Der Schneider von Stuttgart.

Novelette von Karl von Kessel.»

In den ersten Tagen des Monats Juni des Jahres 1510 befand fich auf der Straße von Main; nach Frankfurt ein rüsti­ger Gesell, dem man es an der Rüstigkeit, mit welcher er fort > schritt, ansah, daß er noch gern vor Einbruch der Nacht die nächste Herberge zu erreichen wünschte. Er mochte ungefähr süns und zwanzig Jahre alt sein, trug ein bellgrünes Wams von gutem, derbem Tuch, einen grauen Filzhut, welcher auf der einen Seite aufgekremmt und mit einer Adlerfedcr versehen war und einen langen mit allerhand Schnitzwerk verzierte» Bogen, der nachlässig über seinen Rücken hing, während in seinem Gürtel ein halbes Dutzend derbe Bolzen steckten. Aber so kriegerisch oder waid­mannsartig auch das Aussehen des Reisenden war, so zeigte sein Gesicht doch keineswegs jenen Ausdruck von Trotz oder fröhlicher Keckheit, welche so häufig ein Erbtheil der Söhne des Mars und der Diener der Diana sind. Wir wollen hiermit zwar nicht sagen, daß unser Reisender nicht im Stande gewe en wäre, sich zu dem Einen oder dem Andern emporzuschwinge»; denn er war, wie gesagt, ein schlanker, wohlgebildeter Gesell, dem es keines­wegs an Kraft und Beweglichkeit fehlte, aber gerade in diesem Augenblick schien sein Muth durch irgend ein Ereigniß nicderge- gebeugt zu sein er ließ den Kopf mißmuthig hängen und man sah cS ihm deutlich an, daß er für das, was um ihn vorging, nur sehr weniges Interesse empfand.

So ist cs gewesen und so wird es immer sein," murmelte er vor sich hin, indem er dabei finster die Stirn runzelte,wo die Stärke ist, da ist auch das Recht, und Treulosigkeit, Lug und Betrug können offen anftreteu, wenn sie die Macht besitzen, das Unrecht, was sie begehen, ungestraft auszuüben."

Mit Nichten, guter Freund," sagte eine volltönende kräf­tige Stimme plötzlich neben unserem Helden,wenn ich Euch auch zum Theil Recht gebe, so bin ich doch nicht ganz Eurer Meinung."

Unser Reisender machte bei dieser unerwarteten Anrede einen Seitensprung und seine Hand faßte unwillkürlich nach einem der in seinem Gürtel steckenden Bolzen, um auf alle Fälle gefaßt zu sein.

Beunruhigt Euch nicht," sagte der Fremde, welcher zu Pferde war, indem ein unmerklich Lächeln seine Lippen umspielte, ich bin eben so friedlicher Natur wie Ihr, und meine Schuld ist es wahrhaftig nicht, wenn Ihr in Euer Selbstgespräch so ver­tieft wäret, daß Ihr den Tritt meines Rosses nicht gehört havt. Aber noch einmal mein guter Gesell, ich kann Euch in Betreff dessen, was Ihr soeben äußertet, nur halb Recht gebe»."

Der Manu mit dem Bogen hatte sich inzwischen seinen neuen Reisegefährten, der von einem Diener begleitet war, näher be­trachtet, und da i» dessen Aeußercm in der That nichts lag, was hätte Ursa b geben können, ihm Furcht einzuflößeu, so er­holte er sich bald von seiner Ueberraschung und antwortete offen und unbefangen.

Wer Ihr auch sein mögt, lieber Herr denn euer An­zug paßt eben so gut für einen Kaufherrn wie für einen edlen Ritter, für einen Patrizier wie für einen Richter so würdet Ihr vielleicht doch anders urtheilen, wenn ihr an meiner Stelle wäret."

Mein guter Gesell," antwortete der Reiter in leutseligem Tone, indem er seinen offenen freundlichen Blick auf den Spre­chenden heftete,daß Euch etwas Unangenehmes begegnete, sieht man Euch wohl an, und wenn Euch an meiner Theilnahme et­was gelegen sein sollte, so haltet Euch deren im Voraus versichert. Aber darin habt Ihr Unrecht, wenn Ihr glaubt, daß man schon deßhalb verlassen dasteht, weil man der Schwächere ist, denn der Aermste findet oft dann einen Freund, wenn er es am wenigsten vermutbet, und Ihr könnt doch das Sprichwort: Wenn die Noth am größten, ist die Hilf' am nächsten.

Ach, wo würde sich für mich wohl ein solcher Freund fin­den," entgegncte der Bogenschütz, indem er ungläubig mit dem Kopf schüttelte und denselben dann wieder muthloS auf die Brust sinken ließ.

Steht es wohl einem so kräftigen und handfesten Burschen gut an, sich gleich so der Zaghaftigkeit hinzugeben," sagte fast unwillig der Reiter.Wenn ich von dem Bogen, der über Eu­rer Schulter hängt und von den Pfeilen, die in Eurem Gürtel stecken, auf andre Dinge schließen darf, so versteht Ihr eine Waffe zu führen, und bei Gott, mein Freund, so weit ist es

in unserer Zeit noch nicht gekommen, daß dies einem tapfern Mann nicht von Nutzen lein sollte. Gewiß seid Ihr ein Bo« gensckützel, der irgendwo Dienste nehmen will und einen Herrn sucht?"

