinde wird aut 40,000 Gulden berechnet. Ferner ist die Seuche in Wilden-Rann, Sonnen und Perling ansgebrochen. Es ist bereits Militär abgeordnet worden, um die Absperrung zu vollziehen.
Die Freizügigkeit der Apotheker, die bis jetzt nur für Preußen, Sachsen, Brannschweig, Aithalt Und Bremen besteht, wird demnächst für das ganze Reich ausgedehnt und in diesem Sinne gesetzlich festgestellt werden.
Kassel im Nov. Die hidsigen Frauen, die, wie schon mitgetheilt, eine Vereinigung zur Erzwingung billiger Marktpreise gebildet haben, erlassen einen Aufruf anDeutschlands Frauen, indem es heißt: „In Zeit von wenigen Jahren haben die Preise der meisten Lebensbedürfnisse eine solche Höhe erreicht, daß die nolhwendigsteu Nahrungsmittel kaum mehr für das große Publikum zu beschaffen sind. Plag auch die Ursache dieses Üebels zinst Theil in den socialen Verhältnissen, z B. i» der gesteigerten Äiiwerthung des Geldes liegen, so ist sie doch auch aiivererseits nicht minder darin zu suchen, daß viele Verkäufer, von dem allgemeinen Schwindel unserer Zeit ergriffen, auf Kosten Anderer in Kurzem deich zu werde», das Publikum übervortheilen. Da nun nicht anzunehmen ist, daß die Verkäufer ihre Preise gutwillig geringer stellen werden, so muß nun schließlich den unbemittelten Claffen die V)ahl bleiben: entweder ehrlich zu darben oder sich unehrlich zu ernähren. Nun haben die Frauen von Kassel den Versuch gemacht, diesem Uebelstande vorznbeugen und der immer wachsenden Nöih zu steuern. Es hat sich deßhalb dort ei» Verein von Frauen aller Stände gebildet, welche für die noihwendigsten Nahrnngsbedürfnisse,. als Milch, Eier, Butter ec , mäßige, aber den Verhältnissen angemessene Preise (als solche sind diejenigen angenommen, welche sich unter den von auswärligen Haiidkingshäiisern geforderten Preisen mit Aufrechnung der Transportkosten als die niedrigsten ergeben) festgesetzt und sich gelobt haben, nicht einen Pfennig über den bestimmten Satz zn zahlen, um durch constquentes, einträchtiges Vorschreiten die Verkäufer z»m Zurückgehen zn zwingen. Obgleich der Verein erst wenige Wochen besteht, hat er doch schon erfreuliche Resultate erzielt. Um aber wahrhaft allgemein nützlich zn werden,
müssen gleiche Bestrebungen in andern größeren Städten mit den unsrigen Hand in Hand gehen. Dazu rufen wir die Frauen jener Städte auf, und bitten sie, einen Uebelstand, der alle gleich nahe angeht und den häuslichen Frieden zu zerstören droht, mit uns muthig zu bekämpfen."
In Berlin gewann ein Lehrling, armer Leute Sohn, in der El assen lotterte ein Viertel vom großen Loose. Der Kaufmann nahm den Knaben vor, wo er das Geld zum Loose hergenommen. Er gestand, dem Prinzipal ein Stück Waare entwendet, verkauft und damit das fragliche Loos angeschasft zu haben. Nun beansprucht der Prinzipal den Gewinn für sich. Die Angehörigen des Knaben verweigern aber die Herausgabe und so wird ein fetter Proceß daraus entstehen.
Die Sozialdemokraten in Berlin, Fraktion Hasenclever, schicken die Brüder August und Otto Kappell und F-inn aus in die deutsche Well, um ihr Evangelium bei den Wahlen zum Reichstag zu predigen. Reisegelder 500 Thaler aus der Bundeskasse der Zimmergesellen.
Der Berliner Oberbürgermeister kriegt 10,000 Thaler Besoldung und versichert, daß das gar nicht zu viel sei.
Berlin, 10. Nov. Die „Proo. - Corresp. bestätigt, der Reichskanzler habe dem Bundesrathe einen Gesetz -Entwurf über die Gerichts - Verfassung des deutschen Reiches für bürgerliche Rechtsstreitigkeiteil und Strafsachen, sowie einen Gesetzentwurf über Einführung des erstgedachten Gesetzes zugehen lassen.
