19. März:
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Dian l,at nie alles verloren, wenn inan seine eigene Achtung rettet. , . ,
Wer sicb zum Schaf macht, den freien die Wolle.
Bedenke das Ende, so wirst, du nimmermehr Uevels thun.
T a g e - - N e « i - l e i t e n.
Stuttgart, 12. März. (17. Sitz. d. K. d. Abg.) Die Tagesordnung fübrt in erster Linie zur Berathung des Berichts der Volks- wirthschastiichcn'Commission über den Staatsvertrag zwischen der wurt- tembergiscben und bäurischen Negierung über Herstellung einer direkten Eisenbabnoerbindung von Nürnberg über Ansbach mit Crailsheim. Tw Commission beantragt einstimmig, dem vorliegenden Staatsvertrag die Zustimmung zu ertbeilen, mit dem Wunsche, daß, dem Art. 2 desselben entsprechend, der in dem Vertrage sestgesetzte Bahnbau von beiden weiten möglichst beschleunigt und von der -st. Staatsregierung das Geeignete biezu im Einklänge mit der K. bairischen Regierung einge eitel Werve» möge. Zur allgemeinen Debatte ergreift nur Elben das Wort, der darauf aufmerksam macht, daß die Linie Freudenstadt-Herrenberg-
Böblingen-Stuttgart-Caiinstatt-Backnang-Gaildorf-Hall-Crailshrim den
kürzesten Weg nach Nürnberg bilde und die Hoffnung ausspricht, daß die Macht der Verhältnisse in nicht ferner Zeit den Widerstand brechen Werve, der den zweimaligen .stammerbeschlüssen gegenüber noch immer bestehe. Der Commissionsantrag ist einstimmig mit 79 Stimme» genehmigt. Es kommt zur Berathung der Entwurf eines Gesetzes, betr. die Beschaffung weiterer Geldmittel für den Eisenbahnbau. Tie Regierung verlangt 4 Millionen. Die Commission beantragt Bewilligung unter der Voraussetzung, daß der provisorische Kredit » conto der in dem neuen Eiscnbahnbau-Gesetzesentwurf vorgesehene Gesammtbewilligung für den Vaknbau pro 1870/73 zu verstehen sei. Holder glaubt, daß in kurzer Zeit die Notlnvendigkeit an uns herantceten werde, ein neues Anlchen aufzunehmen. Kleine Anlehen fänden nach der Erfahrung keine Käufer- Bei dem Stand des Geldmarktes würde ein 4'/-°o Anlehsn
den nickt im Interesse der Staatskasse seien, allein es sei x. Z. nicht mebr nöthig, als die beantragte Summe. Mvhl rechnet dem Hause vor, daß man unter den gegenwärtigen Umständen Europa's, wo alles auf
2 Augen stehe, nicht über die Gegenwart hinaus sorgen dürfe. Ein
Prämienanlehen habe sittliche und wirthschaftliche Nachtheiie. Maver (Besigheim) spricht gegen das Gesetz und erinnert an die verschiedenen Mißtrauensvoten der Volkspartei gegen Hrn. v. Varnbüler nicht blos als Minister der auswärtigen Angelegenheiten, sondern auch als Ver- kebrsminister. Das Mißtrauen sei bearündet durch den Bau der Bahn nach Calw u. s. w. und durch die Gebahrung im Gebiete des Finanzwesens. Redner kommt auf die Emission von Papiergeld zu sprechen und stellt den Antrag, von dem Anlehen 5 Millionen als Anlehen, 3 Millionen durch Ausgabe von Papiergeld zu beschafft». Justizminister v. Mittnacht ermahnt, Eintslne möchten sparsamer sein mit Mißtrauensvoten, und nur dann ein solches aussprechen, wenn das hohe Haus ein solches ausspreche, und nur dann, wenn man selbst in der Lage sei, die Regierung zu übernehmen. — Wo sei ah.w jetzt die Partei, die es wage, die Regierung zu übernehmen'? Die Zukunstsplane des Abgeordneten von Besigheim hätten nicht die Mehrheit des Landes. Wenn eine kräftige Partei sich gebildet habe, sei er bereit, die Regierung zu übergeben. Nichts verächtlicher als die. Gesinnung, welche der Abgeordnete von Besigheim ihm und seinen College» imputire, als hielten sie um jeden Preis an ihren Portefeuille» fest. Für alles, was in der deutschen Politik seit 1867 geschehen ist, habe ich die Verantwortung mit übernommen. Redner schließe seine Rede, der eine hohe politische Bedeutung zukommt, Indem er mit bezeichnender Hinweisung sagt: Man kann so sehr Parteimann sein, daß man die Nächstliegende Wahrheit nicht mehr sieht. Ein erstaunlich lautes Bravo begrüßt den Minister, als er sich niederläßt. Die Conjekturen der Volkspartei ans den Bruch der Solidarität innerhalb des Ministeriums haben sich durch diese Rede als unrichtige erwiesen. (Schluß dieser Verh. s. Nr. 32.)