Was nicht ist, kann noch werden," antwortete der Gefragte, indem er sich von neuem seiner heimlichen Betrüblich hingab, denn für mich hat das Lebe» keinen Werth mehr, aber was mei­nen jetzigen Stand aubelaugt, so irret Ihr Euch, den augen­blicklich bin ich nur ein einfacher Handwerker und zähle zu der Zunft der Schneider in Stuttgart."

Ein Schneider!" rief der Reiter, indem er seinen Beglei­ter verwundert von oben bis unten ansah,nun, bei St. Georg! für einen solchen seht Ihr keck genug ans und ich müßte mich sehr täuschen, wenn Ihr die schöne Armbrust da nur aus Prahlerei mit Euch herumtrüget."

Darüber sollt Ihr sogleich im Klare» sein, edler Herr," entgegnetc der Andere,was Hans Sindelfinger zu Cöln ge­konnt hat, das wird er wohl auch jetzt noch nicht verlernt haben.

Und mit einer Gewandtheit und Schnelligkeit, die für seine große Künstfertigkcit Zeugniß ablegten, riß er den Bogen von seiner Schulter, legte auf die Sehne, welche in einem Augenblick gespannt war, einen Bolzen, brachte die Armbrust an den Kopf und sagte mit sicherer und fester Stimme zu dem ihn begleiten­den Fremden gewendet:

Seht Ihr dort jenen Raben in den Lüften flattern? Ge­duldet Euch einen Augenblick und er wird mit abgeschossenem Kopfe zu Euren Füßen liegen."

Bravo! mein wackerer Bursche," rief der Reitersmann, welcher mit sichtbarer Spannung den Erfolg eines solchen Ver­sprechens abgewartet hatte und nun wirklich den Vogel in der angedentcten Weise vor sich sah.Bravo! Wer einen solchen Schuß zu thun im Stande ist, braucht nicht bange zu sein, daß sich Biele finden werden, die cs versuchen, ihm seinen Ruhm streitig zu machen."

Und doch," erwiderte Hanz Sindelfinger, indem er seinen Bogen wieder gleichgiltig über die Schulter warf und sich seiner Traurigkeit abermals hiugab,und doch versichere ich Euch, daß ein Schuß, der wahrlich nicht schlechter wie dieser war, mich erst noch vor wenigen Tagen um die Hoffnungen meines ganzen Le­bens brachte."

Wie soll ich das verstehen?" fragte aufmerksam sein Ge­fährte, dessen Theilnahme für den wackcrn Schützen unvermerkt im­mer größer geworden war.

Es wäre eine zu lange Geschichte, als daß ich Euch zu- muthen könnte, dieselbe bis zum Ende zu hören," entgegncte kopf­schüttelnd der Schwabe,und somit Gott befohlen, Herr, denn ich will hier den Weg über die Hügel einschlagen, um zu sehen, wo ich für diese Nacht ein Unterkommen finde!"

Noch ein Wort," rief der Reiter,und wenn Euch der Vorschlag nicht gefällt, den ich Euch zu machen willens bin, so mögt Ihr in Gottes Namen Eures Wegs ziehen."

Nun, so laßt hören," sagte der Andere, stehen bleibend und den Fremden zutraulich ins Gesicht blickend.

Die Sache ist ganz einfach," entgegncte dieser.Ich finde Gefallen an Euch begleitet mich daher bis zur nächsten Her­berge, die kaum noch in der Weite eines Büchsenschusses vor uns liegt, und seid dort mein Gast, und wenn Euch dann, mein wackerer Bursche, bei einem Becher würzhasten Rheinweins das Herz nicht aufgeht und die Zunge gelöst wird, so entbinde ich Euch von Eurer Erzählung und wir wollen daun am andern Morgen als eben so gute Freunde scheiden, wie uns der Zufall als solche zusammcugeführt hat."

Ich nehme Euern Vorschlag an," entgegnetc Hanz Sindel­finger,denn ich sehe, daß Ihr ein edler Herr und nicht stolz seid und überdem, aufrichtig gestanden, so schwer auch mein Herz ist, so leicht ist doch meine Börse."

(Fortsetzung folgt.)

In Neapel hat kürzlich zwischen den Schwestern Maria und Munzia Granata ein Duell stattgefunden. Die beiden Rivalinnen, denn Eifersucht war die Ursache ihres Haders, wähl­ten das Messer, die nationale Waffe, zur Ausfechtung ihres Ha- derS. Eine der beiden Duellantinnen blieb todt auf dem Kampfplatze, die andere lebt noch, hat aber achtzehn Wunden erhalten.

Drillt und «-erlog der <8. W. Zoiler'scheir -Suchhund!»»,. Redottiou: Holzte.