Berlin, 21. Nov Als Termin für die Reichstagswahlen ist die erste Woche des Januar 1874 in Aussicht genommen.
Köln, 17. Nov. Heute früh dreht sich die Ünterhaltnng um eine am Morgen an einer Nonne vollzogenen Verhaftung. Dieselbe traf heute Morgen per Eisenbahn aus der Richtung vyn Neuß hier ein und übergab einem Dienstmann ein Paqnet mit dem Aufträge, dasselbe im Waisenhause abzugeben. Als man das Paqnet öffnete, fand man ein todtes Kind vor, welches kter Polizei überliefert wurde. Die sofort eingeleiteten Nachforschungen führten dazu, daß die betreffende Nonne zu Deutz am Bahnhofe, von wo sie abfahren wollte, entdeckt und in Verwahrsam genommen wurde. Ans die Enthüllungen, welche die Untersuchung zu Tage fördern wird, ist man natürlicher Weise sehr gespannt.
Posen, 18 November. Gegen den Erzbischof Ledochoivs- ki wurde heute vor dem Kreisgericht in vier Fällen wegen gesetzwidriger Anstellung von Geistlichen verhandelt. Der Erzbischof wurde in eontnm-toiai» zn 2000 Thaler oder dreizehnmonatlicher Gesängnißstrafe verurthcilt.
In allen größeren Städten Oesterreichs werden bereits Vorbereitungen getroffen, um das Negierungsjubiläum des Kaisers am 2. Decbr. durch Veranstaltung von Festen und Gründung bleibender Stiftungen würdig zu feiern.
Versailles, 20. Nov Nach der Nachlsthung versamel- ten sich die Minister bei Mac Mahon und stellten ihm ihre Portefeuilles zni'ück. Mac Mahon bat sie, die Portefeuilles! bis zur Neubildung des Cabinets zu behalten. Man glaubt, die Neubildung werde noch vor Montag erfolgen. Alle Gerüchte über die Zusammensetzung des neuen Cabinets sind bislang verfrüht. Die Ruhe in Paris und in ganz Frankreich ist vollständig.
Versailles, 24. Nov. (Assemblse.) Ein Danksageschreiben Mac Mahon's sagt-: er werde der feste Vertheidiger der Ordnung, die treue Stütze der Entscheidungen der Versammlung sein. — Leon Say entwickelt seine Interpellation und sagt: Die Wahlen seien vertagt wordeti, um gewisse Parteien zu begüasti-. gen. Beulv rockst den Borwurf Muck. Die Regierung sei völlig unparteiisch verfahren. Schließlich wird die einfache Tagesordnung mit 364 gegen 3l4 Stimmen angenommen.
Man berechnet, daß der Proceß Bazaine am 8. Dez. sein Ende erreicht haben wird.
In Natal entdeckte man kürzlich an den Zweigen eines Baumes die Ueberreste eines der Luftballon's, welche die französische Vertheidigungsregierung während der Belagerung von Paris mit Depeschen auszusenden pflegte. Die Depeschen, welche dieser Ballon, der sich nach Afrika verirrte, enthielt, wurden ungelesen versiegelt und der gegenwärtigen Regierung von Frankreich übersandt.
Die „Dannevirke" vom 22 November bringt folgende mit Vorsicht aufzunehmende Nachricht: „Aus Kopenhagen wird uns geschrieben: In hiesigen Negierüngskreisen wird heute über nicht- anderes als über eine Note gesprochen, welche die preußische Regierung nach hier gesandt hat und in welcher eine Regulirung der nordschleswig'schen Frage proponirt wird. Dem Vernehmen nach geht der Vorschlag auf die Abtretung eines bedeutenden Stückes von Schleswig hinaus, wogegen Dänemark als Aequi- valent seine westlichen Kolonien an Preußen abtreten soll."
Brüssel, 25. Nov. Die „Jndepcnd." erfährt aus Paris, daß die Orleans mit Chambord vollständig gebrochen haben sollen. Letzterer habe beabsichtigt, plötzlich in der Natonalversammlung zu erscheinen, um die Proclamation des legitimen Königthums zu erzielen. Die Regierung sei jedoch von diesem Plan benachrichtigt worden und habe denselben vereitelt.