- 15. März. (19. Sitz.) Schott entwickelt seine Motive über Revision der militärischen Strafgesetzgebung und Strafrechtspflege. Die Kammer beschließt deren Druck in geheimer Abstimmung mit 76 gegen
3 Stimmen Es folgt nun die Wahl eines Mitgliedes in die Justizge- setzgebungs-Commission an Stelle des nicht legitimirten Abgeordneten Zimmerte, die mit 44 Stimmen auf Wolbach fiel. Der Gesetzentwurf, die religiösen Dissidentenvcreine betreffend, kommt zur Berathung. Der erste Absatz des einzigen Artikels lautet: „Die Bildung religiöser Vereine außerhalb der vom Staat als öffentliche Körperschaften anerkannten Kirchen ist von einer staatlichen Genehmigung unabhängig. Es steht diesen Vereinen das Recht der freien gemeinsamen Religionsübung im häuslichen und öffentlichen Gottesdienst, sowie der selbstständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten zu." Hölder als Berichterstatter weist bin, daß mit diesem Gesetzentwurf wieder rin Stück der deutschen Grundrechte zur Verwirklichung komme. Prälat Georgii wies hin auf das Sektenwesen, das innerhalb der Landeskirche aufwuchere: dieses lasse sich nicht durch Gewaltmaßrcgeln hintanhalten. Der in den ev. Gemeinden vielfach schlummernde Geist werde durch ein solches Gesetz wieder wach gerufen werden. Prälat Stock heißt das Gesetz gleichsam willkommen und auch Prälat Weitzel spricht dafür. Hölder begründet den 2. Absatz. Prälat Stock spricht von Repressivmaßregeln gegen atheistische Vereine. Hölder. Man müsse auch diesen die Freiheit des Cultus nach ihrer Art lauen. Die Kirchen hielten vieles für irreligiös, was noch religiös sei. Minister v. Geßler im Sinne Hölders. Prälat Hauber bittet seinen Kollegen, seine Bedenken fallen zu lassen. Man bade auch die Christen am Anfang „gottlos" genannt. Mohl spricht über den Widerspruch, der in der Herstellung der Trennung von Staat und Krrche liege. Hölder weist darauf hm, daß gerade bei dem Stande der Ehegesetzgebung der Staat sich eins selbstständige Stellung schaffe. Auch okonomlich müsse die Kirche freier sein. Auf die Klöster beziehe sich der Antrag nicht. Domkapitular Dannecker. Er hoffe, daß, was man den Dissidenten gewähre, man der alten katholischen Kirche nicht verweigere, und hoffe, daß der Wunsch, daß das der katholischen Kirche wejentliche Institut der Männerorden in die Diöcese eingesührt werden könne, leine Erfüllung finde. Cultminister v. Golther. Was die religiö-
so sei das Gesetz vom Jahre 1862 maßgebend. Schund (Ehingen) spricht zuerst gegen die Aufsaffnng des Abgeordneten dem Domkapitular gegenüber müsse er konstatiren, daß das kath. Volk die Männerorden nicht mehr wolle, einzelne Orden seien dem Uterus selbst gefährlich. Domkapitular Dannecker — verwahrt sich, daß
seinem einfachen Wort eine andere Deutung gegeben werden wolle, er habe nicht von einem besonderen Orden gesprochen. Prälat v. Mehring: „Wir wollen in Frieden leben: aber weil wir das wollen, so wollen wir keine Jesuiten, keine Redemptoristen, keine Ligourianer, die ein stehendes Heer gegen den Protestantismus bilden." Die Klöster seien keine wesentlichen Institute der kath. Kirche. Bei der Abstimmung wird Absatz 2 angenommen. Es kommt zur Behandlung Absatz 3. Derselbe bestimmt, daß die Vereine nach ihrem Bekenntniß, ihrer Verfassung und ihrer Wirksamkeit mit den Geboten der Sittlichkeit und mit der öffentlichen Rechtsordnung nicht in Widerspruch treten dürfen. Absatz 4. „Alle mit gegenwärtigem Gesetz nicht im Einklang stehenden, seither geltenden Vorschriften sind ausgehoben" wird mit dem Schlußsätze angenommen. Hölder referirt über tz. 7 des Commissionsberichts, wonach die Staatsregierung ersucht werden soll, dafür zufforge», daß, wie solche Fälle vorgekommen seien, die Abhaltung religiöser Versammlungen von Mitgliedern der evang. Landeskirche aus kirchenpolizeilichsn Gründen durch weltliche Zwangsmittel und Strafen weder verhindert noch beschränkt werde. Der Antrag der Commission mit Mehrheit angenommen. Es kommt zur Verhandlung der Antrag der staatsrechtlichen Commission, einen früberen Beschluß der Kammer der Abgeordneten vom 3. Dez. 1863 aufzunebmen: „Religionsverschiedenheit zwischen Christen und Israeliten bilden kein bürgerliches Ekehinderniß." „Auf Ehen zwischen Christen und Israeliten findet das Gesetz vom l. Mai 18L5 Anwendung." Dannecker gegen diesen Antrag. Es lei derselbe nichts weiter als eine Eoncession an den Jndifferentismus. Becher: Wenn man nun die Eke der Christen mit Juden verhindern wolle, was wolle man anders, als mit weltlichen Mittet» jene eben niedergewürfenen Reckts- unterfchiede wieder anfrichten? Die.Grundsätze des Prälaten müßten zur Aufhebung der Ehen zwischen Katholiken und Protestanten führen. Prälat v. Mehring aus formellen Gründen gegen den Antrag. Schott: Wenn ich Prätat wäre, würde ich auch gegen den Antrag stimmen, denn cs widerspricht derselbe allerdings den Traditionen. Wenn ein Christ ein Judenmädchen heirathe, so sei er gewiß kein Rigorist mehr, und Eonflikle seien nicht zu fürchten. Die Frauen seien gewöhnlich frömmer als die Männer, und dennoch leiden die Ehen nicht darunter. Ick sehe nicht ei», was es verschlagen soll, wenn meine Frau in die Svnagoge geht und ich zum Prälaten v. Kapff. Es kann den Christen nichts verschlagen, wenn sie durch jüdisches Blut anfgefrischt werden, und wenn durch Absorption den Juden diejenigen unangenehmen Eigenschaften verschwinden, welche sie sich durch lange Unterdrückung angseignet haben. Wenn man sich auf die Sittlichkeit Hernie, so sei auch daran zu denken, daß durch solche Verbote die Heuchelei befördert werde. Man schaffe die Liebe nicht aus der Welt; die Liehe überwindet alles, auch den Unterschied der Confession. Prälat Georgii: Der Antrag gehöre nicht ins Gesetz über die Dissidenten. Im Volte herrsche eine große Aversion gegen die Judenehen. Hölder: Die Religionsverschiedenkeit dürfe keine Nechtsvcrschiedcnheit zur Folge haben. In dem Augenblick, wo man die religiösen Vereine freigibt, muß man auch die Schranken beseitigen, welche dem Einzelnen noch gezogen werden. -- Der Schluß der Debatte wird angenommen. Bei namentlicher Abstimmung wird der Antrag der Commission mit allen gegen 16 stimmen angenommen.
Aus Stuttgart, 14. März, schreibt die „Kölnische Zeitung" : „Der Antrag der Kammermehrheit auf Abänderung des Kriegsdienstgesetzes von 1868 hat auf die Regierung einen sehr bemerkbaren Einfluß ansgeübt; dieselbe bemüht sich jetzt, Jahre lange Versäumnisse auf einmal hereinzuholen. So allein ist das unerwartet schroffe Auftreten der Minister Mittnacht und Barn- büler gegen die Volkspartei in der vorgestrigen Kammersitzung zu erklären, dieselben Minister, welche seiner Zeit im ersten Zollparlament der abwesenden deutschen Partei von Württemberg so tüchtig den Text gelesen haben. Wie man hört, ist den Ministern neuestens ein zwar nicht unmittelbar persönlicher, aber deßhalb nicht weniger deutscher Fingerzeig Seitens des Königs zugekommen, welcher überhaupt für die wirkliche Lage der Dinge ein viel besseres Verständnis als seine Rathgeber an den Tag zu legen scheint. Zuverlässig verlautet sogar, daß der König selbst den Gedanken eines Eintritts Württembergs in den norddeutschen Bund durchaus nicht so weit von sich wirft, wie ein Theil seiner Umgebung dieß gern haben möchte. Vor allem aber zeigt er sich fest entschlossen, an der erst vor zwei Jahren getroffenen Neuordnung der militärischen Verhältnisse unverbrüchlich festzuhalten, und in seinem Willen läge es sicher nicht, wenn der Kriegsminister v. Wagner sich entschließen sollte, seine Stellung aufzu- geben. Was geschehen soll, wenn jener Antrag der Kammermehrheit zum definitiven Beschluß der Kammer erhoben wird, darüber werden eben jetzt eifrige Berarhungen gepflogen. Der Gedanke eiuer Kammer-Auflösung taucht immer auf's Neue auf, um immer auf's Neue durch die Besorguiß, durch die Neuwahlen eine noch oppositionellere Kammer zu bekommen, verdrängt zn werden. Man hat sogar schon von einer königlichen Proklamation an das Land gesprochen, aber auch die Befürchtung, daß selbst dieses äußerste Mittel seinen Zweck nicht mehr erreichen werde, ist schon ausgedrückt worden. Sie sehen, wir befinden uns mitten in einer bedeutungsvollen Krisis, deren Ende vorerst noch nicht abzusehen ist. — Die Interpellation wegen des Bünd- nißfalles soll Minister v. Varnbüler entschlossen sein, nicht zu beantworten. Ich kann vorerst nicht daran glauben, daß Herrn v. Varnbüler diesen zwar anscheinend bequemen, in der That aber für ihn nicht ganz ungefährlichen Weg beschreiten wird."
Stuttgart. Nach dem Vortrag des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten v. Varnbüler sollen in der Finanzperiode 1870—73 zur Ausführung kommen: die in Angriff genommenen Eisenbahnen 1) von Nagold nach Horb, 2) von Calw nach Pforzheim, 3) von Leutkirch nach Jsny, 4) von Hechingen nach Balingen. Neu in Angriff sollen genommen werden die Bahnen 1) von Altshausen nach Pfullendorf zum Anschluß an die badische Bahn Stockach-Pfullendorf, 2) von Crailsheim an